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Kochschule und Ratgeber für Familie & Haus

Autorenkollektiv, Verlag von Th. Schröter, 1903-1905

Kochschule und Ratgeber für Familie & Haus

XIV. Band. Nr. 9

Erscheint wöchentlich. Abonnement jährlich Fr. 2.50, bei der Post bestellt 10 Cts. mehr; als Beilage zum »Schweiz. Familien-Wochenblatt" gratis. Inserate die kleine Zeile 25 Cts.

Verlag Th. Schröter, Obere Zäune 12, Zürich

1904. 27. Aug. Inhalt: Mehr frische Gemüse. - "Ich bitte um Arbeit!" - Der menschliche Körper in seiner Zusammensetzung. - Gesundheitspflege. - Wohnung. - Hausmittel und Rezepte. - Einmachkunst. - Kochrezepte. - Briefwechsel der Abonnenten unter sich. - Inserate.

Mehr frische Gemüse.

Die Bibel berichtet vom Hofe Nabuchodonosors, des prachtliebenden Königs von Babylon, daß Daniel und seine drei Freunde Ananias, Misael und Azarius auf ihre eigene Bitte nur "Gemüse zur Speise und Wasser zum Tranke" erhielten und doch ihre Gesichter vollkommener waren, als die der andern Knaben, die an des Königs Tafel speisten.

Dieser Bericht kam uns in der Jugend Tage ganz wunderbar vor, und doch begegnen wir der gleichen Erscheinung auch heute noch. Betrachten wir zum Erweis dessen einmal die mit Fleisch und Braten und den Erzeugnissen der Patisserie gesättigten Kinder der sog. bessern Stände mit den Kindern der Handwerker oder gar mit den rotwangigen, haselnußbraunen Gesichtern der Bauernkinder, die verhältnismäßig wenig Fleisch, dafür mehr Milch, reichlich Gemüse, Brot, frisches Wasser erhalten - die frische Luft nicht zu vergessen.

Gleichwohl gab es eine Zeit und sie liegt noch gar nicht so weit hinter uns, da betrachtete man Fleisch und Wein als das "non plus ultra" aller Nahrungsmittel. Die Gemüse sah man gleichsam nur als den Magen füllende Substanzen an, verbannte sie deshalb vom Krankentisch, reichte kranken, blutarmen und schwächlichen Personen Fleisch und wieder Fleisch und wunderte sich über den geringen Appetit und die noch geringere Besserung.

Nun kam eine gegenteilige Einrichtung. Die Vegetarianer wollten die Fleischnahrung und was mit ihr zusammenhängt, vom Küchenzettel streichen und nur vegetabilische Speisen gelten lassen.

Ich glaube, der goldene Mittelweg sei auch hier der beste und betrachte die Gemüse als gesunde Zuspeise zu Fleisch- oder Mehlgerichten. Ohne eine reichliche Gemüsebeigabe ist für die feine wie für die ländliche Küche kein hinreichend nährender und gesunder Mittagstisch möglich.

Selbstverständlich haben nicht alle Gemüse die gleiche Zusammensetzung und den gleichen Nährwert. Einige könnten Fleisch beinahe ersetzen, andere haben sehr wenig Eiweiß und bedürfen, um sättigen zu können, einer Fleisch- oder Käse- oder Eierbeigabe.

Bohnen, Linsen und Erbsen, also alle Hülsenfrüchte, sind sehr eiweißhaltig und kommen unter allen vegetabilischen Nahrungsmitteln dem Fleische am nächsten. Da klagt nun manche Hausfrau: "Ach, die gedörrten Hülsenfrüchte werden mir nicht weich, trotz langem Sieden blieben mir die letzten Erbsen so hart, daß man damit Riegelwände hätte einschießen können. Ich koche keine mehr."

Legt das geplagte Frauchen das nächstemal die Erbsen, Bohnen oder Linsen 12-24 Stunden vor dem Gebrauche in weiches kaltes (oder doch nur laues) Wasser ein, setzt sie am folgenden Tag mit dem kühlen Wasser gleich zum Feuer, unterhält eine gleichmäßige nur schwache Flamme, daß das Kochwasser nicht "strudelt", so wird sie in kürzester Zeit ein breiweiches Gemüse haben.

Grüne Hülsenfrüchte bedürfen dieser Vorbereitungen nicht. Sie werden wie andere frische Gemüse gedämpft oder abgekocht. Da sämtliche Hülsenfrüchte eiweißhaltig sind, bedürfen sie nicht so sehr der Fleisch-, sondern mehr der Fettzugabe. Man gibt sie deshalb gern mit Schweinefleisch, Hammelfleisch oder Speck zu Tische. Bohnen oder Erbsen mit Speck erschienen schon auf den Tischen der alten Römer; als vernünftige altbewährte Zusammenstellung erfreuen sie sich auch heute noch, landauf, landab großer Beliebtheit.

Alle grünen Gemüse sollten möglichst frisch aus dem Garten zum Verbrauche in die Küche kommen und nicht tagelang in Kellern und dumpfen Räumen liegen. Auf keinen Fall dürfen sie vergilbt und fleckig, die Wurzelgemüse nicht runzelig, schwammig und weich sein.

Alle frischen Gemüse werden zuerst sauber erlesen und gründlich gewaschen, ohne sie jedoch lange Zeit im Wasser liegen Zu lassen. Das oft stundenlange Einlegen von Spinat, Salat u.s.w. ist zu verwerfen, da das Wasser ihnen