Schnellsuche:

Illustrierte Kunstgeschichte

Johannes Emmer, Deutsche Volksbibliothek A.-G., Berlin, ohne Jahr [1901]

Schlagworte auf dieser Seite: Die Zeit der "Renaissance"

492

Die Zeit der "Renaissance".

bisweilen die Gestalten steif und die Stellungen sind gezwungen. In den Einzelheiten der Formgebung prägt sich aber sein starkes Schönheitsgefühl am besten aus, und die feinen Züge werden mit meisterhafter Fertigkeit herausgearbeitet.

Seine ansprechende Kunstweise läßt sich sehr deutlich an den Gestalten des ersten Menschenpaares an dem Hauptthore der Würzburger Frauenkirche erkennen, die zu den lieblichsten Gebilden der deutschen Bildnerei zählen. Adam wird als schöner Jüngling mit Lockenhaar gegeben, dessen Züge sehnsüchtige Wehmut ausdrücken; Eva mit lang herabwallendem Haar schamhaft und befangen, von holdseligem Reiz in dem länglichen Gesichte und der zierlichen Haltung (Fig. 490).

Bedeutend ist das Grabmal des Kaisers Heinrich II. im Dome zu Bamberg. Auf dem mit Flachbildwerken gezierten Sarge ruhen die Gestalten des Kaisers und seiner Gemahlin Kunigunde, deren persönliche Eigenart mit eindrucksvoller Kraft dargestellt wird.

Die Flachbildwerke schildern Vorgänge aus dem Leben des Paares mit der kindlichen Einfalt eines dichterischen Gemütes; die lieblichen Köpfe einzelner Figuren sind besonders anziehend. Die Ausarbeitung, wie bei allen Werken Riemenschneiders, ungemein sorgfältig und fein. Ein weiteres bemerkenswertes Werk ist die Kreuzabnahme in der Pfarrkirche zu Heidingsfeld (Fig. 491). Der Ausdruck des Schmerzes ist hier ergreifend wiedergegeben.

Weltliche Auffassung. Die deutsche Bildnerei war auch zu Beginn des 16. Jahrhunderts noch vorwiegend mit Arbeiten religiöser Natur beschäftigt, außer Altären und Standbildern für Kirchen kommen nur noch Grabdenkmäler in Betracht, die ja auch mehr zur kirchlichen als zur weltlichen Kunst zählen. In der Darstellung selbst aber zeigt sich schon mehr die weltliche Auffassung, die innige Frömmigkeit, wie wir sie in den Werken der romanischen und frühgotischen Zeit ausgedrückt sehen, ist bei den Meistern dieser Zeit nicht mehr im gleichen Maße zu finden. Das rein Menschliche in den Empfindungen wie in der äußerlichen Schönheit überwiegt, und darin zeigt sich der Geist der neuen Zeit oder der Renaissance vielleicht noch deutlicher als in der Formensprache

^[Abb.: Fig. 492. Grabdenkmal Kaiser Maximilians.

Innsbruck.]