629
Japanische Kunst – Japanische Mythologie und Religion
Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Japan'
Mächten gegenüber gezeigt hatte, hatte ihm die Feindschaft der altjapan. Partei zugezogen, und als sich der Minister des Auswärtigen, Graf Mutsu, Krankheit halber
genötigt sah, sein Amt niederzulegen, gab dies im Sept. 1896 den Anstoß zu einer Kabinettskrisis, die den Sturz des ganzen Ministeriums zur Folge hatte. Zum
Nachfolger des Marquis Ito und gleichzeitig zum Finanzminister wurde Graf Matsukata, der bedeutende Finanzpolitiker J.s, ernannt, während die Leitung der
auswärtigen Angelegenheiten Graf Okuma, der Führer der Fortschrittspartei, übernahm.
Litteratur. Nippold, Wanderungen durch J. (Jena 1893); Naumann, Neue Beiträge zur Geologie und Geographie J.s (Ergänzungsheft
Nr. 108 von «Petermanns Mitteilungen», Gotha 1893); Loonen, Le Japon moderne (Par. 1894); Bertin,
Les grandes guerres civiles du Japon (ebd. 1891); Dalton, Auf Missionspfaden in J. (Bremen 1895); R. Lindau, Aus China und J.
Reiseerinnerungen (Berl. 1896); Münsterberg, J.s auswärtiger Handel von 1512 bis 1854 (Stuttg. 1896); Wenckstern,
A bibliography of the Japanese Empire 1859-93 (Leid. und Lond. 1895). Von der Landesaufnahme
(Imperial Geological Survey of J.) ist die geolog. Specialkarte 1:200000 ganz fertig; von der Übersichtskarte 1:1000000 fehlt
noch eins der fünf Blätter, nur die topogr. (agronomischen) Detailkarten 1:100 000 sind erst zum kleinen Teil erschienen.
*Japanische Kunst. Der J. K. eigentümliche Formen sind in der Malerei: das
Kakemono, hängende Rolle (s. Tafel: Japanische Kunst I, Fig. 3, Bd. 9,
S. 868); Makimono, Rolle, nicht zum Aufhängen. Im Kunstgewerbe:
Inrō, Medizinbüchse, in Teilen, von einer seidenen Schnur zusammengehalten, meist lackiert, jetzt außer Gebrauch;
Okimono, geschnitzte, gegossene oder geschmiedete kleine Kunstgegenstände zum Aufstellen;
Netzŭke, Schnitzereien aus Holz, Elfenbein, Korallen, Nephrit, Metall u.s.w., bestimmt zur Befestigung des Tabaksbeutels,
Schreibzeugs, der inrō, am Gurt (s. Taf.
II). Sie stellen Götter und Dämonen dar, Sagen und Legenden, bürgerliche
Scenen, Tiere, Pflanzen, Masten und sind in Japan wie außerhalb als Kunstwerke von Liebhaber und Sammlern hoch geschätzt. Seit 1680 bekannt, zählen sie zu ihren
Verfertigern die bedeutendsten Künstler, unter andern Shiuzan in Udji bei Nara, Riŭkei, Miwa (1700), Sensai, Tadatoshi, Ikkō, Masanao (18. Jahrh.), Norisane,
Ittan, Masatami, Ikkuan, Masahiro (19. Jahrh.). Ferner: Kōrō, Räuchergefäß aus Porzellan oder Bronze;
Tsuba, Stoßblech am Schwert, aus Eisen, Legierungen (Shibuichi und
Shakudō genannt) oder Cloisonné; Menuki, kleine Ornamente am Degengriff. In der
Architektur: Tempel (shintōistische, miya, buddhistische,
tera); Tori-i, das Eingangsthor des Shintōtempels (s. Tafel:
Buddhismus I, Fig. 7); Chigi, eigenartige Vorsprünge der
Tempeldachsparren; Katsuogi, cigarrenförmige Verzierungen des Shintōtempeldachs; Tahō-tō,
pagodenähnliche buddhistische Reliquienhäuser; Korō, buddhistischer Trommelturm; Go-jū no tō,
die Pagode; Ishi-dōrō, steinerne oder bronzene Votivlaternen. In der Musik: das
guitarreartige Samisen, Koto, Kokiū,
Shakunachi u.a., die fast alle aus China stammen.
Japanische Mythologie und Religion. Die Quellen der japan. Mythologie sind das Kojiki (708 n.Chr.;
übersetzt von Chamberlain, Transactions of the Asiatic Society, Suppl. X) und Nihonki
(713 n.Chr.). Als Grenze zwischen Mythologie und Geschichte wird von den meisten Japanern die in das J. 600 v.Chr. verlegte Thronbesteigung des ersten Kaisers
Dschimmu angesehen, doch ist nach neuern Forschungen auch die Zeit etwa bis zum 6. Jahrh. legendenhaft.
Das Schöpferpaar von Japan ist Izanagi und Izanami, ein Geschwisterpaar, welches als
Endglied zahlloser Generationen von Göttern auftritt und einen Ehebund eingeht. Nach einem fruchtlosen Besuch in der Unterwelt, aus der Izanagi seine bei der
Geburt des Feuergottes gestorbene Gemahlin zurückholen will, reinigt er sich in einem Flusse, und aus seinen Gliedern und Kleidern entstehen neue Gottheiten, so
die Sonnengöttin Amateras' aus dem linken Auge, der Mondgott aus dem rechten und aus der Nase Susanoo, der bald als Gott des Meeres, bald der Unterwelt auftritt.
Das ungestüme Betragen des letztern bewegt die Sonnengöttin, sich in einer Felsenhöhle zu verbergen, so daß Finsternis eintritt. Durch Gesang und Tanz der übrigen
vielen Myriaden Gottheiten und den Blick in einen Spiegel, in dem sie eine neue Sonne zu erkennen glaubt, wird sie wieder herausgelockt. Ein Nachkomme der
Sonnengöttin steigt auf dem Berge Takachiho der Insel Kiushiu zur Erde hernieder. Sein Urenkel Kamu Mamato Iwarebiko wird unter dem postHumen Namen Dschimmu
Tennō als erster Kaiser von Japan angesehen. Diese mytholog. Vorstellungen bilden die Unterlage für den Ahnen- und Naturkultus der Japaner, der unter dem Namen
Shintō, d.h. Weg der Götter, bekannt ist.
Der Shintōismus hat verschiedene Phasen durchgemacht, ist sogar im Mittelalter eine Verbindung mit dem Buddhismus eingegangen
(unter dem Namen Ryōbushintō). Die archaistischen Arbeiten und Forschungen großer Gelehrter, wie Motoori Norinaga u.a., im 19.
Jahrh. trugen zur Reinigung des Shintōismus von buddhistischen Elementen und Wiederbelebung desselben bei, und Anfang der siebziger Jahre dieses Jahrhunderts
wurde er nach der Restauration des Kaisertums zum Staatskultus erhoben. Verehrt werden in demselben zahllose Gottheiten, Repräsentanten der Naturkräfte, der
Nahrung, der Berge, Flüsse, Krankheiten u.s.w.; an der Spitze steht die Sonnengöttin (auch Tenshōkōdaijin genannt). Ihr Haupttempel befindet sich in der Provinz
Ise, nahe dem Städtchen Jamada, der jährlich von vielen Tausenden von Pilgern besucht wird. Ferner genießen göttliche Verehrung die Kaiser als Abkömmlinge der
Sonnengöttin und hervorragende Männer, wie der Minister Sugawara Michizane (gest. 903 v.Chr.), der unter dem Namen Tenjin, «Himmelsgott», als Gott der
Schreibkunst und Gelehrsamkeit verehrt wird. Manche Gottheiten genießen nur lokale Verehrung. Über das ganze Land verbreitet ist auch der Kultus der Gottheit der
Nahrung, Inari, deren Begleiter der Fuchs ist und der überall größere oder kleinere Tempel errichtet sind. In letzter Zeit sind viele Shintōtempel, deren
Architektur und innere Ausschmückung durch den Buddhismus beeinflußt war, von allem buddhistischen Beirat gereinigt worden, und die größten und wichtigsten
erhalten Zuschüsse vom Staate. Der Shintōtempel ist in seiner ursprünglichen Gestalt sehr einfach, von ungefärbtem Holz des Hinoki und mit der Rinde dieses Baumes
gedeckt. Er liegt meist in einem Hain; die größern sind mit Zäunen, Galerien u.s.w. umgeben, die
Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 630.