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Illustrierte Kunstgeschichte

Johannes Emmer, Deutsche Volksbibliothek A.-G., Berlin, ohne Jahr [1901]

Schlagworte auf dieser Seite: Die Kunst des 17. und 18. Jahrhunderts

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Die Kunst des 17. und 18. Jahrhunderts.

brachte in die Darstellung derselben jenen Zug von frischer Unmittelbarkeit und Natürlichkeit, welche das Schauspielerische fast ganz vergessen läßt. Wohl sind die Vorgänge bühnenmäßig gestellt, aber er verlegt sie in natürliche Parklandschaften und bringt eine dichterische Stimmung hinein, welche das der Wirklichkeit und Lebenswahrheit Widersprechende doch zur Höhe der gedanklichen, traumhaften Wahrheit erhebt. Seine Bilder, welche damals die Welt entzückten, haben daher auch heute noch ihren anziehenden Reiz bewahrt, weil sie Farbendichtungen sind (Fig. 696). Die duftige Zartheit in der Farbengebung, welche Watteaus Gemälde auszeichnet, wurde auch von keinem seiner Nachfolger wieder erreicht, selbst nicht von Fragonard (1737-1806), der ihm sonst noch am nächsten kommt.

Claude Lorrain. Bei Watteau spielt das Landschaftliche beinahe eine ebenso große Rolle wie das Figürliche, und es ist beachtenswert, daß es weit naturtreuer aufgefaßt erscheint, als selbst bei den meisten damaligen Landschaftsmalern, welche in der Art Poussins aus einzelnen natürlichen Zügen "ideale" Gegenden zusammenstellten. Diese Schule leistete immerhin ganz Verdienstliches, wurde jedoch weit überholt von Claude Gellée, genannt Lorrain (1600-82), der in Rom seine Ausbildung genossen hatte, aber völlig unabhängig sowohl von den römischen Einflüssen wie von Poussin, seine eigenen Bahnen ging und zu dem bedeutendsten französischen Meister seines Faches sich entwickelte. Wohl giebt auch er die Natur nicht einfach wieder, sondern stellt seine Landschaften zusammen, aber er legt das Hauptgewicht auf Luft und Licht, und behandelt diese mit ebenso großer Klarheit wie Sicherheit in einer Weise, welche erst in der Neuzeit wieder erreicht wurde. Ein Grundton beherrscht das Ganze, dem sich alle Einzelfarben unterordnen, und dadurch bringt er die "Stimmung" zur wirkungsvollsten Geltung. In dieser genauen Beobachtung der Gesamtstimmung und in dem feinen Empfinden derselben, liegt seine Meisterschaft (Fig. 697).

Greuze. Was Claude Lorrain für die Landschaftsmalerei war, das bedeutete auf dem Felde des Sittenbildes Jean Baptiste Greuze (1725-1805). Er ist der Maler der in bürgerlichen und dörflichen Kreisen sich abspielenden Vorgänge von rührseliger Empfindsamkeit. Wenn Watteau die Herren und Damen der höfischen Gesellschaft in ländlicher Gewandung und in wohlgepflegten Parken schwärmen läßt, so versucht Greuze "Wirklichkeit" zu geben, was ihm allerdings nur gelingt, wenn er bürgerliche Leute schildert, während seine Dörfler auch wieder nur verkleidete Städter sind. Mit jenem, den Franzosen eigenen Sinn für packende Stoffe verband er das Geschick, den Gedanken recht verständlich hervorzuheben und die obenerwähnte Empfindsamkeit hineinzulegen. Seine Arbeiten hatten denn auch einen Riesenerfolg, es war ja auch etwas Neues, was er bot, und das "Publikum", der Götter und Helden, der hochtrabenden Geschichtsbilder und lüsternen Schildereien müde, war entzückt von den Darstellungen "natürlicher" Vorgänge, welche nach den damaligen Anschauungen von "packender Lebenswahrheit" waren. Letztere Eigenschaft wird man ihnen heute kaum zuerkennen, wie denn auch die Natürlichkeit immer den französischen Zug des Gemachten und Gezierten aufweist (Fig. 698). In malerischer Hinsicht stand Greuze tief unter Watteau, seinen Bildern fehlt der Einklang der Farben, die grell und trocken sind, auch vermißt man die Feinheit und Sorgfalt in der Durcharbeitung.

Pesne. Vigee-Le Brun. Die herrschende Richtung blieb aber doch jene Bouchers, die von der Akademie sozusagen amtlich beglaubigt war; Abweichungen von derselben, wie

^[Abb.: Fig. 700. Reynolds: Das Alter der Unschuld.

London. Nationalgalerie.]