Autorenkollektiv,
Verlag von G. A. Gloeckner, Leipzig,
Dritte Auflage, 1884
Beschreibung der im Handel vorkommenden Natur- und Kunsterzeugnisse
unter besonderer Berücksichtigung der chemisch-technischen und anderer Fabrikate, der Droguen- und Farbewaren, der Kolonialwaren, der Landesprodukte, der Material- und Mineralwaren.
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China - Chinagras
Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Chilisalpeter'
Kochsalz erkennt man am reichlichen Niederschlag mit Silberlösung, den mit schwefelsaurem Natron
durch solchen von Chlorbaryum, Soda durch Aufbrausen mit Salzsäure, schwefelsaure Magnesia durch
Niederschlag mit Chlorbaryum und durch Ammoniak und phosphorsaures Natron unter Abscheidung von
Kalkerde. Der Kaufmann muß für den Gehalt an Stickstoff garantieren (14-16,5%), sich also selbst
den Gehalt vom Importeur garantieren lassen. Mit verletzten Händen darf Ch. nicht angegriffen
werden. - Zollfrei.
China heißt in England das Porzellan;
daher China clay - Porzellanthon - ein in England vorfindlicher
blendend weißer, voluminöser, sehr plastischer, etwas fetter Thon; derselbe wird wegen seiner
vielseitigen Brauchbarkeit nach andern Ländern, auch nach Deutschland ausgeführt, wo der Zentner
3-4½ Mk. zu stehen kommt. Man braucht sie bei uns in der Fabrikation des Ultramarins, ferner als
Zusatz zu Satinierfarben, die dadurch beim Reiben einen schönern Glanz annehmen, in Zeugdruckereien
zur Farbenverdickung, hauptsächlich aber als Zusatz zum Papierzeug, um dem Papier mehr Schwere und
Körper zu geben. - Zollfrei.
Chinaalkaloide (Chinabasen); die in den verschiednen Sorten von Chinarinde
enthaltenen organischen Basen; die am häufigsten vorkommenden sind: Chinin,
Chinidin, Cinchonin und
Cinchonidin, seltener findet man Chinicin
und Cinchonicin, Chinamin und
Paricin. Die Rinden von Cinchona Calisaya,
C. laurifolia, C. succirubra,
C. Pitayo, C. Haskarliana,
C. officinalis und C. Pahudiana enthalten
vorzugsweise Chinin und Cinchonidin;
die Rinden von C. amygdalifolia, C. Calisaya
javanica und C. Pitayo enthalten außerdem noch
Chinidin; in der Rinde von C. mikrantha,
C. peruviana und C. nitida ist
vorzugsweise Cinchonin enthalten; in der C. Ledgeriana
fehlt das Cinchonidin; in der Rinde von C. succirubra finden sich außer
Chinin und Cinchonidin auch
Chinamin und Paricin; in peruanischen Rinden
hat man auch Chinicin, bisweilen auch Cinchonicin gefunden. Außer den genannten, sämtlich farblose und
kristallisierbare Salze gebenden Basen enthalten fast alle Chinarinden noch amorphe, braune, nicht
genügend bekannte Basen, die bei der Chininfabrikation als Nebenprodukt erhalten werden und unter
dem Namen Chinoidin in Form einer braunen, extraktartigen Masse in den Handel kommen. Von allen
Ch. ist das Chinin (s. d.) das wichtigste; Cinchonin
und Cinchoninsulfat (Cinchoninum sulfuricum), beide farblose
Kristalle bildend, werden nur wenig medizinisch verwendet; dasselbe gilt auch vom
Chinidin und Chinidinsulfat
(Chinidinum sulfuricum); ebenfalls farblose Kristalle. - Zollfrei.
Chinagras - Nesselfaser - Ramee oder Ramie-Rhea
(frz. ramie oder ramié; engl. China grass). Die Bastschicht der meisten Nesselarten (mit dem bot.
Namen Urtica oder Böhmeria) liefert bei gehöriger Kultur ein ganz vorzügliches Fasermaterial,
welches seit den ältesten Zeiten in Asien in ausgedehntem Maße verarbeitet worden ist. China und
die den Himalaya umgebenden
↔
Länder waren in alter Zeit die Hauptkulturstätten für die Nesselfaser. Von da verirrten sich in
früheren Jahrhunderten zuweilen Gewebe von großer Feinheit nach Europa und waren hier sehr
geschätzt. Aus China stammende Nesselgewebe oder Grasleinen (engl. Chingrass cloth) zeigten
zuweilen eine solche Feinheit, daß Zweifel laut wurden darüber, ob die dazu verwendeten Fäden
wirklich Gespinste seien. Mikroskopische Untersuchung hat denn auch gezeigt, daß diese Fäden durch
Zusammendrehen der Enden langer Fasern entstanden sind. Diese Fäden sind flach, wie ein Bändchen
von äußerst geringer Breite und nicht rund wie gesponnene Garne. Jahrhunderte hindurch ist die
Nesselfaser auch in Europa (Deutschland, Schweden, Frankreich) bereitet, versponnen und verwebt
worden. (Der Name Nesseltuch, welcher jetzt für ein Baumwollgewebe gilt, stammt noch aus jener
Zeit.) Im Anfang des vorigen Jahrhunderts waren Gewebe aus Nesselfasern in den genannten Ländern
noch ziemlich bekannt. Die sich fortwährend steigernde Einfuhr von Baumwollgeweben aus Indien,
das Emporblühen der Baumwollindustrie in England und auf dem europäischen Festlande drängte das
Nesselgewebe vollständig zurück, ja ließ dies vorzügliche Material beinahe ganz in Vergessenheit
geraten. Am längsten hat sich die Gewinnung und Verarbeitung der Nesselfaser noch in der Picardie
gehalten. Mit dem Ende des vorigen Jahrhunderts verschwindet dieser Industriezweig aber auch dort.
Seit dem Anfange des vorigen Jahrhunderts hat es nun keineswegs an Hinweisen gefehlt, welch
schätzenswertes Material im Baste der Nesselstengel enthalten ist. Männer der Wissenschaft und der
Praxis haben sich wiederholt mit diesem Gegenstande beschäftigt; mehrfach sind Preise ausgesetzt
worden für die besten Verfahren und Hilfsmittel zur Gewinnung und Verarbeitung der Nesselfaser.
Eine größere Bedeutung hat diese Industrie aber erst wieder in der neuesten Zeit erlangt und steht
für die Zukunft zu erwarten, daß dieselbe bei dem ihr von vielen Seiten gezollten Interesse eine
bedeutende Steigerung erfährt. Von nicht zu unterschätzendem Einfluß auf die Nesselfaserindustrie
sind die mit dem Jahre 1851 beginnenden Weltausstellungen gewesen. Lenkten die ersten Ausstellungen
durch die von den Kulturländern Asiens zur Ansicht gebrachten vortrefflichen Produkte die
Aufmerksamkeit wieder auf die Nesselfaser, so zeigten die letzten zu Philadelphia 1876 und Paris
1878 bereits, welchen Aufschwung die Nesselkultur auf der ganzen Erde genommen hat und was noch
weiter zu erwarten ist. - Eigenschaften der Nesselfaser: Die
Nesselfaser ist bei gehöriger Pflege sehr zart, fein und besitzt grosse Festigkeit. Versuche
haben ergeben, daß die Festigkeit 1½-2mal größer sein kann als die des russischen Hanfes. Die
Faser besitzt weiter einen hohen, fast seidenartigen Glanz, läßt sich leicht bleichen und wird
dann blendend weiß. Ungebleichte Fasern zeigen zuweilen einen Stich in's Gelbe oder Grüne, welcher
von noch vorhandenem aber leicht zu entfernendem Blattgrün (Chlorophyll) herrührt. Schwierigkeiten
verursachte früher das Färben
Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 78.