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Illustrierte Kunstgeschichte

Johannes Emmer, Deutsche Volksbibliothek A.-G., Berlin, ohne Jahr [1901]

Schlagworte auf dieser Seite: Die hellenische Kunst

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Die hellenische Kunst.

Werke der Uebergangszeit. In die Zeit des Uebergangs fallen nun die Bildwerke, welche den Zeustempel von Olympia schmückten, mit dessen Bau um 470 v. Chr. begonnen wurde. Man sieht, wie der Künstler sich bemüht, die Steifheit des archaischen Stils zu überwinden, mehr lebendige Bewegung zu erzielen und der Natur näher zu kommen, und dabei auch auf malerische Wirkung bedacht ist. Noch vermag aber der Meister seine Absicht nicht ganz zu verwirklichen; wohl verleiht er schon etwas seelischen Ausdruck seinen Köpfen, aber die Hauptsache bleibt ihm doch die Gestaltung des übrigen Körpers; dabei zeigt er sich auch in dem Banne der jonischen Stilrichtung, welche auf Einzelheiten Gewicht legt. (Fig. 99 - 101.)

Zeitalter des Perikles. Ihre Vollendung erreichte die bildnerische Kunst, als in Athen der große Perikles das Staatswesen leitete, und drei Meister - jeder von ausgeprägter Eigenart - ihre Werke schufen: Myron, Polyklet und Phidias, welche nach der Ueberlieferung Schüler des Ageladas von Argos waren.

Myron und seine Werke. Myron arbeitete hauptsächlich in Erz und deshalb sind seine eigenhändigen Werke auch verloren gegangen, wir kennen sie nur aus Abbildungen (auf Münzen und Gefäßen) und späteren Nachbildungen in Marmor (z. B. Diskoswerfer, Marsyas). Was hauptsächlich seine Kunst von der älteren unterscheidet, ist das "Leben" seiner Gestalten. Auch die äginetischen Meister hatten schon ihre Figuren in naturwahrer Bewegung darzustellen versucht; sie kamen jedoch über den bloßen äußerlichen Ausdruck derselben nicht hinaus; man könnte dies etwa so bezeichnen, daß sie nur toten Körpern die einer bestimmten Bewegung entsprechende Stellung gaben.

Der Fortschritt bei Myron zeigt sich darin, daß er die Veränderung der Muskellage in den verschiedenen Körperteilen berücksichtigt, welche bei der Bewegung eintritt. Wenn man von seinen Gestalten sagte: "sie atmen", so ist dies wirklich in dem Sinne zutreffend, daß die Rückwirkung der Atembewegung auf den gesamten Körper zum Ausdruck gelangt.

Damit steht im natürlichen Zusammenhang auch noch der weitere Vorzug, daß Myron jedem Körper seine eigene Einzelart verleiht, also nicht gleichmäßige Durchschnittsmenschen formt, was namentlich in der Durchbildung der Gesichter zur Geltung kommt. Die Zeitgenossen rühmten auch seine Kunst in der Darstellung von Tieren; eine eherne Kuh die in Athen aufgestellt war, wurde besonders gefeiert.

Polyklet. Neben Myron, der die athenische Richtung vertritt, erscheint Polyklet als jener Meister, welcher, an der strengeren Art der peloponnesischen Kunst festhaltend, diese zur reifsten Entwicklung brachte. Auch er schuf fast ausschließlich in Erz, und seine Werke

^[Abb.: Fig. 107. Wettkämpfer, die Siegerbinde umlegend.

Marmornachbildung. Athen.]