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Illustrierte Kunstgeschichte

Johannes Emmer, Deutsche Volksbibliothek A.-G., Berlin, ohne Jahr [1901]

Schlagworte auf dieser Seite: Die Zeit der "Renaissance"

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Die Zeit der "Renaissance".

eine Fülle von Zierformen, welche zu den vorzüglichsten der Renaissancezeit gehörten. War hier das Spiel der Einbildungskraft und die köstliche Anmut bemerkenswert, so zeigt sich Vischers Kunst in der Darstellung des Persönlichen in dem Standbilde des Königs Arthur (Fig. 489), welches er im Auftrage des Kaisers Maximilian für die Hofkirche in Innsbruck ausführte.

Vischers Nachfolger. Peter Vischer hatte für die deutsche Bildnerei nicht nur die neue Richtung begründet, sondern in derselben auch das Höchste geleistet. Seine Kunstweise blieb nicht nur in Nürnberg maßgebend, wo seine fünf Söhne die Werkstatt in seinem Sinne, wenn auch nicht mit gleicher Kunstvollendung weiterführten, sondern war auch vorbildlich für andere Gegenden. Es ist jedoch ein erfreuliches Zeugnis für die innere Lebenskraft der deutschen Kunst, daß man von einer bloßen "Nachahmung" Vischers nicht sprechen kann, sondern nur von einer Aufnahme seiner künstlerischen Grundsätze, also der Abkehr von der einseitigen Wirklichkeitstreue. Die verschiedenen Meister in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts erscheinen meist von einer Unabhängigkeit und selbständigen Eigenart, die verdienstlich ist, wenn auch ihre Leistungen erheblich hinter den Werken des großen Meisters zurückbleiben.

Tilman Riemenschneider. Neben Kraft und Vischer ist jedoch noch ein dritter Meister für die Entwicklung der deutschen Bildnerei bemerkenswert: der Würzburger Tilman Riemenschneider (1460 bis 1531). Er arbeitete vorwiegend in Stein, doch sind auch verschiedene Holzschnitzereien von ihm vorhanden. Von Kraft unterscheidet er sich namentlich dadurch, daß er seinen Körpern schlanke Verhältnisse, und den Gesichtszügen einen Ausdruck von Wehmut giebt; die Köpfe, namentlich die weiblichen sind breit geformt, die Gewandung zeigt geradlinigen, oft rechtwinklig gebrochenen Faltenwurf. Die Schilderung lebendiger Bewegung gelingt ihm weniger gut. Die Gestalten in ruhiger Haltung sind dagegen vorzüglich. Bezeichnend ist seine Vorliebe für reich gelocktes Haar, mit dem er seine schönen jugendlichen Köpfe ausstattet. In der Wiedergabe des Anmutigen und in dichterischer Auffassung übertrifft er Kraft; wie er überhaupt auf strenge Wirklichkeitstreue weniger Bedacht nimmt und die Natur zu verklären sucht. Doch fehlt ihm noch die künstlerische Kraft Vischers, um das urbildlich Schöne voll zu erfassen, und so geraten

^[Abb.: Fig. 490. Riemenschneider: Adam und Eva.

Würzburg. Marienkapelle.]

^[Abb.: Fig. 491. Riemenschneider: Kreuzabnahme.

Heidingsfeld.]