Wasserversorgung, der Inbegriff aller Einrichtungen zur Beschaffung von Trink- und
Verbrauchwasser (Nutzwasser).
Geschichtliches. Die älteste Art der Wassergewinnung
bildet die Anlage von Cisternen und Brunnen.
Man findet uralte Reste von Cisternen in Westasien und Nordafrika sowie Brunnen, die lange vor unserer Zeitrechnung
bestanden und noch heute benutzt werden. Beispielsweise sind die 3–4 m weiten Schöpfbrunnen, welche das Grundwasser des
Nilthals nutzbar machen und mit Göpelwerk betrieben werden, nach Ansicht von M. Eyth so alt wie die ältesten
Hieroglyphen; von den Brunnen, welche die Oase von Theben wie ein Sieb durchlöchern, spricht schon Olympiodor; sie sind
bis 200 m und darüber tief und eine Anzahl derselben ist in den letzten 60 Jahren wieder aufgeräumt und in Gebrauch
genommen. Nicht weniger bemerkenswert sind die ebenso alten Bohrbrunnen (s. d.) im südwestl. China.
Auch die Kunst, das Wasser vom Gewinnungsorte den entfernt liegenden Verbrauchsstellen zuzuführen, wurde bereits vor
den Römern in Kleinasien und Ägypten vielfach geübt. So erbaute Polykrates im 6. Jahrh. v. Chr. eine Quellwasserleitung
für die Stadt Samos, in welcher eine Tunnelstrecke von über 1000 m Länge lag. Von den Griechen empfingen die Römer die
Anregung zum Bau ihrer zahlreichen Wasserleitungen, von denen die erste, die
Appia Claudia, zur Versorgung ihrer Hauptstadt angelegt und 313 v. Chr. eröffnet wurde.
Gleichem Zwecke dienten der Anio vetus (273), die
Aqua Marcia (144) und verschiedene andere Leitungen, fast alle mit großen
Aquädukten (s. d.) zur Überschreitung von Thälern ausgestattet. Sie hatten die
mit der wachsenden Stadt immer großartiger angelegten Thermen, Brunnen und Teiche
(piscinae) zu speisen und noch jetzt werden vier derselben
(Acqua Vergine, Acqua Marcia,
Acqua Felice und Acqua Paola) zur Versorgung
des heutigen Roms benutzt. Reste der umfassenden Werke, welche die Römer anlegten, um die Städte der eroberten
Provinzen mit Wasser zu versorgen, finden sich unter andern noch bei Arles, Avignon, Arcueil, Konstantinopel, Lyon,
Mainz, Nimes, Paris, Trier; einzelne derselben sind neuerdings wiederhergestellt und in Gebrauch genommen (Antibes,
Bologna, Metz, Segovia, Sevilla, Spalato). Das Mittelalter ließ die Mehrzahl der überkommenen großen Werke verfallen,
ohne neues dafür an die Stelle zu setzen. Die Versorgung der Städte erfolgte meistens aus den innerhalb der Stadtmauern
angelegten Brunnen, und erst den letzten Jahrzehnten des gegenwärtigen Jahrhunderts war es vorbehalten, Leitungen
herzustellen, welche das unentbehrliche Lebenselement selbst den Bewohnern der höchsten Stockwerke unmittelbar
zuführen. Nicht weniger ist auch die Möglichkeit, große Wassermengen ↔ durch
Filtration zu reinigen, eine Errungenschaft der neuesten Zeit.
Der Wasserbedarf wechselt nach Gewohnheit,
Wohlhabenheit und Reinlichkeitsbedürfnis der Bewohner, nach dem Umfang des gewerblichen Betriebes und den Ansprüchen,
welche an öffentliche Einrichtungen (Springbrunnen, Badeanstalten, Besprengung der Straßen und Anlagen) gestellt
werden; endlich auch nach Art der Abgabe (Verbrauch nach Belieben gegen feste Vergütung oder Abgabe nach Wassermesser).
Nach Erfahrungen bei deutschen Wasserwerken ist bei Abgabe nach Wassermessern als Durchschnittsbedarf zu rechnen:
____ | Zum Trinken, Kochen, Reinigen u. s. w.__für Kopf | Liter |
____ | _am Tag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . | 20–50 |
____ | Zur Wäsche desgl. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . | 10–15 |
____ | Zur Klosettspülung (einmalig) . . . . . . . . . . . . . . . . . . | 7–10 |
____ | Für ein Wannenbad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . | 350 |
____ | Für ein Brausebad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . | 20–30 |
____ | Zum Besprengen von Gärten, Bürgersteigen, Höfen | |
____ | _und Straßen für 1 qm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . | 1,5 |
____ | Ein Pferd oder__1 Stück Großvieh tränken und rei- | |
____ | _nigen (ohne Stallreinigung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . | 50 |
____ | Zum Schlachten von 1 Stück Vieh in Schlachthöfen | |
____ | _durchschnittlich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . | 350 |
____ | Für eine Handfeuerspritze pro Minute . . . . . . . . . . . | 300–400 |
____ | Für eine Dampfspritze desgl. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . | 1000 |
____ | Ein Feuerpfosten soll liefern pro Minute . . . . . . . . . | 400–600 |
Der Gesamtverbrauch, gleichmäßig auf die Tage eines Jahres verteilt, beträgt je
nach den Verhältnissen 55–135 l für Kopf und Tag und ist im großen Durchschnitt zu 100 l anzunehmen. Erfolgt die Abgabe
nicht nach Wassermesser, so kann derselbe bis auf das Doppelte ansteigen. Für die Anordnung des Wasserwerkes kommt
nicht allein der durchschnittliche, sondern der größte Tagesbedarf, außerdem auch
der größte Stundenbedarf in Frage. Ersterer beträgt das anderthalbfache (im Mittel
also 150 l), letzterer 10 Proz. des Tagesdurchschnitts (im Mittel also 10 l pro Kopf und Tag). In engl. Städten ist der
Verbrauch etwas, in amerikanischen erheblich (bis dreimal und darüber) größer als in deutschen. Dieser starke Konsum
hängt nicht allein mit dem Fehlen der Wassermesser, sondern auch mit der oft unzureichenden Beschaffenheit des
gelieferten Wassers zusammen. Bei Entwurf einer Wasserleitung ist ferner das Anwachsen der Stadt zu berücksichtigen,
welches 1871–90 in deutschen Städten von über 50000 E.: 2,8 Proz., in Städten von 35–50000 E.: 3 Proz., in kleinern
Städten von 20–35000 E.: 2,25 Proz. jährlich betragen hat. In Städten unter 20000 E. weicht der Prozentsatz der
Steigerung nur wenig von dem des allgemeinen Wachstums der Bevölkerung (etwas über 1 Proz. jährlich) ab. Eine über
40 Jahre hinausgehende Vorausberechnung des Rohrnetzes ist wegen zu großer Amortisations- und Zinsbeträge sowie wegen
der Möglichkeit einer abweichenden Entwicklung der Stadt nicht zu empfehlen. Vorstehende Zahlen über Wasserbedarf
beziehen sich auf Versorgung durch eine Druckwasserleitung und setzen zugleich einen bestimmten Kulturzustand der
Abnehmer voraus. Muß das Wasser in Gefäßen herbeigeholt werden, so ist der Verbrauch viel geringer, etwa 10–15 l pro
Kopf und Tag. Bei großer Bedürfnislosigkeit und mangelhafter Ableitung des Wassers liegt er zuweilen noch unter dieser
Grenze.
Erforderliche Beschaffenheit des
Wassers. Gutes Trinkwasser soll 9–12° C. warm, klar, farb- und geruchlos sein; die Gesamthärte
(s. Härte des Wassers) kann 25–30 deutsche Grade betragen. Zu
hoher Gehalt an Kalk und Magnesiumsalzen kann Ver-
Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 539.