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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Brotterode - Brot und Brotbäckerei

Vergiftungen boten im allgemeinen das Bild eines schweren Magendarmkatarrhs mit Durchfall, Erbrechen, heftigem Leib- und Kopfschmerz, Angstgefühl, Gliederschmerzen u. s. w., endeten übrigens sämtlich nach 24-48 Stunden mit Genesung. Nachdem durch Backversuche erwiesen worden ist, daß das B. im Backofen nicht etwa verbrennt oder sich verflüchtigt, sondern mehrere Millimeter tief in das Brot eindringt und zum Genuß gelangt, ist gegen die Verwendung desselben Einspruch zu erheben; vorkommende Fälle können auf Grund des Nahrungsmittelgesetzes gerichtlich verfolgt werden.

*Brotterode hat (1895) 2358 evang. E. Der Ort brannte 10. Juli 1895 bis auf die Schule und ein abseits liegendes Fabrikgebäude nieder, wobei 5 Personen verbrannten. Außer Lebensmitteln und Kleidern u. s. w. in großer Menge gingen bis Sept. 1896 Geldspenden in Hohe von über 300000 M. ein, wozu noch 60000 M. von Kaiser Wilhelm kommen. Der Ort hat breite und gerade Straßen und schöne Häuser erhalten. Zur Herbeischaffung von Baumaterial wurde im Frühjahr 1896 von preuß. Eisenbahntruppen eine Feldbahn (Trusenthalbahn) nach Wernshausen angelegt, die jedoch wieder abgebrochen wird. Die Erbauung einer normalspurigen Kleinbahn Kleinschmalkalden-Auwallenburg-B. (8,5 km) ist vom Kreistag genehmigt; sie soll 700000 M. kosten.

*Brot und Brotbäckerei. Von neuern Bemühungen, den hohen Nährwert des im Korn enthaltenen Klebers dem Brote zu erhalten, sind die von Steinmetz in Leipzig und Gelinck in Riga zu nennen.

Steinmetz wendet eine nasse Getreidereinigung und eine gleichzeitig damit verbundene Enthülsung des Getreides an. In der hierzu dienenden Wasch- und Enthülsungsmaschine ist die Bewegung des Wassers so gestaltet, daß das vollgewichtige Getreide schwimmend gewaschen und durch Vorwärtsbewegung eines Schneckenganges aus dem Wasser gehoben wird, während alle Verunreinigungen und ungehörigen Beimischungen wie auch die kranken Körner abgeschieden werden. In der Enthülsungsmaschine werden sodann lediglich durch die gegenseitige Reibung ohne Bruch und jegliche Verminderung der Nährstoffe der Körner deren Hüllen abgedrückt und durch ständige Durchlüftung entfernt, wobei das enthülste Getreide wieder trocknet.

Durch das patentierte Gelincksche Backverfahren (Patentinhaber C. A. Propfe & Co. in Hamburg) wird das Brot unmittelbar aus Getreide hergestellt, ohne daß dieses durch ein Mahlverfahren vorher zerkleinert wird. Nachdem das Getreide durch eine trockne Reinigung bereits von vielen fremden Bestandteilen befreit ist, wird es auch noch in fließendem Wasser so lange einem Waschverfahren unterworfen, bis das Wasser klar abfließt. Durch Einschaltung einer Enthülsungsmaschine können sodann je nach Belieben die Cellulosehülsen abgesondert werden. Danach wird das Getreide mit heißem Wasser von etwa 50° C. gebrüht, bis das Korn mit Leichtigkeit zwischen den Fingern zu Brei verrieben werden kann; das gesunde Korn sinkt beim Brühen zu Boden, während die auf der Wasseroberfläche schwimmenden Unreinigkeiten abgeschöpft werden. Nach dieser Vorbereitung kommt das Getreide sofort in die Teigmühle, in welcher es in fertigen Teig verwandelt wird, ohne wieder mit Menschenhänden in Berührung zu kommen. Giebt man beim Durchgehen des Getreides durch die Teigmühle gleich das für eine bestimmte Menge Korn erforderliche Quantum Sauerteig und Salz zu, so ist der Teig beim Verlassen des Cylinders sofort zum Formen der Brote fertig, andernfalls muß der Teig noch durch die Knetmaschine gehen, wenn große Teigmassen verarbeitet werden sollen. Das fertige Brot (Gelincksches Kornbrot) hat eine glänzend braune Kruste und schmeckt auffallend kräftig nach frischem Getreide. Das Gefüge ist locker, die Krume grau, doch läßt sich durch Zusatz von Weizen zum Roggen auch helleres Roggenbrot herstellen. Das Brot ist sehr haltbar und kann bis zu zwei Wochen angeschnitten sein, ohne zu schimmeln oder sein Aroma zu verlieren. Da das Mahlverfahren sowie der Transport zu wie von der Mühle erübrigt wird, kann das Brot wesentlich billiger sein.

Es hat sich jedoch gezeigt, daß der hohe Nährgehalt dieser Brotsorten von den Verdauungsorganen nicht in dem Maße ausgenutzt wird, daß ein Vorteil gegenüber den gewöhnlichen kleberarmen, aber leichtverdaulichen Brotsorten zu konstatieren wäre. Daher muß vorläufig anerkannt werden, daß die heutige Müllerei das Richtige trifft, wenn sie den schwerverdaulichen Kleber aus dem Mehle ausscheidet und der Viehfütterung überläßt, so daß uns sein Nährgehalt in Form von Milch und Fleisch zugeführt wird. - Ein kleberhaltiges Brot für mediz. Zwecke ist das Aleuronatbrot (s. Aleuronat). Das Verhalten von frischem und altbackenem Brot gegenüber dem Magensaft ist das gleiche; wenn trotzdem das frische Brot schwerer verdaulich erscheint, so hat dies seinen Grund darin, daß es nicht klar gekaut wird, da es sich leichter schluckt.

Bei den stetig sinkenden Roggen- und Weizenpreisen verlieren alle andern Brotarten (Haferbrot) und auch die Brote mit Zusätzen von Gerste, Hülsenfrüchten, Kartoffeln, Mais u. s. w. immer mehr an Verbreitung, zumal sie auch bei den modernen Verkehrsverhältnissen kaum noch in Fällen von Hungersnot und Teuerung einige Bedeutung erlangen können. - An Bedeutung als Brot- und Mehlfrucht aber gewinnt in neuerer Zeit immer mehr der Mais, von dem nächst dem Reis die meisten Menschen leben. Zwar ist das Maismehl, ausschließlich angewandt, zur Brotbereitung nicht geeignet, wohl aber zu allerlei Backwerk, und in den meisten Gegenden Nordamerikas kommen frisch gebackene Maiskuchen täglich dreimal auf den Tisch. Als Maizena und Mondamin ist endlich das Maismehl zur Bereitung von Pudding u. dgl. auch bei uns längst eingebürgert. Als Zusatz zu Weizen- und Roggenmehl ist das Maismehl aber sehr wohl zur Brotbereitung geeignet; das in Kroatien landesübliche Kukuruzbrot ist z. B. aus Roggen- und Maismehl hergestellt. Vor einigen Jahren wurden auch bei uns angestrengte Versuche gemacht, den Mais als Brotfrucht einzubürgern; es geschah das namentlich durch den Amerikaner Murphy, der im Auftrage seiner Regierung den deutschen Markt für die nordamerik. Maiseinfuhr vorzubereiten und zu gewinnen suchte. Das seiner Zeit vielbesprochene Murphybrot, auch Caprivibrot genannt, bestand aus 55 Proz. Weizen-, 35 Proz. Roggen- und 10 Proz. Maismehl und wurde seiner Schmackhaftigkeit wegen gerühmt; doch hat es weitere Verbreitung in Deutschland nicht gefunden. Der Mais steht hinsichtlich seines Nährstoffgehaltes erheblich gegen Roggen und Weizen zurück, und ein Zusatz von Maismehl macht das Brot sehr trocken.