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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Wien (Industrie. Handel. Bank-, Versicherungs- und Verkehrswesen)

Industrie und Gewerbe. Die Gewerbthätigkeit der Stadt W. ist sehr bedeutend. Hervorzuheben sind folgende Industriezweige: Fabrikation von Maschinen und Lokomotiven, Waggons, Fahrrädern, Werkzeugen, mathem., Physik., optischen und chirurg. Instrumenten, Klavieren, Blasinstrumenten, Eisenkonstruktionen für Hochbauten, feuerfesten Kassen (10 Fabriken), eisernen Möbeln, emaillierten Kochgeschirren (bedeutende Ausfuhr nach dem Orient), Lampen, Bronze- und Zinnwaren, besonders Kunstgegenstände aus Bronze, Chinasilberwaren (1893: 394 Betriebe, 2398 Arbeiter), Juwelierarbeiten, Gold- und Silberwaren (749, 3171) und Terracottawaren, Mühlenbauanstalten, Ziegeleien, die chem. Industrie, besonders die Erzeugung von Parfümerien, Soda, Farben, Lacken und Firnissen, Brauereien (9 Brauereien mit einer Produktion [1894/95] von 1514781 hl, ohne die Anton Drehersche Brauerei in Klein-Schwechat mit 681740 hl), die Erzeugung von Seidenwaren, besonders Modestoffen (82 Betriebe, 1041 Arbeiter), Bändern (32, 776), Shawls, Wollwaren, Möbelstoffen und Teppichen, Baumwollstoffen, Posamentierwaren (307, 2569), türk. Kappen, Betten und Wäsche, Schirmen, Kleidern (bedeutende Ausfuhr nach dem Orient, 6172 Betriebe, 24991 Arbeiter), Kunstblumen (1499 Arbeiter), Leder (165 Fabriken, 1922 Arbeiter), Schuhwaren (4547,17641), Handschuhen, Täschner-, Riemer- und Lederwaren mit bedeutender Ausfuhr, Hüten, Putzwaren, Papier, Möbeln, Perlmutter- und Drechslerwaren, Tapeziererarbeiten (718 Unternehmer mit 1396 Arbeitern), Baugewerbe (2685, 43210), Buch- und Kunsthandel (Firmen: Braumüller, Gerold, Hartleben, Hölder, Hölzel, Tempsky, s. diese Artikel), Photographie und Kunstgießerei. (S. auch Niederösterreich.)

Handel. W. ist durch seine günstige Lage am Ausgange der Alpen und an der Donau der natürliche Vereinigungspunkt der großen Handelsstraßen nach dem Süden und dem Osten und hat als Hauptstapelplatz für den großartigen Getreide- und Viehhandel eine hervorragende Bedeutung.

Die Getreideeinfuhr nach W. auf den Schiffen der Donau-Dampfschiffahrtsgesellschaft umfaßte:

Jahre Tonnen Jahre Tonnen

1870 72609 1890 266881

1875 80740 1893 192576

1876* 157747 1894 148798

1885 294012 1895 184165

* Eröffnung des städtischen Lagerhauses.

Der Getreideverkehr im Lagerhaus der Stadt betrug 1895: 171180 t Ein- und 174313 t Auslagerung, der höchste Lagerstand 42470, der niedrigste 20440, die Tagesbewegung im Mittel 1464, im Oktober an einem Tage 2192 t. In allen Lagerhäusern betrug der durchschnittliche Lagerstand 60000, der höchste 100000 t Getreide. Sehr bedeutend ist auch der Weinhandel. Zum Konsum wurden eingeführt 1895:521724 hl Wein in Fässern, 5707 hl in Flaschen, 40841 hl Weinmost, 6505 hl Obstmost, 2691 t Weintrauben und 1158115 hl Bier. Außerdem wurden in W. erzeugt und verbraucht 1333349 hl Bier. Von großer Bedeutung ist der Viehhandel, dem der Centralviehmarkt (s. S. 707b) dient. Außer dem Vieh wurden 6,5 Mill. kg Rindfleisch, 3,9 frisches Kalbfleisch, 2,26 Mill. kg eingesalzenes Fleisch, 450738 kg Salami und Zungen, 1300700 Gänse, Kapaunen und Truthühner, 3580937 Hühner und Tauben, 425102 Stück Wild und 1799000 kg Fische eingeführt. Der Verbrauch an Kohle betrug 1,46 Mill. t. Die Einfuhr von Brennholz betrug 114700 t, von Bau-, Werk- und Nutzholz 148900 t.

Bank und Versicherungswesen. W. ist Sitz einer Geld- und Effektenbörse, der Hauptbörse der Monarchie und einer der bedeutendsten europ. Börsen; ferner einer Börse für landwirtschaftliche Produkte, besonders durch die alljährliche Veranstaltung eines internationalen Saatenmarktes von großer Bedeutung. 1895 bestanden 18 Banken mit einem Aktienkapital von 270,1 und einem Pfandbriefumlauf von 386,38 Mill. Fl.; das durchschnittliche Erträgnis betrug 8,51 Proz., ohne die Österreichisch-Ungarische Bank 9,09 Proz. Die hervorragendste Stelle nimmt die Österreichisch-Ungarische Bank (s. d.) ein; dann folgen die Österreichische Credit-Anstalt (s. d.), Österreichische Boden-Credit-Anstalt (s. d.), die Österreichische Länderbank (s. d.), der Wiener Bankverein (1869 gegründet, 25 Mill. Fl. Aktienkapital, 1895: 8 Proz. Dividende), die Anglo-Österreichische Bank (1863 gegründet, 18 Mill. Fl. Aktienkapital, 7½ Proz. Dividende), die Unionbank (1870 gegründet, 12 Mill.Fl. Aktienkapital, 8½ Proz. Dividende).

Ferner bestehen 66 Spar- und Vorschußvereine mit beschränkter Haftung (25181 Mitglieder mit 30,27 Mill. Fl. Krediten) und 12 Vorschußvereine mit unbeschränkter Haftung (1583 Mitglieder mit 3,38 Mill. Fl. Krediten), 19 Konsumvereine (46772 Mitglieder, 1,40 Mill. Fl. Aktiven), 55 sonstige Wirtschaftsgenossenschaften (2228 Mitglieder, 3,29 Mill. Fl. Aktiven), 6 Sparkassen, darunter die Erste Österreichische Sparkasse, die größte Sparkasse der Monarchie (1819 gegründet, 198,74 Mill. Fl. Einlagen), die Neue Wiener Sparkasse und vier Wiener Gemeinde-Sparkassen mit zusammen 474331 Einlegern und 241,06 Mill. Fl. Einlagekapital. Lebens- und Rentenversicherung betreiben 21 Gesellschaften, Versicherung gegen körperliche Unfälle 4, gegen Feuer 13, Transportschäden 15, Hagel 1, Spiegelglasversicherung 1, Rückversicherung 6.

Verkehrswesen. Schiffsverkehr. Auf der Donau wurden von der Donau-Dampfschiffahrtsgesellschaft 1895 befördert: thalwärts 108052, bergwärts 106740 Passagiere. Angekommen sind thalwärts 69248, bergwärts 20800 Passagiere.

Der Frachtenverkehr betrug 1895 in Tonnen:

Richtung Kaufmannsgüter Getreide Zusammen

Ausfuhr

Thalwärts 133118 222 133340

Bergwärts 6720 11196 17916

Zusammen 139838 11418 151257

Einfuhr

Thalwärts 17100 459 17559

Bergwärts 88379 188706 277086

Zusammen 105479 189165 294645

Durchfuhr

Thalwärts 56067 69 56137

Bergwärts 56303 104659 160963

Zusammen 112370 104728 217100

Die Süddeutsche Donau-Dampfschiffahrtsgesellschaft beförderte thalwärts 7407, bergwärts 43990 t. Die Raaber Dampfschiffahrt-Aktiengesellschaft brachte 1895: 42087 t Getreide nach W. An Ruderschiffen kamen an: 248 Schleppschiffe, 1818 Plätten,