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Illustrierte Kunstgeschichte

Johannes Emmer, Deutsche Volksbibliothek A.-G., Berlin, ohne Jahr [1901]

Schlagworte auf dieser Seite: Die Kunst des 17. und 18. Jahrhunderts

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Die Kunst des 17. und 18. Jahrhunderts.

schaffen, unabhängig von allen Ueberlieferungen und Regeln. Dabei verfiel er bei seinen ersten Werken auf allerlei Absonderlichkeiten, wie sie beispielsweise die Kirche San Gregorio in Messina zeigt, deren Turm ein mit einem spiralförmigen Wulst umzogener, mit eiförmigen Oeffnungen durchbrochener Kegel ist, ein Gebilde, wie es die Phantasie eines Zuckerbäckers ersinnen könnte. Später wird er allerdings etwas klarer und maßvoller, obwohl immer noch allerlei Wunderliches mit unterläuft. Am erfreulichsten sind noch seine Palastbauten, so der Palazzo Carignano in Turin (Fig. 595). Bei den Kirchenbauten sind schon die Grundrisse bemerkenswert, in welchen er die geraden Linien gänzlich zu vermeiden bestrebt ist. Ueberhaupt zeigt er eine Vorliebe für krumme und verschlungene Linien, selbst bei Gesimsen wendet er sie an, in der seltsamen Form eines gewellten Eierstabs. Guarini wollte mit seinen Kirchen den Eindruck des Geheimnisvollen, Uebersinnlichen und Unerfaßlichen hervorrufen, darum verwarf er alles Einfache und Faßliche, und bot einen verwirrenden Wust wunderlicher Formen. Die Absicht, Ueberraschendes und noch nie Dagewesenes zu schaffen, hat er allerdings erreicht, auch die Bewunderung seiner Zeitgenossen dadurch erlangt, unserem heutigen Empfinden nach erscheint er allerdings geschmacklos. Das muß ihm jedoch zuerkannt werden, daß er aus der Stimmung seiner Zeit heraus schuf und der schwärmerisch-frommen Richtung derselben in einer wirklich "neuen" Form Ausdruck gab. Ein Beispiel für seine Kirchenbauten ist die Grabkapelle S. Sudario in Turin, die sowohl durch ihre eigenartige Kuppel wie durch ihr Inneres bemerkenswert ist (Fig. 596).

^[Abb.: Fig. 602. Longhena: Palazzo Pesaro.

Venedig.]