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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Wilgefortis; Wilhelm; Wilhelm Ⅰ.

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Wilgefortis - Wilhelm Ⅰ. (Deutscher Kaiser und König von Preußen)

aber bei seiner Rückkehr nach England wieder vertrieben und floh nach Sussex, wo er ebenfalls eifrig die Mission betrieb. Erst 686 konnte er sein Amt wieder antreten, mußte aber 692 wiederum in die Verbannung, rechtfertigte sich nochmals in Rom und wurde endlich 705 zum drittenmal in sein Bistum York eingesetzt, wo er 709 starb. – Vgl. Obser, W. der Ältere, Bischof von York (Karlsr. 1884).

Wilgefortis, heilige, s. Kümmernis.

Wilhelm von Holland, Deutscher König (1247‒56), geb. 1227, folgte 1234 seinem Vater, dem Grafen Florenz Ⅳ., in der Grafschaft Holland. Nach dem Ableben des Gegenkönigs Heinrich Raspe wurde er von den rhein. Fürsten unter Leitung des päpstl. Legaten zu dessen Nachfolger 3. Okt. 1247 gewählt und nachdem er die Krönungsstadt Aachen nach langer Belagerung eingenommen hatte, daselbst 1. Nov. 1248 gekrönt. Da indes die Mehrzahl der Stände sich zu Friedrich Ⅱ. hielt, so mußte W., ohne etwas gegen diesen ausrichten zu können, wieder nach Holland zurückkehren. Erst nachdem Friedrich Ⅱ. 1250 gestorben und Konrad Ⅳ. genötigt war, 1251 über die Alpen zu ziehen, um seine ital. Erblande zu retten, gewann W. durch seine Gnadenbezeigungen und Belehnungen in Deutschland einigen Anhang. 1252 vermählte er sich mit Elisabeth, der Tochter Ottos von Braunschweig, und gewann nun auch in Norddeutschland Anerkennung. Als Konrad Ⅳ. 1254 in Italien starb, erkannten fast alle deutschen Fürsten und der Rheinische Städtebund W. als König an. Er fiel aber schon 28. Jan. 1256 im Kampfe gegen die Friesen. – Vgl. Meermann Freiherr von Dalem, Geschichte des Grafen W. von Holland, röm. Königs (aus dem Holländischen, 2 Bde., Lpz. 1787‒88); A. Ulrich, Geschichte des röm. Königs W. von Holland (Hannov. 1882); Hintze, Das Königtum W.s von Holland (Lpz. 1385); Th. Hasse, König W. von Holland (Tl. 1, Straßb. 1885); Döhmann, König W. von Holland (Lpz. 1887).

Wilhelm Ⅰ., Friedrich W. Ludwig, Deutscher Kaiser und König von Preußen (1861‒88), der zweite Sohn des Königs Friedrich Wilhelm Ⅲ. und der Königin Luise, wurde 22. März 1797 in Berlin geboren, lebte mit den Eltern und Geschwistern nach der Schlacht bei Jena drei Jahre lang in Königsberg und Memel und erhielt 1. Jan. 1807 das Offizierspatent. An Delbrück und dem Hauptmann von Reiche hatte er treffliche Lehrer und Erzieher und zeigte schon in früher Jugend praktischen Verstand, große Ordnungsliebe und einen ernsten, gesetzten Charakter. Am 30. Okt. 1813 zum Kapitän ernannt, begleitete er seinen Vater in den Feldzug von 1814 nach Frankreich, erwarb sich bei Bar-sur-Aube 27. Febr. das Eiserne Kreuz und den russ. St. Georgsorden und nahm teil an dem Einzug in Paris und an der Reise der Monarchen nach England. Nach seiner Konfirmation (8. Juni 1815) rückte er als Major mit einem Bataillon des 1. Garderegiments zum zweiten franz. Feldzug aus, doch war der Krieg im wesentlichen schon beendigt. Mit Eifer und Pflichttreue widmete er sich von da an dem Militärwesen und wurde nach und nach zu den höchsten militär. Würden befördert; 1825 wurde er Generallieutenant und Commandeur des Gardekorps. Eine Herzensneigung, die er damals für die Prinzessin Elise Radziwill faßte, mußte er unterdrücken, da jene nach den Hausgesetzen nicht ebenbürtig war. Am 11. Juni 1829 vermählte er sich mit der Prinzessin Augusta von Sachsen-Weimar (geb. 30. Sept. 1811). Seiner Ehe entsprossen: Prinz Friedrich Wilhelm (der nachmalige Kaiser Friedrich) und Prinzessin Luise (seit 1856 Gemahlin des Großherzogs Friedrich [s. d.] von Baden).

Nach dem Tode seines Vaters, 7. Juni 1840, erhielt W. bei der kinderlosen Ehe seines Bruders, des Königs Friedrich Wilhelm Ⅳ., als präsumtiver Thronfolger den Titel «Prinz von Preußen» und wurde zum Statthalter von Pommern und zum General der Infanterie ernannt. An den Verhandlungen im Staatsrat, welche der Einberufung des Vereinigten Landtags von 1847 vorhergingen, sowie an diesem selbst nahm er einflußreichen Anteil. Als erstes Mitglied des Staatsministeriums unterzeichnete er das Verfassungspatent vom 18. März 1848 und verlangte angesichts des Berliner Aufstandes, daß zuerst der Aufruhr mit Waffengewalt niedergeschlagen, dann aber mit dem konstitutionellen System Ernst gemacht werden solle. Da er als Reaktionär und Absolutist galt und die seinem Leben Gefahr drohende Abneigung der Menge gegen ihn offenkundig war, hielten es der König und die Minister für geraten, daß er auf einige Zeit ins Ausland gehe. W. verließ 19. März Berlin, begab sich nach London, verfolgte dort mit Aufmerksamkeit die Entwicklung der Frankfurter Verfassungsfragen und kam bald «zur vollkommenen Klarheit über seine und des Königtums Stellung». Im Juni kehrte er nach Berlin zurück, erklärte 8. Juni 1848 in der preuß. Nationalversammlung, in die er als Abgeordneter gewählt war, daß er sich treu und gewissenhaft auf den Boden der konstitutionellen Monarchie stelle, nahm aber an den weitern Verhandlungen keinen Anteil. Am 9. Juni 1849 zum Oberbefehlshaber der Operationsarmee in Baden und in der Pfalz ernannt, bewältigte er, nachdem er 12. Juni bei Niederingelheim dem Attentat des Freischärlers Adam Schneider glücklich entgangen war, in wenigen Wochen den Aufstand in der Pfalz und in Baden. Am 15. Sept. 1849 zum Militärgouverneur von Rheinland und Westfalen ernannt, nahm er seinen regelmäßigen Wohnsitz in Koblenz. 1854 folgte seine Ernennung zum Generaloberst der Infanterie und zum Gouverneur der Bundesfestung Mainz. Auch wurde er Großmeister sämtlicher preuß. Freimaurerlogen. Als der kurhess. Konflikt im Nov. 1850 zur Mobilmachung eines Teils der preuß. Armee führte, wurde W. zum Oberbefehlshaber ernannt. Die Hinneigung Preußens zu Rußland während des Krimkrieges und die Entlassung des antirussisch gesinnten Kriegsministers von Bonin 1854 führten auch zu einer zeitweisen polit. Entfremdung W.s mit seinem regierenden Bruder. In der öffentlichen Meinung schlug jetzt die frühere Abneigung so vollständig ins Gegenteil um, daß alle liberalen und national gesinnten Männer mit freudiger Hoffnung erfüllt wurden, als ihm während der schweren Krankheit des Königs 23. Okt. 1857 die Stellvertretung und 7. Okt. 1858 die Regentschaft übertragen wurde.

Die beim Ausbruch des ital. Krieges 1859 und infolge der Bestrebung Preußens, eine Reform der Bundesverfassung herbeizuführen, zwischen Preußen einerseits und Österreich und den Mittel- und Kleinstaaten andererseits entstandenen Reibungen befestigten W.s Plan für die Reorganisation der Armee. Aber das Abgeordnetenhaus bewilligte die für die Durchführung dieses Planes nötigen Aus- ^[folgende Seite]