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Abhandlung von der Stadt Ulm

Bruder Felix Fabris, Druck der Buchdruckerei von Heinrich Frey, Ulm, 1909

Nach der Ausgabe des litterarischen Vereins in Stuttgart verdeutscht von Professor K. D. Haßler.

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Es gibt also sechserlei edle Bürger. Denn einige sind unzweifelhaft in den Städten, deren Vorfahren entweder Trojaner oder Römer oder Karthager vom höchsten Adel waren; aber aus ihren Wohnsitzen vertrieben konnten nicht alle sich Burgen bauen, sondern viele von ihnen kanten in die Städte und, mit dem bürgerlichen Leben zufrieden, wurden sie im Lauf der Zeit unter die Bürger und niedrigeren Edlen gerechnet oder ihnen bei Gründung einer Stadt ein Platz in der zu erbauenden Stadt angewiesen, denn immer wurde ein Teil der Stadt mit der Gemeinschaft der Adeligen geziert nach der Lehre des Aristoteles 4 polit. Auch wurde als Stadt angesehen nicht ein durch einen Kreis von Mauern befestigter, sondern ein durch einen unterschiedenen Rang der Einwohner gezierter Ort, wie Hugo von St. Victor sagt, daß Jerusalem eine in drei Teile geschiedene Stadt gewesen sei: im ersten wohnte der König und die Priester, im zweiten die adeligen Bürger, im dritten der Pöbel und das Volk. Aber weil mit der Zeit alles vergeht und veraltet, so verging auch die Erinnerung an diesen Ursprung mit der langen (pag. 62) Zwischenzeit seit der Zerstörung Trojas, Karthagos und Roms, so daß jetzt eigentlich keine Edle in und außer den Städten etwas gewiß wissen von ihrem Ursprung außer wenige von den Höheren, wie die Herzöge und Barone.

Die zweiten adeligen Bürger sind diejenigen, welche die Burgen und Wohnungen ihrer Vorfahren verließen und entweder wegen Kriegsunruhen oder aus Widerwillen gegen die Einsamkeit oder aus Mangel am Notwendigen in die Städte wanderten. So leben wirklich ziemlich viele schon seit langer Zeit in Ulm, deren Väter Burgen besaßen, worüber sie noch heute offene Briefe zeigen, aber durch Kriege bedrängt und genötigt flohen sie in die Städte und schlossen sich so, nachdem ihre Burgen in Brand gesteckt und zerstört waren, dem bürgerlichen Leben an und verloren im Verlauf der Zeit durch verschiedene Zufälle die Beweise ihrer edlen Abkunft, besonders durch ihre Ehen mit dem Landvolk. Andere, auch von dem höheren Adel, die feste Burgen hatten, erwarben sich, durch Kriege bedrängt und arts Furcht vor irgend etwas, oder aus Liebe oder Freundschaft durch Anhänglichkeit oder durch bestimmte Verdienste oder durch Verträge und Bedingungen die Gunst der Bürger irgend einer berühmten und ihnen benachbarten Stadt, bekommen das Bürgerrecht, nehmen die bürgerlichen Lasten und Rechte an und erfreuen sich der Privilegien, Hilfsmittel und Vorrechte der Bürger. Und doch werden ihnen dadurch die Privilegien des Adels nicht genommen, sondern sie erfreuen sich beider (ff. [digest. ] de Senatu senatorum) durch ihr Ansehen. Es kann also ein Adeliger irgend einer Bürgerschaft einverleibt werden, immer unbeschadet des Rechts der kaiserlichen Majestät. Und so war auch der heilige Paulus, wie es Act. 1) 16 heißt (und wie dig. 10 si in adiutorium... gelesen und bemerkt wird) ein römischer Bürger; denn er war von edlem Geschlecht, wie die Bemerkung zu 2 Tim. am letzten sagt. Auch wandern Adelige von den Burgen in die Städte aus Widerwillen gegen die Einsamkeit auf den Burgen und um des Trostes willen der Geselligkeit, den sie in den Städten finden, und um der Schwelgerei des Magens willen, die sie in den Wirtshäusern haben, und sie strömen wegen anderer Vergnügungen in die Städte mit Hintansetzung des Kriegsdienstes, um die Laster der Bürger nachzuahmen. Denn castra (Burgen) ist abzuleiten von castrare (verschneiden, verkürzen); denn einst lebten auf den Burgen die wahrhaft Edlen keusch und enthaltsam fern von sinnlichen Genüssen, trieben kriegerische Übungen im

1) Act. 16, 37 u. 22, 25.