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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Diphtheritis
aufgenommen war, daß sie einer langsamen Dege-
neration verfallen mußten. Genau fo wie im Tier-
experiment verhält sich die Heilwirkung des Serums
beim Menschen, wodurch sich erklärt, daß die Krank-
heitsfälle, wo das Serum möglichst frühzeitig in
Anwendung gekommen ist, viel günstiger verlaufen
als diejenigen, bei denen das Serum erst, nachdem
die Krankheit bereits mehrere Tage bestanden hatte,
injiziert wnrde.
Um ein sicheres Urteil über die Heilwirkung des
Serums zu erlangen, sind Sammelforfchungen
über die Heilserumbehandlung der D. unternommen
worden; außerdem legen die statist. Mitteilungen
einzelner Krankenhäuser Zeugnis ab von der Wir-
kung dieses Heilmittels. Die Diphtheriekranken in
Berlin nach der allgemeinen Statistik des taiserl.
Gesundheitsamtes:
Diphtheriekranke
In Berlin überhaupt. . . 3502 3772 4209 5240 3111
In den Berliner Kranken
Häusern........1727 2120 2403 2900 1666
Von der Gesamtzahl wur-
den in Krankenhäuser auf-
genommen in Proz. . . 49,3 56,2 55,9 53,3 55,5
* Bis 28. Juli.
Hieraus ist ersichtlich, daß die Zahl der Diphtherie-
kranken, die in Krankenhäusern behandelt worden
sind, proportional der Zahl der Gesamterkrankun-
gen an D. ist.
Solange genaue Zahlen über die Diphtherie-
statistik vorhanden sind, ist in Berlin die Sterblich-
keit in den Krankenhäusern immer größer gewesen
als außerhalb derselben; erst 1894 tritt eine Umkehr
des Verhältnisses ein. Daß die Krankenhausfülle
von D. eine größere Sterblichkeit hatten, liegt daran,
daß im allgemeinen die Diphtheriefälle der Kranken-
häuser schwerer sind als die in der Privatpraxis.
Zumal wenn die Tracheotomie in Frage kommt,
werden die Patienten in die Krankenhäuser geschafft.
Daß nun die Todesfälle an D. in den Kranken-
häusern plötzlich geringer wurden als in der Privat-
praxis, kann nur daran liegen, daß in der Privat-
praxis das Serum noch nicht so allgemein ange-
wandt worden ist, was besonders für das 1.1894
gilt. Die nachfolgende Tabelle giebt die Zahl der
Erkrankungen und Todesfälle in ganz Berlin und
in den Krankenhäusern in den 1.1891-94 und den
ersten sieben Monaten des 1.1895:
1891
1892
1893
1894
3502
3772
4209
5240
1727
2120
2403
2900
49,3
56,2
55,9
53,3
Erkrankungen und
Todesfälle
1891
1892
1893
1894
1895.*
Erkrankungen in ganz Berlin
3502
3772
4209
5240
3111
Todesfälle in ganz Berlin .
1144
1376
1577
1496
495
Es starben in Berlin von





100 Diphtheriekranken .
31,8
36,5
36,7
26,8
15,9
Diphtheriefälle in den Ber-





liner Krankenhäusern . .
1727
2120
2403
2900
1666
Todesfälle an Diphtherie in





Berliner Krankenhäusern
613
867
931
611
258
Es starben in den Kranken-





häusern von 100 Diph-





tlieriekrankcn......
35,5
40,0 38.9
21,1
14,9
* Bis Ende Juli.
Nber die Abhängigkeit der Sterblichkeit bei der D.
von den Krankheitstagen, an welchen die Injektion
von Heilserum stattgefunden hat, belehren folgende
Kiffern:
Injektion am:
Be5 überhaupt
andelte? geheilt
fälle gestorben
Sterblichkeit Proz.
1. Krankheitstage
189
173 (3)
13
6,9 i ? ,
2.

632
570 (15)
47
7,4 z 7'2
3.

472
393 (6)
73
15,5
4. ,

254
205 (3)
46
18,1

164
102 (4)
58
35,4
6.

97
63(2)
32

7. '

41
28
13

8.

38
28
10
^ 39,0

43

il !
l
10. >

8
6
2
j
11.

8
7(1)
-

12.

5

2

13.

1
1


14. 15.

2 12
1 11
1 1
18,8
16.

1

1
s
19.

2
1
1

29.

1
1


Unbekannt ....
258
181 (2)
75
29,1
Zusammen j 2223 j1805 (37)! 386 j
Ist auch der Erfolg, den Vehring auf dcr Natur-
forscherversammlung in Wien in Aussicht gestellt
hatte, dah künftig höchstens 5 Proz. von denjenigen,
bei welchen die Behandlung mit ausreichenden
Serumdosen innerhalb der ersten 48 Stunden nach
deutlich wahrgenommenerErkrankung erfolgt, sterben
würden, nicht ganz erreicht worden, so giebt doch die
Tabelle, welche den "Ergebnissen dcr Sammel-
forfchung über das Diphtherieheilserum für das
I.Quartal (Januar bis April) 1895", einer Arbeit
aus dem kaiserl. Gesundheitsamte, entnommen ist,
bereits 7,3 Proz. Mortalität an, wobei noch gleich-
zeitig betont werden muß, daß wiederholt in schweren
Fällen nur einmal die einfache Heildosis (600 Im-
munisierungseinheiten) angewendet wurde, wo eine
Wiederholung derselben nach den von Bchring auf-
gestellten Grundsätzen angezeigt gewesen wäre.
Die Sammelforschung der "Deutschen mediz.
Wochenschrift" wurde ausgesprochenermaßen zu
dem Zwecke unternommen, aus der Zahl der Hei-
lungen von solchen Diphtheriefällen, die mit und
ohne Heilserum behandelt worden sind, ein Urteil
über den Wert des Serums zu gewinnen. Zu dem
Zwecke wurden Zählkarten zur Ausfüllung an die
Arzte ausgegeben. Es handelte sich um die Zeit
vom 1. Okt. 1894 bis 1. April 1895. Leider sind
nicht alle Arzte den Intentionen gefolgt, weswegen
das Resultat dieser Sammelforschung, das in der
Tabelle auf S. 337 wiedergegeben ist, weniger wert-
voll ist, als es hätte sein können.
Als einfache Heildosis ist Flasche I zu verwenden,
welche 600Immunisierungseinheiten enthält. Diese
Dosis ist jedoch nur bei ganz frischen Fällen am
ersten und zweiten Krankheitstage ausreichend.
Setzt die Erkrankung aber sogleich mit schweren
Symptomen ein, bestehen z. V. einige Stunden nach
Beginn derselben ausgedehnte Beläge im Nachen,
starke Drüsenanschwellungen, sehr gestörtes All-
gemeinbefinden u.dgl., so sind 10WImmunisierungs-
einheiten zu injizieren. Die gleiche Dosis ist allemal
zu geben, wenn der Kehlkopf bereits affiziert ist, und
bei D. am dritten und vierten Krankheitstage. Für
Erwachsene und später als am vierten Tage befind-
liche Fälle oder sehr schwere Fälle des dritten bis
vierten Krankheitstages sind meist 1500 Immuni-
sierungseinheiten ausreichend. Im allgemeinen muh
gesagt werden, daß es besser ist, eine stärkere Heil-
serumdosis zu geben, als eine zu schwache, da schäd-
liche Nebenwirkungen nach der Injektion kaum vor-