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Illustrierte Kunstgeschichte

Johannes Emmer, Deutsche Volksbibliothek A.-G., Berlin, ohne Jahr [1901]

Schlagworte auf dieser Seite: Altchristliche Kunst

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Altchristliche Kunst.

Die wesentlichsten Verschiedenheiten bestehen in folgendem: Bei der alten Basilika standen die Säulen an allen vier Seiten entlang, die Nische befand sich unmittelbar in der rückseitigen Hallenwand, die Schiffe waren gleich hoch; das Ganze erschien demnach als ein einziger Raum mit gleichmäßiger Bedeckung, in welchem die Säulen mehr nur die Aufgabe des Schmuckes hatten. In der christlichen Basilika wurde dem Langhaus ein Querschiff vorgelegt, und letzteres enthielt die Nische, die Säulen standen nur an den beiden Langseiten und hatten die Bestimmung, die Mauern des Mittelschiffes zu tragen, welches um ein Stockwerk die Seitenschiffe überragte, die mit Pultdächern gedeckt waren. An der vorderen Eingangsseite wurde von dem Langhause auch noch eine Vorhalle abgetrennt. Diese kirchliche Basilika stellt sich daher nicht als ein einziger Raum dar, sondern als eine kunstvolle Verbindung von Räumen, die in einem inneren Zusammenhange stehen; die selbständigen Teile fügen sich zu einem einheitlichen Ganzen, das sonach lebendig gegliedert erscheint.

Der Unterschied ist bedeutend genug, um in der christlichen Basilika nicht blos eine Anpassung und Umgestaltung der alten Form, sondern eine Schöpfung von neuer Eigenart erkennen zu lassen, in welcher nur einige ältere Grundzüge verwertet sind.

Einzelteile der Basilika. Diese Neugestaltung war auch bewußt erfolgt, alle Einzelheiten der Anlage waren genau durch den Zweck bedingt. Die Vorhalle sollte den heiligen Raum von der Straße trennen, damit der Gläubige sich für den Eintritt vorbereite.

Das Langhaus war für die Gemeinde bestimmt, im Querschiff stand der Altar und hielt sich die niedere Priesterschaft auf, welche die Chorgesänge anstimmte, in der Mitte der Nische stand der Bischofsstuhl, hinter demselben im Halbkreis saß die höhere Geistlichkeit.

Das Langhaus war durch eine Wand von dem Querschiffe getrennt, welche einen mächtigen Bogen enthielt, durch welchen man auf das eigentliche Heiligtum, Altar und Nische sah; dadurch wurde der Blick auf diese Hauptsache gelenkt. Zu beiden Seiten dieses Bogens waren die Kanzeln (Ambonen) angebracht, von welchen herab Evangelien (von der linken) und Episteln (rechts vom Eingange her) dem Volke vorgelesen wurden. Licht empfing das Langhaus durch die Fenster des oberen Geschosses, während die gewöhnlich fensterlosen Seitenschiffe in Dämmerung gehüllt blieben.

Der vorderste Teil des Mittelschiffes war durch eine Schranke abgetrennt, und in diesem Raume (Narthex genannt, mit diesem Worte wurden auch schmale Kästchen bezeichnet) hielten sich die Katechumenen auf, d. h. jene, die noch nicht in die Gemeinschaft aufgenommen waren und nur der Verlesung des Evangeliums, nicht aber dem eigentlichen Meßopfer anwohnen durften.

Im Querschiffe befand sich meistens auch noch eine kleine Gruft (confessio), zu welcher man auf Treppen hinabstieg und in der die Gebeine des Heiligen ruhten, dessen Namen die Kirche trug.

Säulen und Bogen. Wie bereits bemerkt wurde, dienten die Säulen nicht blos zum Schmuck, sondern hatten die Last der Mittelschiffsmauern zu tragen. Um den Eindruck des Schwerfälligen und Gedrückten zu vermeiden, der bei Verwendung des geradlinigen Balkens (Architravs) unvermeidlich gewesen wäre, wurden die Säulen durch Halbkreisbogen - bisweilen auch mit flachen Stichbogen - miteinander verbunden, auf welchen die eigentliche Wand aufruhte. Ueberhaupt wurde der Rundbogen mit Vorliebe angewendet und dadurch eine gefällige Bewegtheit und Lebendigkeit erzielt.

Zu einer besonderen, der baulichen Eigenart entsprechenden Gestaltung der Säulenform gelangte die altchristliche Baukunst nicht, denn man verwendete zumeist die Säulen aus den vorhandenen alten

^[Abb.: Fig. 201. Grundriß von S. Clemente in Rom.

A, Vorhof. B, Hauptschiff. C, Raum für den Chor. D, Apsis.]