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Preußisch-Börnecke - Privatdocent
wurf wurde 2. Mai im Hcrrenhause von den Ver-
tretern der Städte, denen er größere Lasten als bis-
her auferlegte, und den Konservativen, die ein all-
gemeines Volksschulgesetz nach dem Muster von 1892
begehrten, abgelehnt, nachdem er vom Abgeordneten-
hause angenommen worden war. Das Reformgesetz
zur Regelung der Richtergehälter lehnten Centrum,
Nationalliberale und Freisinnige 11. Juni ab. Die
Vorlage wollte das Dienstalterstufensystem einführen
und die Ernennung der Gerichtsassessoren vom Be-
darf abhängig machen, so daß die nicht zur Ver-
wendung gelangenden Assessoren aus dem Iustiz-
dienst ausscheiden sollten.
Der Minister des Innern von Koller, der Haupt-
vertreter des durch die Umsturzvorlage charakteri-
sierten Systems (s. Deutschland und Deutsches Reich,
Geschichte), wurde 8. Dez. 1895 durch den Freiherrn
von der Recke von der .horst (s. d.) ersetzt. Ferner
trat zurück (27. Juni 1896) der Handelsminister
Freiherr von Berlepsch, der eifrigste Vertreter der
durch die kaiserl. Erlasse vom 4. Febr. 1890 inaugu-
rierten Socialpolitik. Die Ursache seines Rücktritts
soll angeblich in dem während der letzten Jahre in
den maßgebenden Kreisen hervorgetretenen Wunsch
nach einem langsamern Fortgang der socialen polit.
Gesetzgebung zu suchen sein. Sein Nachfolger wurde
Unterstaatssekretär Vrefeld (s. d.). Am 14. Aug. 1896
wurde der Kriegsminister Vronsart von Schellendorf
auf seinen Antrag vom Amt entbunden. Sein Nach-
folger wurde Generallieutenant von Goßler (s. d.).
Im Abgeordnetenhause, und darauf auch im Herren-
hause, wurde 5. Dez. 1896 das Gesetz über Er-
werbung der Hessischen Ludwigs-Eisenbahn (s. d.)
erledigt und die Konvertierungsvorlage, wonach
3^ Milliarden M.4prozentiger Anleihen in3^pro-
zentige umgewandelt werden, in dritter Lesung an-
genommen, ebenso 22. Jan. 1897 die Vorlage über
Tilgung der Staatsschulden und Bildung eines
Ausgleichfonds. Die Lehrerbesoldungsvorlage, die
in der Kommission erhebliche Verbesserungen zu
Gunsten der Lehrer erfahren hatte, fand 22. Febr.
in der vom Herrenhause abgeänderten Form die Zu-
stimmung des Abgeordnetenhauses.
Preußisch Börnecke, Dorf, s. Börnecke.
Preußische Centralgenossenschaftskasse,
s. Centralgenossenschaftskasse, Preußische.
^Preußische Eisenbahnen, hatten 1896/97
einschließlich der in demselben Jahre zur Eröff-
nung vorgesehenen Neubaustrecken und der für
fremde Rechnung betriebenen Privatbahnen (63km)
eine Gesamtlänge von 27 777 km, wozu noch der
preuß. Anteil an der Main-Neckar-Vahn (7 km) und
die verpachteten Strecken mit 127 km (ohne die 117 km
in Oberschlesien) kommen. 25298 km liegen inner-
halb des Königreichs, 2440 km in den übrigen
deutschen Vundesstaaten, 7 km in Luxemburg,
19 km in Holland und 13 km in Dsterreich-Ungarn.
Die in Preußen belegenen Privat- und fremden
Staatsbahnen hatten eine Länge von 2318 km,
wozu noch 349 km Neubaustrecken treten. Von den
preuß. Staatsbahnen sind 10628 km zwei- und
mehrgleisige und 8372 km eingleisige Hauptbahnen,
während 8777 km als Nebenbahnen betrieben wer-
den. Von den letztern haben 48 km die schmale
Spur und 256 km zwei Gleise. 2322 km Eisen-
bahnen sind außerdem im Bau begriffen und zum
Bau genehmigt. 3377 Anschlußbahnen für nicht-
öffentlichen Verkehr mit einer Gesamtlänge von
2087 km werden betrieben. Am 1. Okt. 1895 kamen
durch Verstaatlichung in den Besitz des Staates:
die Weimar-Geraer Eisenbahn (68,65 km), die
Saal-Eisenbahn (93,8? km) und die Werra-Eisen-
bahn (216,12 km), zusammen 378,64 km normal-
spurige Eisenbahnen; am 1. Nov. 1895 die meinin-
genschen Staatsbahnstrecken Eisfeld-Unterneubrunn
(17,98 km) und Hildburghaufen-Friedrichshall
(30 km), welche beide schmalspurig und mithin die
zur Zeit einzigen Schmalspurbahnen sind, die vom
preuh. Staate selbst betrieben werden, da die schmal-
spurigen Staatsbahnen (117 km) im oberschles. Berg-
und Hüttenbezirk verpachtet sind. Für die verstaat-
lichten Bahnen sind (1. Okt. 1895) 4 Betriebs-, 1 Ver-
kehrs- und 2 Maschineninspektionen neu errichtet
worden. Über die in Gemeinschaft mit Hessen er-
folgte Verstaatlichung der Hessischen Ludwigs-Eisen-
bahn s. d. Über Betriebsergebnisse der P. E. 1894/95
s. Deutsche Eisenbahnen. >M Wiesbaden.
*Preyer, WilhelmThierry, starb 15.Juli 1897
Prien, Dorf im Bezirksamt Rosenheim des bayr.
Reg.-Bez. Oberbayern, an der Prien und unweit
des Chiemsees, an der Linie München-Salzburg und
der Nebenlinie P.-Aschau (9,6 km) der Bayr. Staats-
bahnen, Sitz eines Amtsgerichts (Landgericht Traun-
stein), hat (1895) 1865 E., darunter 39 Evangelische,
Posterpedition, Telegraph und kath. Kirche.
Prillwitz, Dorf im Großherzogtum Mecklen-
burg-Strelitz, am See Lieps, hat (1895) 183 E.,
Postagentur, Telegraph, evang. Kirche, Reste der
Burg Prilewitz auf dem Schloßberge. Die Götzen-
bilder im Museum zu Neustrelitz (Prillwitz er
Idole) sind wahrscheinlich unecht. P. war schon
vor 1170 bekannt und im 14. Jahrh. Stadt; bis 1796
war es adliges Lehn, seit 1796 Privatgut und seit
1882 ist es Sommerresidenz des Erbgrohherzogs.
Primelttbund (krimroLkI^saFue), konservativer
engl. Verein, von Lord Nandolph Churchill in Er-
innerung an Lord Beaconssield 1883 gestiftet und mit
dessen Lieblingsblume, der Primel, als Abzeichen
versehen. Der P. zählte 1896 etwa 2308 Zweig-
vereine mit 1279 685 Mitgliedern. Der Thätigkeit
der weiblichen Mitglieder des P. wird zum großen
Teil der konservative Erfolg der letzten allgemeinen
Wahl zum Parlament 1895 zugeschrieben.
Primiero, deutsch Primö r, Bezirkshauptmann-
schaft und Gerichtsbezirk in Südtirol, hat 414,85 ykm
und (1890) 10622 (4933 männl., 5689 weibl.) ital.
E. Hauptort ist Fiera di P. (634 E.), am Cismone,
in 715 m Höhe, das von Predazzo im Fleimser
Thal aus auf neuer Kunststraße über den Rollepaß
(1956 m) erreicht wird. smelnbund.
?rilnro3sI>e2.FNs (engl.,spr.-rohs' lihg),s.Pri-
Prismendoppelfernrohr, s. Fernrohr.
* Privatdocent. Neben den besoldeten Professo-
ren an den Universitäten, welche bestimmte Vor-
lesungspflichten haben und Staatsbeamte sind,
stehen in Deutschland meist jüngere Gelehrte, welche
die venia. i6F6näi erworben haben und ohne staat-
lichen Lehrauftrag eine freie Lehrthütigkeit aus-
üben. Das hängt mit dem von Zaus aus kor-
porativen Charakter der Universität zusammen,
welche durch die von ihr verliehenen Grade den
bisherigen Scholaren unter die Docenten (äocto-
1-68, ma^iätri le^enteä) aufnimmt. Früher genügte
dazu die Promotion; aber wie diese selbst schon auf
den mittelalterlichen Universitäten in mehrere Akte
zerlegt wurde, fo ist jetzt zu der Erwerbung der
venia. i6F6näi nach der Promotion noch die Habili-
tation hinzugekommen, welche von jener meist durch