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Illustrierte Kunstgeschichte

Johannes Emmer, Deutsche Volksbibliothek A.-G., Berlin, ohne Jahr [1901]

Schlagworte auf dieser Seite: Germanische Kunst

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Germanische Kunst.

und es ist nun dessen Verlauf in den einzelnen Gebieten zu betrachten. Es sind da drei Hauptgruppen zu unterscheiden: die deutsche, die normannische und die südländische. Der romanische Stil als Ausdruck germanischen Geistes mußte natürlich dort am meisten sich entfalten, wo auch das germanische Volkstum unvermischt bestand; in Deutschland gelangte er daher zu seiner schönsten Blüte. Von Deutschland in dieser Beziehung abhängig erscheinen auch der skandinavische Norden und die Grenzländer im Osten und Südosten (Polen, Böhmen, Ungarn). In Nordfrankreich waren allerdings die germanischen Franken unter der keltisch-römischen Bevölkerung entdeutscht worden, doch blieb ihre Art ausschlaggebend und im 10. Jahrhundert erhielt das germanische Wesen eine neue kräftige Stärkung durch die Normannen (seit 911), welche bald die politische und geistige Führung übernahmen. Da sie (1066) auch England eroberten, so gelangte auch hier - wo ohnehin die Angelsachsen das alte Keltentum überwältigt hatten - die normannische Eigenart zur Herrschaft, deren Grundzug ein ausgeprägt germanischer ist, wenn auch die Normannen französische Sprache und Sitten angenommen hatten. Zu der normannischen Gruppe müssen aber außer Frankreich und England auch noch Sicilien und Unteritalien gerechnet werden, wo ein eigentümlicher Mischstil entstand.

Die Südländer: Italien, Südfrankreich und Spanien - soweit es in dieser Zeit nicht unter arabischer Herrschaft stand - waren, wie erwähnt, schon im 9. Jahrhundert vollständig verwälscht und hier trat der germanische Zug im Volkstum am wenigsten hervor. In diesem Gebiete blieb daher die Antike von nachhaltigem Einfluß auf die Gestaltung des romanischen Stiles.

Der romanische Stil in Deutschland. Deutschland war unter den Kaisern aus dem sächsischen Hause im 9. Jahrhundert die führende politische Macht in Europa geworden und die deutschen Stämme hatten sich zu einem Volke zusammengeschlossen, das - wenigstens nach Außen hin - einheitlich auftrat. Unter den ersten fränkischen Kaisern wurde die

^[Abb.: Fig. 256. Die Markuskirche zu Venedig.]