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Illustrierte Kunstgeschichte

Johannes Emmer, Deutsche Volksbibliothek A.-G., Berlin, ohne Jahr [1901]

Schlagworte auf dieser Seite: Die Zeit der "Renaissance"

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Die Zeit der "Renaissance".

Geister und andere Umstände eine gründlichere, eingehende Beschäftigung mit der Antike angeregt wurde. Indem sie die Formen derselben aufgriffen, hofften sie zu einem Stil zu gelangen, welcher sowohl den Bedürfnissen des Lebens, wie denen ihres Schönheitsgefühles zu entsprechen vermochte.

Es wäre ein Irrtum, zu glauben, daß nun sofort auch im Geiste der reinen Antike gebaut wurde, denn dieser war auch von den Humanisten keineswegs klar und richtig erfaßt worden. Zunächst sind es mehr nur Aeußerlichkeiten, eben die Formen, welche von den Künstlern aufgenommen werden. Für das Wesen des Ganzen, für die Grundanlage, war der Geist ihrer Zeit maßgebend, in dessen Sinne sie "erfanden", und nur für die Einzelheiten, die Bauteile, verwerteten sie die Vorbilder. Die Künstler wollten eben sich nicht durch strenge Regeln - wie sie der hochgotische Stil hatte - binden lassen, sondern im freien Schaffen ihre eigenen künstlerischen Anschauungen, ihre Persönlichkeit, zum Ausdruck bringen. Die Bauwerke der Renaissance lassen sich deshalb auch am besten im Zusammenhange mit ihren Urhebern schildern und ich schicke hier nur einige allgemeine Bemerkungen voraus.

Allgemeine Züge. Der leitende Grundsatz war, bei jeder Aufgabe die dem Zweck am besten entsprechende, also "schönste" Form zu finden. Dennoch weisen nicht nur die Werke der einzelnen Künstler - soweit diese selbstschaffende Geister waren - sondern auch die einzelnen Werke eines und desselben Meisters oft die größten Verschiedenheiten auf.

Es bestand nur ein Gesetz für Grundriß, Aufbau und Ausschmückung: alles sollte unter sich und zu dem Ganzen in schönem Verhältnis stehen, der reinste Einklang der Erscheinungen erreicht werden. Dieses Streben nach "Schönheit der Verhältnisse" ist das

^[Abb.: Fig. 447. Pietro Lombardo: Palazzo Vendramin-Calergi.

Venedig.]