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Abhandlung von der Stadt Ulm

Bruder Felix Fabris, Druck der Buchdruckerei von Heinrich Frey, Ulm, 1909

Nach der Ausgabe des litterarischen Vereins in Stuttgart verdeutscht von Professor K. D. Haßler.

Schlagworte auf dieser Seite: Ungelter

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Ungelter.

Die hochberühmte, durch ihr Alter ihren Adel beweisende Familie der Ungelter stärkte, zierte und verwaltete in dieser Zeit und mehrere Jahre früher das Gemeinwesen der Ulmer. Den ersten Ursprung dieser Familie wie auch aller andern tilgte aus der Erinnerung ihr allzu hohes Alter. Auch ist nicht zu glauben, daß sie immer Umgelter oder Ungelter geheißen, sondern daß sie irgend einen anderen, ihrer edlen Geburt entsprechenden Namen gehabt haben, der durch den neu auftretenden Namen ganz verloren ging. So aber erlangte diese Familie den neuen Namen Ungelter oder Umgelter. Zur Zeit Friedrichs I waren sowohl Reutlingen (Rütlingen) als Eßlingen (Eslingen) noch Bauerndörfer, genannter Kaiser aber umgab diese beiden Dörfer mit Mauern und bestimmte im Jahr des Herrn 1155, daß sie Reichsstädte seien. Über seine Hofleute aber setzte er in Reutlingen einen Vogt, der die dem Kaiser schuldigen Steuern sammelte und in seinen Staatsschatz schickte. Wegen dieser dem Volk ungewohnten Sammlung nun begann das Volk den adeligen Sammler Umgelter zu nennen, wie auch das gesammelte Geld Umgelt oder Ungelt genannt wird, denn beides findet sich in den Urkunden. Denn Umgelt wird es genannt, weil es von allen eingetrieben und von allen zu bezahlen sein wird. Oder wird es Ungelt genannt, weil es eine verabscheuenswerte, verhaßte Steuer ist, wie wir von einem verhaßten Menschen zu sagen pflegen: der ist ein Unmensch. Die Reutlinger aber beschuldigten den genannten Adeligen, daß er eigentlich selbst die Auflage dieser Steuer für sie veranlaßt habe, und so legten sie aus einer gewissen Empörung den Namen seines ihnen verhaßten Amtes ihm bei. Dieser Adelige nun herrschte lange Zeit in dieser Stadt und legte das Wappen seiner Vorfahren mit Abänderung einiger Farben dieser Stadt bei. Es ereignete sich aber, daß nach Verlauf vieler Jahre durch unruhige Leute ein Aufruhr in Reutlingen ausbrach; bei diesem drohte große Gefahr den Leitern der Stadt und besonders den Ungeltern. Daher verlegten sie, dem Zorn Raum gebend, ihren Wohnsitz nach Ulm, wo viele Adelige ihren Wohnsitz hatten; wurden so Mitbürger der Ulmer und führten oft kräftig (pag. 93) die Verwaltung ihres Gemeinwesens. Während ich aber gerade die Beschreibung dieser Familie vornahm, fand ich einen weiter hinaufreichenden Anfang derselben, den ich zur Hand nehmen und dem bisher Gesagten anreihen will. Ehemals nämlich wurden die eben genannten Umgelter Herren von Huve 1) genannt; und eine Burg desselben Namens im Aargau besitzend leisteten sie auch unter den Grafen von Habsburg Kriegsdienste. Als aber die Schweizer gegen den Adel zu wüten anfingen, wurden die Herren von Huve vertrieben und suchten, nach Westrangia 2) auswandernd, daselbst Wohnsitze für sich. Indessen fand eine große Versammlung der Adeligen bei Worms zu einem Turnier statt, zu dem auch die Herren von Huve kamen; unter diesen waren zwei uneinige Brüder, die beim Kampfspiel feindlich gegeneinander kämpften, so daß einer den andern niederstreckte. Hiedurch spaltete sich dieses Geschlecht in zwei Teile, von denen der eine nach Westrangia zurückkehrte, der andere den Hof Kaiser Friedrichs I aufsuchte, bis sie durch dessen Gnade an irgend einen Ort versorgt würden. Und so bekamen sie das zur Stadt gewordene Reutlingen und indem sie diese Stadt rühmlich regierten, verloren sie ihren Namen und begannen, wie gesagt, Umgelter genannt zu werden, und von da

1) Veesenm.: Vielleicht Au im Aargau.

2) Veesenm.: Wohl = Westrich, Westerreich, zwischen Lothringen, Luxemburg, Limburg und der Pfalz.