Schnellsuche:

Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Wickram; Wickrath; Wiclif

689

Wickram - Wiclif

liegen die kupferreichen Hügel von Cronebane mit dem 605 m hohen Croghan. Die wichtigsten Flüsse sind der Slaney und der Avoca. Das Klima ist feucht, im ganzen jedoch gesund. Der Ackerbau liefert die gewöhnlichen Produkte, im Osten auch Weizen. Bedeutender ist die Rinder- und Schafzucht sowie die Fischerei. Von Mineralien und Erden werden Bausteine, Schiefer, Kalk und Mergel gewonnen. Von Wert sind auch die Torflager. Die Grafschaft schickt zwei Abgeordnete in das Parlament. – Die Hauptstadt W., an der Mündung des Vartry, Station der Eisenbahn Dublin-W.-Wexford, mit 13273 E., hat Seebäder, einen kleinen Hafen; Alebrauerei und Ausfuhr von Erzen. Bedeutender ist Arklow (s. d.).

Wickram, Jörg, Dichter, gründete 1549 in seiner Vaterstadt Colmar im Elsaß eine Meistersingerschule und wurde Herbst 1554 Stadtschreiber in Burgheim im Breisgau. Sein Geburts- und Todesjahr sind unbekannt. W. begann mit Fastnachtsaufzügen in der Art Gengenbachs («Das Narrengießen», 1537; «Der treue Eckart», 1538). Seine sehr breiten, übermäßig detailreichen Dramen («Der verlorene Sohn», 1540; «Tobias», 1550; «Knabenspiegel», 1554) atmen denselben gut bürgerlichen, aber beschränkt philiströsen Sinn, der sich nur für Ehe und Rinderzucht interessiert, wie die Erzählungen «Der jungen Knaben Spiegel» (1551), «Von guten und bösen Nachbarn» (1556); Liebesverhältnisse bei Standesunterschied schildert «Gabriotto und Reinhard» (1551) und der «Goldfaden» (1557; erneuert durch Clem. Brentano 1809). Durch diese viel gelesenen Bücher ward W. der Vater des deutschen Prosaromans. Auch seine Schwanksammlung, das «Rollwagenbüchlein» (1555; hg. von H. Kurz, Lpz. 1865; von Pannier in Reclams «Universalbibliothek»), fand viele Nachahmer. W. bearbeitete unter anderm Albrechts von Halberstadt mittelhochdeutsche Übersetzung von Ovids Metamorphosen (1515). – Vgl. Scherer, Die Anfänge des deutschen Prosaromans und Jörg W. von Colmar (Straßb. 1877); E. Schmidt im «Archiv für Litteraturgeschichte», Jahrg. 8, S. 317.

Wickrath, Flecken im Kreis Grevenbroich des preuß. Reg.-Bez. Düsseldorf, an der Niers und der Linie M.-Gladbach-Aachen der Preuß. Staatsbahnen, hat (1895) 5508 E., darunter etwa 2400 Katholiken und 230 Israeliten, Post, Telegraph, kath. Kirche, königl. Landgestüt; Färberei, Baumwollspinnereien und Fabrikation von Kleidern, Kravatten, Sauerkraut, Leder-, Leinen- und Baumwollwaren.

Wiclif, John, der bedeutendste Vorläufer der Reformation. Wie die genaue Schreibart seines Namens (Wycliffe, Wiclef, Wyclif u. s. w.; doch ist W. die wahrscheinlichste), so ist auch Ort und Jahr seiner Geburt unsicher; gewöhnlich nimmt man das Dorf Wiclif in der Grafschaft York und das Jahr 1324 an. W. studierte in Oxford Theologie, wurde Vorstand vom Balliol-College, erhielt 1361 die Pfarrei Fillingham in der Grafschaft Lincoln, 1368 diejenige von Ludgershall in der Grafschaft Buckingham und 1374 die zu Lutterworth in Leicester, ohne jedoch sein Verhältnis zur Universität Oxford zu lösen, wo er als Doktor der Theologie Vorlesungen hielt. 1366 verteidigte er das Verfahren König Eduards Ⅲ., der dem Papste den Lehnstribut verweigerte, 1369 die Besteuerung der Kirchengüter durch die Krone und 1374 wurde er mit einer königl. Gesandtschaft nach Brügge geschickt, um mit dem päpstl. Nuntius über die Beschränkung der «Provisionen» zu verhandeln; auch gegen die Verderbnis des Klerus und namentlich gegen das Treiben der Bettelmönche richtete er seine scharfe Opposition. Deshalb wurde W. zur Verantwortung vor eine geistliche Kommission geladen, aber das Verhör im Febr. 1377 in der Paulskirche in London endete mit einem lauten Skandal zwischen dem Herzog von Lancaster, W.s Gönner, und dem Bischof von London. Auch ein zweites, infolge des Eingreifens des Papstes abgehaltenes Verhör (1378) blieb ohne Erfolg. Nun aber verlegte W. seine Thätigkeit immer mehr auf das rein kirchliche Gebiet und trat immer kühner und entschiedener als Reformator auf. Er bestritt die päpstl. Oberherrschaft, den Cölibat, die Transsubstantiation, die priesterliche Schlüsselgewalt und die Notwendigkeit der Ohrenbeichte, kurz, er forderte die Wiederherstellung der reinen christl. Lehre auf Grund der Heiligen Schrift und die Bildung einer von Rom unabhängigen, demokratisch aufgebauten Nationalkirche. Diese Forderungen gingen indessen seinen bisherigen Beschützern unter dem hohen Adel und selbst der Universität Oxford zu weit; auch gelang es, dem jungen König Richard Ⅱ. den Verdacht einzuflößen, als sei W. mitschuldig an dem Bauernaufstande Wat Tylers (s. d.). 1382 verdammte eine kirchliche Notabelnversammlung in London (das durch ein Erdbeben gestörte sog. Erdbebenkonzil) W.s Lehren. W. selber wurde von Oxford auf seine Pfarre Lutterworth verwiesen, wo er nun seine engl. Bibelübersetzung vollendete. Einer Aufforderung Papst Urbans Ⅵ. zur Verantwortung nach Rom leistete er keine Folge. W. starb 31. Dez. 1384. Das Konstanzer Konzil erklärte ihn 4. Mai 1415 für einen Ketzer, verdammte 45 Artikel W.s und befahl seine Gebeine zu verbrennen, was 1428 geschah.

Nach W.s Tode wuchs die Zahl seiner Anhänger, doch gelang es dem Klerus mit Hilfe des weltlichen Arms, die Wiclifiten, die man als Lollharden (s. d.) brandmarkte, allmählich mit Feuer und Schwert auszurotten. Nur in einigen Familien erhielt sich seine Lehre bis zur Zeit der Reformation; dagegen fand sie in Deutschland und in Böhmen neue Anhänger, wo namentlich Huß (s. d.) vollständig unter W.s Einfluß stand. Die zahlreichen Schriften W.s befinden sich meist noch ungedruckt zu Oxford, Cambridge oder im Britischen Museum. 1882 hat sich in England eine Wiclifgesellschaft gebildet, um seine lat. Werke herauszugeben. Bis 1895 sind 15 Einzelschriften erschienen. Früher waren bereits der «Trialogus» (Lond. 1869) und «De officio pastorali» (Lpz. 1863, beide von Lechler) und «W.s lat. Streitschriften» von Buddensieg (ebd. 1883) erschienen. Eine Auswahl seiner engl. Schriften veranstaltete Arnold u. d. T. «Select English works of W.» (3 Bde., Lond. 1869‒71), und die übrigen noch ungedruckten engl. Werke gab Matthew (ebd. 1880) heraus. Ein Verzeichnis sämtlicher Schriften W.s findet sich bei Shirley, Catalogue of the original works of W. (Lond. 1865). Von der Bibelübersetzung , die W. nach dem Texte der Vulgata 1383 vollendete und die hernach von Purvey revidiert wurde, gab zuerst Crowley 1550 den Prolog heraus, sodann Lewis (Lond. 1731), Baber (ebd. 1810) und Bagster (ebd. 1841) das Neue Testament in der revidierten Form und endlich Wilson (ebd. 1848) dasselbe in der ursprünglichen Gestalt. Die vollständige Bibelübersetzung W.s, je in zwei Kolumnen die ursprüngliche und revidierte Gestalt neben- ^[folgende Seite]