Autorenkollektiv,
Verlag von G. A. Gloeckner, Leipzig,
Dritte Auflage, 1884
Beschreibung der im Handel vorkommenden Natur- und Kunsterzeugnisse
unter besonderer Berücksichtigung der chemisch-technischen und anderer Fabrikate, der Droguen- und Farbewaren, der Kolonialwaren, der Landesprodukte, der Material- und Mineralwaren.
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Blutegel - Blutlaugensalz
Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Blumenhandel'
und Blumen. Gezüchtet werden diese von den Kunstgärtnern,
deren Hauptaufgabe darin besteht, stets andre Varietäten zu
bilden oder Spezialitäten zu kultivieren, so daß man die Firmen
und ihre Verkaufswaren kennen muß, worüber die Gartenzeitungen
und Gartenkalender Auskunft geben. Im Blumenhandel werden
viele Millionen umgesetzt, allerwärts aber läßt sich durch
Konzentration und vermehrtes Angebot noch vieles erreichen.
Auf Ausstellungen findet sich Gelegenheit, zeitweilig das
Neueste der Leistungen kennen zu lernen und die erforderlichen
Verbindungen mit den Produzenten anzuknüpfen. Großartige
Blumengärtnereien besitzen die Umgebungen von Berlin, Hamburg
(besonders für Orchideen der Tropen), Eisenach, Köln, Frankfurt
a. M., Leipzig, ferner Quedlinburg, Erfurt (für Spezialitäten)
etc. Blumensämereien bilden ebenfalls einen bedeutenden
Handelsartikel, mit welchem sich auch der Großhandel beteiligen
kann, während die Blumen, Boukette etc. mehr dem Klein- und
Lokalhandel dienen oder von den Produzenten selbst in den Vertrieb
kommen. - Bouketts von frischen wie getrockneten Blumen ebenso
wie Sämereien für Blumen zollfrei.
Blutegel (Blutigel, Hirudines,
Sanguisugae); lebende Tiere aus der Ordnung der Ringelwürmer
und der Unterordnung der Glattwürmer, ein Artikel des
Droguenhandels. Die B. werden medizinisch zur lokalen
Entziehung von Blut verwendet; ihr Gebrauch hat aber gegen
früher bedeutend nachgelassen. Man hat viele verschiedene
Arten, von denen aber in unseren Apotheken nur zwei geführt
werden dürfen, nämlich der deutsche B.
(Hirudo medicinalis) und
der ungarische
(Hirudo officinalis).
Ersterer, der deutsche B., ist jetzt sehr selten geworden,
so daß man meist den ungarischen verwendet, der jedoch nicht
bloß aus Ungarn, sondern auch aus Slavonien (Gegend von Essegg),
Polen und den Balkanländern zu uns gebracht wird. Der deutsche
B. hat einen olivengrünen Rücken mit sechs hellrostroten,
schwarzgefleckten Längsstreifen; die Körperglieder sind kernig
rauh, der Bauch ist schwarz gefleckt; der ungarische B. hat
einen schwärzlichgrünen Rücken mit ebenfalls sechs rostfarbigen
Längsstreifen, die jedoch ungefleckt sind; auch der Bauch ist
ungefleckt und olivengrün, die Körperglieder sind glatt. Mit
den Pferdeegeln, von denen
man zwei Arten hat, kann eine Verwechselung so leicht nicht
stattfinden, da diesen die sechs Längsstreifen fehlen. In
Algier, Marokko und der Berberei kommt eine Art vor, welche
man Dragoner nennt
(Hirudo troctina), sie
werden nach Frankreich, England und Südamerika exportiert.
In den französischen Besitzungen am Senegal verwendet man einen
kleinen B., Hirudo mysomelas,
in Indien eine sehr große Art,
Hirudo granulosa. Sehr
viel B. liefert Australien, wo sie gezüchtet werden,
vorzüglich nach Amerika und England. In Deutschland ist eine
Zuchtanstalt in Hildesheim. Die amerikanischen B. der
Mississippigegend sind zum medizinischen Gebrauche nicht
geeignet, weshalb Amerika viel einführt. Der jährliche Konsum
in Deutschland soll sich auf 25 Millionen Stück belaufen, der
↔
von England und Frankreich zusammen auf 60 Millionen Stück;
die Ausfuhr von Hamburg nach überseeischen Ländern auf circa
30 Millionen Stück. - Kleinere Mengen von B. bewahrt man am
besten in Glasgefäßen mit weiter Oeffnung auf, die man mit
Leinwand überbindet und zu ⅓ mit Flußwasser füllt, das zeitweilig
erneuert werden muß. Größere Mengen, bis zu 1000 Stück und mehr,
am besten in einem Holzfaß, welches durch ein vielfach
durchlöchertes Bret in zwei Abteilungen geteilt ist; in die
eine Abteilung bringt man etwas Lehm und Torferde oder Rasen,
in die andere nur Wasser. Die Versendung der B. geschieht
gewöhnlich in leinenen Säckchen, die von stark angefeuchtetem
Moose umgeben in einer hölzernen, mit feinen Löchern versehenen
Kiste liegen. Die B. sind zollfrei.
Blutlaugensalz (Cyaneisenkalium);
diesen Namen führen zwei verschiedene Salze, die beide
dieselben Elementarbestandteile, jedoch in verschiedenen
Verhältnissen enthalten und ihre Hauptverwendung in der
Färberei finden. Es ist dies:
1) das Gelbe Blutlaugensalz
(Einfach-Cyaneisenkalium,
Kaliumeisencyanür,
Ferrocyankalium,
gelbes blausaures Kali,
Kalium ferrocyanatum,
Kali borussicum flavum);
man erhält es in oft ziemlich großen, gelben, durchscheinenden
Kristallaggregaten, die zuweilen etwas weiß bestäubt und
oberflächlich leicht verwittert sind; die Kristalle sind
ziemlich weich und zähe, schwer zu pulvern; sie sind in
Wasser löslich, in Alkohol unlöslich; beim Übergießen mit
Säuren entwickeln sie die giftige Blausäure. Wie schon aus
obigem Namen hervorgeht, enthalten die Kristalle Cyankalium
und Eisencyanür, außerdem aber auch noch Kristallwasser,
welches beim Erwärmen entweicht und das wasserfreie
Kaliumcyanür als weißes Pulver zurückläßt. Man bereitet
das gelbe B. dadurch, daß man stickstoffhaltige, organische
Substanzen, wie z. B. Hörner, Klauen, Gerbereiabfälle,
altes Leder, früher auch getrocknetes Blut (daher der Name
B.), in eine Mischung von geschmolzener Potasche mit
Eisenfeile einträgt. Die geschmolzene und erkaltete Masse
wird mit Wasser ausgelaugt und die Lösung zur
Kristallisation gebracht. Außer in der Färberei verwendet
man das gelbe B. zur Darstellung verschiedener anderer
Cyanpräparate, zum Härten des Eisens und in der analytischen
Chemie. -
2) Das rote Blutlaugensalz
(Anderthalb Cyaneisenkalium,
Kaliumeisencyanid,
Ferridcyankalium,
rotes blausaures Kali,
Gmelin'sches Salz,
Kalium ferridocyanatum,
Kali borussicum rubrum);
es bildet dunkelrubinrote, glänzende, durchsichtige Kristalle,
die viel härter sind, als diejenigen des gelben B. Man
bereitet es durch Einleiten von Chlorgas in eine Lösung
von gelben B. und Kristallisierenlassen der Lösung; doch
hat man auch noch andere Methoden zu seiner Darstellung.
Man behandelt auch trockenes gepulvertes, gelbes B. in
geschlossenen Kammern mit Chlorgas und benutzt dieses noch
Chlorkalium enthaltende Präparat unter dem Namen Blaupulver
sogleich zum Färben. - Zoll: Gelbes und rotes gemäß
Zolltarif im Anh. Nr. 5 c.