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Illustrierte Kunstgeschichte

Johannes Emmer, Deutsche Volksbibliothek A.-G., Berlin, ohne Jahr [1901]

Schlagworte auf dieser Seite: Die hellenische Kunst

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Die hellenische Kunst.

Geist des Zeitalters. Nicht zu vergessen ist auch, daß ein solcher Fortschritt auch nur in einer Zeit regsten geistigen Lebens stattfinden kann, und eine solche war für Athen das Zeitalter des Perikles, in welchem auch die griechische Dichtkunst zur vollsten Blüte gelangt war und die Wissenschaften nicht mindere Pflege fanden. Damals schuf Sophokles seine Dramen, in welchen er die sittliche Weltordnung darstellte und den Glauben an die Unsterblichkeit der Seele verkündete, damals schrieb Herodot seine Geschichte, und begründete Anaxagoras eine Weltanschauung, welche dem Stoff die geistige Kraft entgegensetzte.

Die religiösen Vorstellungen läutern sich; die erleuchteten Denker und Dichter vertreten die Einheit der Gottheit, Zeus erscheint als der wahre einzige Gott, der alles beherrscht und über die sittliche Weltordnung wacht. Anschauungen, welche später im Christentum zum vollendeten Ausdruck gelangten, treten schon bei den Griechen jener Zeit auf und bestimmen, wenn auch nicht die Masse des Volkes, doch wenigstens die führenden Geister.

Werke des Phidias. In der Kunst mußte dieser Zeitgeist natürlich auch seinen entsprechenden Ausdruck finden. Sie tritt wieder mehr in den Dienst der Religion, die geläutert ist, Phidias ist in erster Linie Götterbildner, und sein bei Zeitgenossen und Nachkommen berühmtestes Hauptwerk ist der Zeus von Olympia, aus Gold und Elfenbein gebildet. (Die Gold-Elfenbeinbildwerke, wie sie mehrfach für Tempel geschaffen wurden, bestanden aus einem inneren Holzkern, auf welchen das gebogene Elfenbein und Goldblech aufgelegt wurden. Die Holzmasse war von kleinen Röhren durchzogen, in welche Oel gegossen werden konnte, um den Einflüssen der Witterung zu begegnen. Die ganze Herstellungsweise - namentlich das Erweichen und Biegen des Elfenbeins - zeugt von der hohen Arbeitsfertigkeit der Griechen.)

^[Abb.: Fig. 111. Liegender Jüngling vom Ostgiebel des Parthenon.

London, British Museum. (Nach Photographie von Bruckmann.)]