Schnellsuche:

Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Wille; Willebriefe; Willebroeck; Willegis; Willehad; Willehalm; Willem; Willemer; Willemīt; Willems

748

Wille (Joh. Georg) - Willems

als der Grundlage für alles, was wir W. nennen. So hat Wundt in der Apperzeption (s. d.) als innerer Thätigkeit das einfache, ursprüngliche Wollen gefunden. Ganz verschieden von diesem Bestreben, einen qualitativ einfachen Vorgang durch die psychol. Analyse als W. anzusehen, ist der in die Geisteswissenschaften übergegangene gewöhnliche Sprachgebrauch, wonach man unter W. einen komplizierten Seelenzustand bezeichnet, zu dem ein Lust- oder Unlustgefühl als Motiv und eine oder mehrere Vorstellungen als Zwecke gehören. Eine von der gewöhnlichen Auffassung abweichende allgemeinere Bedeutung erhält der Begriff des W. in der Philosophie Schopenhauers (s. d.). – Vgl. Sigwart, Der Begriff des Wollens und sein Verhältnis zum Begriff der Ursache (in den «Kleinen Schriften», Bd. 2, Freib. i. Br. 1881; 2. Ausg. 1889); Külpe, Die Lehre vom W. in der neuern Psychologie (in den «Philosophischen Studien», Bd. 5, Lpz. 1889); Ribot, Der W. (nach der 8. Aufl. übersetzt von Pabst, Berl. 1893).

Wille, Joh. Georg, Kupferstecher, geb. 5. Nov. 1715 auf der Obermühle unweit Königsberg bei Gießen, lernte erst als Müller, dann als Büchsenmacher, hierauf als Schuhmacher. Endlich wurde er in Straßburg mit Georg F. Schmidt bekannt, mit dem er 1736 nach Paris ging, wo sich beide der Kupferstechkunst widmeten, und wo W. bis zu seinem Tode (7. April 1808) sich aufhielt. Namentlich war es der berühmte Bildnismaler Rigaud, der W. aufmunterte, größere Blätter zu stechen, und ihm Arbeiten verschaffte, die ihn bald in Ruf brachten. Er hatte sich ein bedeutendes Vermögen erworben, verlor aber alles während der Revolution. Zu seinen Meisterstücken gehören die Stiche der Porträte Masses, des Marquis de Marigny und des Grafen Florentin nach Tocqué. Auch histor. Bilder und vorzüglich die Genrebilder von holländ. Malern, z. B. Terburg, Dou, Mieris, Netscher, Ostade, Metsu sowie Dietrich gab W. auf ausgezeichnete Weise wieder. Bei seinen Stichen legte er das Hauptgewicht auf saubere Stichelführung, so daß seine Blätter zuweilen den Charakter übertriebener Glätte tragen. Seine Blätter sind in schönen Abdrücken selten und Abdrücke vor der Schrift zum Teil von größter Seltenheit. Sein Sohn, der Maler Peter Alexander W., geb. 1746, gest. 1815, war General bei der Pariser Nationalgarde. – Vgl. Le Blanc, Le graveur en taille-douce (Abteil. 1, Lpz. 1847); Duplessis, Mémoires et journal de W. (2 Bde., Par. 1857).

Willebriefe, im 13. Jahrh. aufkommende Zustimmungsurkunden der Fürsten zu den Verfügungen des Königs auf dem Gebiet der Reichsverwaltung. Unter König Rudolf gewann der Brauch feste Form, aber so, daß die W. fortan nur von den Kurfürsten gegeben wurden. Die Entwicklung der W. ist eins der Momente, auf denen die bevorzugte Stellung der Kurfürsten beruht, die sich damals entwickelte. – Vgl. Ficker, Fürstliche W. und Mitbesiegelungen (in den «Mitteilungen des Instituts für österr. Geschichtschreibung», Ⅲ).

Willebroeck (spr. -bruk), Gemeinde in der belg. Provinz Antwerpen, Station der Bahnlinien Boom-Brüssel und Mecheln-Terneuzen, hat 8164 E.; Papierfabrikation, Brennerei und Eisenindustrie.

Willegis, Erzbischof von Mainz, s. Willigis.

Willehad, Heiliger, geb. um 730 in Northumberland, predigte den Friesen und Sachsen das Evangelium und wurde 780 von Karl d. Gr. zur Christianisierung der Sachsen berufen. 787 zum Bischof geweiht, nahm W. seinen Sitz in Bremen, wo er die Domkirche baute und 8. Nov. 789 starb. Hauptquelle für W.s Leben ist die «Vita Willehadi, episcopi Bremensis» (Köln 1642). – Vgl. Wulf, W., Apostel der Sachsen und Friesen (Bresl. 1889).

Willehalm, s. Wolfram von Eschenbach.

Willem, flandr. Dichter, s. Tiersage.

Willemer, Marianne von, von Goethe gefeiert unter dem Namen Suleika in seinem «Westöstl. Diwan», in welchem auch einige Lieder im «Buch Suleika» von ihr selbst herrühren. Sie wurde 20. Nov. 1784 als die Tochter des Instrumentenmachers Matthias Jung in Linz an der Donau geboren, verlor den Vater sehr frühzeitig, trat seit 1798 als Mitglied der Ballettgesellschaft Traub zu Frankfurt a. M. auf und wurde dort bald danach von dem Bankier Geheimrat Johann Jakob von W., welcher Vorstand des Theaters war und auch als Verfasser der 1806 von Johann Philipp Palm (s. d.) versandten Flugschrift «Deutschland in seiner tiefen Erniedrigung» genannt wird, als Pflegetochter in sein Haus aufgenommen. Goethe lernte sie im Aug. 1814 auf dem Besitztum W.s, der nahe gelegenen Gerbermühle bei Offenbach, kennen. Am 27. Sept. 1814 vermählte sie sich mit W., der bereits 1796 zum zweitenmal Witwer geworden war. Sie starb 6. Dez. 1860. – Vgl. Briefwechsel zwischen Goethe und Marianne von W. (hg. von Creizenach, 2. vermehrte Aufl., Stuttg. 1878); K. J. Schröer, Goethe und Marianne von W. (Heilbr. 1884).

Willemīt, ein sehr kleine rhomboedrische Kryställchen bildendes seltenes Mineral, chemisch neutrales Zinksilikat, Zn₂SiO₄. W. erscheint meist derb in klein- und feinkörnigen Aggregaten von schwachem Fettglanz, blaßgelblicher oder bräunlicher Farbe, auch in Pseudomorphosen nach Kieselzink, dem es nahe verwandt ist; die Härte ist 5,5, das spec. Gewicht 3,9 bis 4,2.

Willems, Jan Frans, vläm. Philolog, Geschichtsforscher und Dichter, geb. 11. März 1793 zu Boechout unweit Antwerpen, kam 1809 zu einem Notar in Antwerpen in die Lehre und gewann bereits 1812 mit einem Gedicht zur Verherrlichung der Schlacht bei Friedland und des Tilsiter Friedens den ausgeschriebenen Preis. Mit seinem patriotischen Gedicht «An die Belgier» (1818) begrüßte er das Wiedererwachen einer belg. Nationalität unter dem Schutz des holländ. Scepters. Infolge seiner «Dissertation sur la langue flamande» (1819‒24) wurde er zum Mitglied des königl. Instituts zu Amsterdam ernannt. Nach der belg. Revolution von 1830 fiel er in Ungnade und wurde, nur mit einem bescheidenen Finanzposten bedacht, nach Eecloo verbannt. Hier übersetzte er den «Reinecke Vos» in neuere Sprache, den er auch im Urtext (Gent 1836; 2. Aufl. 1850) veröffentlichte. 1834 wurde W. Mitglied der belg. Geschichtskommission, 1835 Mitglied der belg. Akademie und wieder in ein höheres Amt nach Gent berufen. Er starb 24. Juni 1846. Für die Geschichtskommission veröffentlichte er die Chroniken von van Heelu und de Klerks «Gesten der Hertogen van Brabant». Insbesondere legte er in seiner Vierteljahrsschrift «Belgisch Museum voor de Nederlandsche tael- en letterkunde» (10 Bde., 1837‒46) eine Reihe national-histor. und linguistischer Forschungen nieder. Aus seinem Nachlaß erschien die Sammlung «Oude vlaemsche liederen» (Gent 1848). Sein Leben beschrieben Snellaert (Gent 1847) und Bouchery (Antw. 1876).