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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Patras – Patricier

Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Patow'

organisation der Armee zu ermöglichen, die Grundsteuer durch. Am 13. März 1862 nahm er infolge des Antrags Hagens auf größere Specialisierung des Etats seine Entlassung. Im J. 1866 wurde er wieder ins Abgeordnetenhaus gewählt, wo er sich den Altliberalen anschloß. Am 19. Aug. 1866 wurde er Civiladministrator der von der preuß. Mainarmee besetzten Gebiete von Frankfurt, Oberhessen und Nassau, 1873–81 war er Oberpräsident der Provinz Sachsen. 1869 legte er sein Mandat als preuß. Abgeordneter nieder, vertrat aber 1871–73 den Wahlkreis Ückermünde-Usedom-Wollin im Reichstage. Er lebte zuletzt auf seinem Gute bei Kalau und starb 5. Jan. 1890 in Berlin.

Patras (oder Paträ), alte Stadt an der Nordküste des Peloponnes, an dem Golf von P. an einer Stelle gelegen, wo ein Hügelrücken bis ans Meer vorspringt und Gelegenheit zur Anlage einer Festung bot. Der Hafen ist nur eine offene Reede, aber durch seine Lage von hoher Bedeutung. P. ist die drittgrößte Stadt des Königreichs, Hauptstadt der Nomarchie Achaja und Elis, Sitz eines griech. Erzbischofs, Appellationsgerichts, deutschen und österr.-ungar. Konsulats, ist modern gebaut, hat (1889) 33529, als Gemeinde 44970 E., Kirche des heil. Andreas, schönes Postgebäude, Theater, Gymnasium und Baureste aus altgriech. und röm. Zeit. Ausgeführt werden Korinthen (1895: 134800t), namentlich nach England, Wein, z.B. von der deutschen Aktiengesellschaft Achaia, die hier große Kellereien besitzt (3390 hl), ferner Öle, Wallonen (Knoppern) und Felle (350000 Lamm-, 100000 Ziegenfelle). Eingeführt werden vor allem aus England und Österreich Baumwoll- und Wollgewebe, Garne, Litzen, Getreide, Mehl, Kolonialwaren, Droguen und Metalle. Man fabriziert Seife und Branntwein. Eisenbahn (zwei Bahnhöfe) führt nach Pyrgos und nach Korinth. P. ist Station des Österreichischen Lloyd. Die Mediterranean and New York Steamship Company Limited unterhält den direkten Verkehr zwischen P. und Neuyork.

P. war eine der 12 selbständigen Städte der Landschaft Achaia, wurde durch Augustus zur röm. Kolonie unter dem Namen Colonia Augusta Aroë Petrensis gemacht und mit ausgedehntem Gebiet beschenkt. Während des spätern Mittelalters schwang sich P. mit allmählicher Verdrängung Korinths zur geistlichen Metropole und zur ersten Handelsstadt des Peloponnes auf. Vor dem griech. Aufstande zählte es über 22000 E.; in demselben Gegenstand hartnäckiger Kämpfe, wurde es 15. April 1821 von den Türken in einen Schutthaufen verwandelt. Seitdem hat die Stadt sich schnell gehoben.

Patres (lat.), Väter, s. Pater und Patricier; P. ecclesiastĭci, Kirchenväter; P. apostolĭci, Apostolische Väter; P. conscripti, s. Senat.

Patrĭa (lat.), Vaterland.

Patrĭa potestas (lat.), Väterliche Gewalt (s.d., Eltern und Hauskind).

Patriarchāden, Bezeichnung der im Wetteifer mit den ersten Gesängen des Klopstockschen «Messias» entstandenen zahlreichen epischen Gedichte aus der alttestamentlichen Patriarchengeschichte. Eine rege Thätigkeit in dieser Richtung entwickelte J. J. Bodmer, dessen Dichtungen «Noah» (Berl. 1750; Zür. 1752), «Jakob und Joseph» (Zür. 1751), «Jakob und Rahel» (ebd. 1752) u.a. hierher gehören.

Patriarchāt, die Würde eines Patriarchen (s. d.); auch die Zugehörigkeit zur väterlichen Familie im Gegensatz zu Matriarchat, s. Mensch. ↔

Patriarchen (grch.), Erzväter, in der biblischen Sage die Familienhäupter des Urgeschlechts vor der Sintflut und die drei Stammväter des israel. Volks: Abraham, Isaak und Jakob. Der Ausdruck patriarchalisch erinnert daher an das Zeitalter der Urväter des Menschengeschlechts, an die Unschuld und Einfachheit ihrer Sitten, an die Würde und das Ansehen ihres Alters und an die Milde ihrer hausväterlichen Familienregierung. Später wurde Patriarch ein Ehrentitel der Oberhäupter oder Vorsteher des Synedriums, unter denen sich die nach der Zerstörung Jerusalems in Syrien und Persien lebenden Juden vereinigten. Das jüd. Patriarchat zu Tiberias in Galiläa bestand für die westlich wohnenden Juden bis 415, das zu Babylon für die östlichen in der Zerstreuung bis 1038. Von den Juden ging der Titel Patriarch in die christliche Kirche über, anfangs als Ehrenname für alle Bischöfe, seit dem 5. Jahrh. ausschließlich für Metropoliten und zuletzt vorzugsweise für die Bischöfe von Rom, Konstantinopel, Alexandria, Antiochia und Jerusalem. Diese hatten das Recht der Weihe und Beaufsichtigung der Metropoliten und Bischöfe ihrer Sprengel und bildeten die höchste Appellationsinstanz in allen kirchlichen Angelegenheiten ihrer Diöcesen. Ohne ihre Zustimmung durften auf den Synoden keine die ganze Kirche betreffenden Beschlüsse gefaßt werden. Als darauf das röm. Patriarchat zu einem Oberpriestertum über den ganzen Occident heranwuchs, behielten die vier Häupter der orient. Kirche diesen Titel bei, verloren aber durch die Eroberungen der Sarazenen den größten Teil ihres Einflusses. In der röm. Kirche führen die Erzbischöfe von Venedig und Lissabon (bis 1751 auch der von Aquileja) den Patriarchentitel; außerdem pflegt der Papst auch für die vier alten morgenländ. Patriarchate P. in partibus intidelium zu ernennen. Die Kirchen der Armenier, Messinier, Jakobiten und Maroniten stehen unter eigenen P. Über die griech. Christen im türk. Reich behauptet der Patriarch von Konstantinopel den Primat. Er führt den Titel eines ökumenischen P., hat den Rang eines Pascha von drei Roßschweifen und wird vom Sultan eingesetzt. Das im 16. Jahrh. entstandene Patriarchat über die russ. Kirche zu Moskau wurde von Peter d. Gr. 1721 abgeschafft und in die patriarchalische oder heilige Synode verwandelt, deren Oberhaupt der Kaiser ist.

Patriarchenkreuz, s. Kreuz.

Patricĭer heißen nach der herrschenden Auffassung Th. Mommsens («Röm. Forschungen», Bd. 1, Berl. 1864) für die Zeit der ersten röm. Könige sämtliche freigeborene wirkliche Bürger Roms, die im Gegensatz zu den schutzpflichtigen Klienten die Vollbürger, das Volk, den Populus, bilden und nach ihrer Herkunft in drei Tribus, innerhalb dieser aber in Kurien zerfallen, denen wieder die einzelnen Geschlechter, Gentes, zugeteilt sind. Nach anderer Meinung sind die P. nur die die 100 Gentes vertretenden 100 Senatoren des Romulus und deren Nachkommen und nur ein Teil der Vollbürgerschaft. Jedenfalls hängt der Name mit patres (Väter) zusammen, das hier aber wohl nicht in dem Sinne von Familienvorständen (patres familias), sondern eben in dem Sinne von Senatoren («Alten») gefaßt werden muß. Der Titel patres geht von den patricischen Senatoren später auch auf sämtliche Senatsmitglieder über. Das patricische Volk versammelte sich in den Comitia curiata (s. Komitien), hatte

Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 958.