Schnellsuche:

Merck's Warenlexikon

Autorenkollektiv, Verlag von G. A. Gloeckner, Leipzig, Dritte Auflage, 1884

Beschreibung der im Handel vorkommenden Natur- und Kunsterzeugnisse unter besonderer Berücksichtigung der chemisch-technischen und anderer Fabrikate, der Droguen- und Farbewaren, der Kolonialwaren, der Landesprodukte, der Material- und Mineralwaren.

Schlagworte auf dieser Seite: Schiefer

492

Schiefer - Schiefer

Im Handel versteht man jedoch, wenn das Wort S. ohne jede nähere Bezeichnung gebraucht wird, diejenigen Sorten, welche sich als Dachschiefer oder Tafelschiefer eignen. Aber auch diese sind in ihrer Beschaffenheit nicht völlig gleich, indem sie teils in der Mischung ihrer Bestandteile, teils durch kristallinische oder nicht kristallinische Struktur, feineres oder gröberes Gefüge, verschiedne Grade der Spaltbarkeit, wie auch im Härtegrade etc. von einander abweichen. Manche dieser S. lassen sich als erhärtete Thone betrachten, mehr oder weniger gemengt mit feinen Quarz- und Glimmerteilchen und durch einen Gehalt von Kohlenstoff grau, graublau, schwarz etc. gefärbt.

Die im Handel vorkommenden Dach- und Tafelschiefer gehören immer zur Gruppe der Thonschiefer und sind teils kristallinische Urthonschiefer, teils nicht kristallinische S. der Übergangsformation. Schiefergebirge gibt es weit mehr als Schieferbrüche, denn die Masse findet sich sehr oft in unbrauchbarem Zustande, indem die Schichten entweder durch Bodenbewegungen zu sehr verworfen und zerbrochen sind, sodaß sich nichts Ganzes gewinnen läßt, oder die Masse ist in sich selbst zu grob oder zu locker und ermangelt der feinen Spaltbarkeit oder gibt wenigstens keine geraden Tafeln. Die Schieferbrüche sind nach Umständen entweder Tagbauten wie gewöhnliche Steinbrüche, oder werden unterirdisch wie Bergwerke betrieben. In beiden Fällen gibt es immer viel wildes Gestein zu bewältigen und wegzuschaffen, zwischen welchem der brauchbare S. in Schichten liegt. In Deutschland gibt es wie in England und Frankreich neben mittelmäßiger Masse örtlich auch sehr gute Qualitäten; englischer S. hat in Deutschland, wenigstens im Norden, Absatz, da die Wasserfracht von England dorthin weniger kostet als das Hinschaffen aus dem Binnenlande.

In Deutschland wird der beste S. im Thüringerwalde gefunden. Namentlich der aus den berühmten, seit Jahrhunderten betriebenen Brüchen von Lehesten im Meiningenschen zeichnet sich durch Güte, Reinheit und Schönheit aus. Man gewinnt dort jährlich über 300000 Ztr. des besten Dach- und Tafelschiefers. Die Förderung geschieht hier durch Tagebau, da die Schieferschichten in dem Zwischengestein schräg aufwärts gelehnt bis an die Oberfläche reichen. Der Abbau geschieht stufenförmig; die Blöcke werden in möglichster Größe abgearbeitet und sogleich weiter auf den Spalthütten in Arbeit genommen, weil dies am leichtesten geht, solange die Masse noch ihre natürliche Erdfeuchtigkeit enthält.

Dicke Platten für Grabmonumente, Fußbodenbelege, Tröge, Tischplatten u. dgl. werden durch Sägen, Behauen, Schaben in die verlangte Form gebracht, die dünnern Platten zu Dachbedeckung und Schreibtafeln durch Spalten mit stählernen Meiseln hergestellt. Die Form der Platten wird bei gewöhnlichem Dachschiefer durch Schlagen auf einen Amboß mit scharfen Kanten, bei feinerer Ware durch Schneiden auf einer Stockscheere gegeben. Dies gilt namentlich von dem sog. Schablonenschiefer, welcher nicht bloß quadratisch und lang viereckig, sondern auch 5-, 6-, 8 eckig und in andern Formen hergestellt wird, nachdem diese mit Hilfe blecherner Schablonen erst auf den Platten vorgerissen wurden. Dem Tafelschiefer wird seine gehörige Glätte durch Schaben und Schleifen gegeben, worauf er meistens eingerahmt in den Handel gebracht wird.

Nächst Lehesten ist die Umgegend von Gräfenthal in Thüringen reich an gutem Schiefer. Hier findet sich nebst gutem Material zu Schiefertafeln auch der Griffelschiefer, eine besondere Varietät, welche nicht in Platten, sondern gleichsam holzartig spaltet, sodaß ein Block, der an richtiger Stelle einen Schlag erhält, sogleich in eine Menge Stengel auseinanderfällt, die durch Schaben noch etwas abgeglichen werden und viel weiter als die Schieferplatten, z. B. nach Frankreich, gehen, da der Griffelschiefer ein seltenes Vorkommnis ist. Thüringer S. kommen auch noch aus andern, hier nicht weiter benannten Lokalitäten.

Die Dachschieferbrüche bei Goslar am Harz sind nicht minder alt und großartig und ergeben ein ganz vorzügliches Dachdeckungsmaterial, ausgezeichnet durch Festigkeit und große Dünnspaltigkeit. Von gleicher Güte wie die Thüringer und Harzprodukte sind die rheinischen S., von Kaub, St. Goarshausen, Wissenbach u. a. O. Auch an der Mosel, Lahr und Dill, an der Agger, Ruhr und Lenne wird S. gebrochen. Die Gewinnung in jenen westlichen Gegenden geschieht größtenteils durch unterirdischen Bergbau und sind die oft aus dem fernsten Altertum herrührenden Gruben ihrem Alter entsprechend von beträchtlicher Ausdehnung. Sachsen hat Schieferbrüche bei Lößnitz im Erzgebirge, sie liefern ebenfalls ein gutes Material. -

Außerordentlich reich an gutem S. sind die britischen Inseln. Die bedeutendsten Brüche finden sich in Wales an der Westküste, sowie in Schottland. Einzelne kleine Hebrideninseln bestehen ganz aus S. In Irland ist die Insel Valencia großenteils ein Schieferblock. Die Engländer haben den Vorteil, daß viele ihrer Brüche an der See liegen und daher die Produkte in wohlfeilster Weise verfrachtet werden können, die daher auch in verschiedensten Formen von Dachschiefer und großen Platten in alle Welt gehen. Ein andrer günstiger Umstand bei den Brüchen der Engländer ist der, daß die Schichten oft ungestört durch unterirdische Vorgänge liegen, sodaß sich also Platten von ungewöhnlichen Größen herausarbeiten lassen. Es sind auf Ausstellungen Platten von 9 m Länge und Breite bei nur 1½ cm Dicke zur Anschauung gekommen. Etwas ähnliches scheinen bei uns nur die Brüche von Kirchberg bei Gräfenthal zu leisten, von welchen Platten von 4½-6 m Länge und 1½-3 m Breite bei nur 7-9 cm Dicke ausgegangen sind. -

Frankreich produziert ebenfalls beträchtliche Mengen von S., am meisten in den Ardennen, ferner bei Angers, Grenoble etc. Es werden dort sehr viele, nach Farbe, Form und Größe unterschiedne Sorten erzeugt, unter anderm auch natürlich gekrümmte Platten zum Decken von Kuppeln u. dgl. Frankreich führt aber auch noch S. von Belgien ein, dessen wichtigste Brüche sich bei Namur, Lüttich etc. befinden. -

Schieferlager von mehr örtlicher Bedeutung und geringerer Qualität, zum Teil