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Illustrierte Kunstgeschichte

Johannes Emmer, Deutsche Volksbibliothek A.-G., Berlin, ohne Jahr [1901]

Schlagworte auf dieser Seite: Die Malerei im 14. und 15. Jahrhundert

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Die Malerei im 14. und 15. Jahrhundert.

treue übertrieben, vernachlässigten sie das rein Malerische und verlernten es, auf den schönen Einklang der Farbenstimmung zu achten.

Brabant. - Rogier van der Weyden. Fast gleichzeitig mit den Eycks war auch in Brabant ein Meister aufgetreten, der für die Entwicklung der niederländischen Kunst von Bedeutung wurde.

Rogier van der Weyden aus Tournay (+ 1464) ist von ganz anderer Eigenart, als die Eycks. Er fußt noch auf den Ueberlieferungen der früheren Zeit, und entnimmt seine Formen der Steinbildnerei; das Hauptgewicht legt er auf die lebensvoll bewegte Handlung, auf das Erhabene und Eindrucksvolle; seine Farbengebung entbehrt der Wärme und wirkt mit den grauen Schatten geradezu erkältend. Man wird aus dem Gesagten ersehen, daß er so ziemlich im geraden Gegensatz zu den Eycks stand und noch weit entfernt von der wahrhaften Farbenkunst, dem rein Malerischen ist. Rogier könnte eigentlich als Vertreter der Malerei "gotischen Stiles" betrachtet werden, in dessen Geiste seine Werke empfunden und gebildet sind. In diesem Sinne hat er allerdings das Höchste erreicht, was innerhalb einer solchen Stilgebundenheit möglich war, und der neuen Richtung der Eycks gegenüber bringt er sicherlich die "alte Zeit" mit Ehren zur Geltung. (Fig. 396).

Memling. Er fand auch bedeutenden Anhang, wie zahlreiche Werke in seiner Art beweisen, deren Urheber man jedoch nicht kennt. Aus seiner Schule ging auch einer der trefflichsten Künstler hervor, welcher auf die niederländische Kunst befruchtend wirkte, indem er ihr einige Züge vermittelte, die bei Rogier ganz fehlten. Es war dies ein Deutscher, Hans Memling aus Mömlingen bei Aschaffenburg (+ 1495), der wahrscheinlich schon am Rhein sich vorgebildet hatte, ehe er nach Brüssel zu Rogier kam. Im ganzen nahm er, was Auffassung und Farbengebung anbelangt, die Malweise des Lehrers an, bekundete aber seine Selbständigkeit darin, daß er die Härte der Formen mildert, das Erhabene durch Sinnigkeit und Empfindung ersetzt und überhaupt die Züge des anmutig Schönen einführt. Das deutsche "Gemüt" kommt zum Durchbruch und verleiht seinen Werken einen ansprechenden Reiz. Sie nehmen in gewissem Sinne eine Mittelstellung zwischen den Rogierschen mit ihrer Wirklichkeitstreue und den Kölnischen mit ihrer Lieblichkeit ein; die Einbildungskraft spielt in höherem Maße mit, als bei Rogier. Die Zahl seiner Bilder ist beträchtlich,

^[Abb.: Fig. 393. Michael Pacher: Flügelaltar.

St. Wolfgang am Abersee.]