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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Prorogation - Proskowetz.

Prorogation (lat., "Ausdehnung"), im alten Rom Verlängerung des Imperiums über die gesetzliche und ursprünglich bestimmte Zeit hinaus, welche durch ein Senatskonsult oder Plebiszit erfolgte; jetzt überhaupt die Verschiebung einer Handlung, besonders gerichtlicher Verhandlungen, die Ausdehnung einer Parlamentssitzung u. dgl. P. der Gerichtsbarkeit (forum prorogatum) findet statt, wenn sich jemand einer Gerichtsbarkeit unterwirft, welcher er an und für sich nicht unterworfen ist.

Prosa (v. lat. prorsa, sc. oratio, "geradeaus gehende Redeweise") steht als Form sprachlichen Ausdrucks sowohl der Poesie als der schönen Redekunst gegenüber. Wie jene die sprachlich schöne Darstellung eines schönen, diese eine solche eines wahren oder doch für wahr angegebenen Gedankengehalts, so ist die P. die schmucklose, aber korrekte und angemessene sprachliche Darstellung wahren oder doch für wahr gehaltenen Gedankengehalts. Dieselbe ist daher der entsprechendste Ausdruck für die Gedanken und Ideen, bei denen es hauptsächlich auf logische Deutlichkeit und Kürze ankommt, während die poetische Diktion vornehmlich Schönheit erstrebt. Jene erscheint in Hinsicht auf die Ordnung ihrer sprachlichen Teile freier, wird daher auch als ungebundene Rede (oratio soluta) bezeichnet; diese ist hinsichtlich ihrer sprachlichen Glieder regelmäßig durch rhythmische und metrische Gesetze gebunden. Weil die P. den nüchternen Zwecken der praktischen Alltäglichkeit zumeist dient und der Schönheit nur ausnahmsweise nachstrebt, hat sich mit dem Wort prosaisch der Begriff des Nüchternen, Kunstabgeneigten verbunden. Wenn man von poetischer P. spricht, so ist damit regelmäßig die verwerfliche Eigenschaft einer stilistischen Darstellung gemeint, welche in Gebiete des sprachlichen Ausdrucks, die naturgemäß schlichte, verständige und nüchterne Gedankendarlegung erheischen, Formen hereinträgt, die sich nur für den gehobenen Ausdruck der Poesie eignen. Die Forderungen, welche man an eine gute P. stellt, ergeben sich aus den Zwecken derselben. Sie muß vor allem grammatisch vollkommen sein, d. h. der Sprachausdruck muß nach den Regeln der Grammatik richtig, genau und rein sein, während die poetische Darstellung zuweilen die grammatischen Gesetze hintanstellen darf (poetische Lizenzen). Die P. soll ferner die auszusprechenden Gedanken überall in möglichst logischer Ordnung, Klarheit und Deutlichkeit vortragen. Je nach ihren besondern Aufgaben wird auch Feinheit und Anmut (urbanitas), Lebendigkeit und charakteristische Treue, Würde und Innigkeit der Diktion von ihr erheischt. Man unterscheidet zwei Hauptarten von P.: die erzählende P., wohin Geschichtschreibung, der Roman mit der Erzählung und Novelle sowie die Beschreibung und Schilderung oder Charakteristik etc. gehören, und die lehrende P., welche wieder in abhandelnde P. (Abhandlungen, Lehrbücher, Dialoge, Briefe) und rednerische P. (mit den verschiedenen Arten von Reden: politischen, gerichtlichen, Lob-, Schul-, geistlichen Reden etc.) zerfällt. Vgl. Wackernagel, Poetik, Rhetorik und Stilistik (2. Aufl., Halle 1888). - In der Musik ist P. s. v. w. Sequenz (s. d.).

Prosaiker, Schriftsteller in Prosa.

Pro saldo (ital.), fälschlich für Per saldo (s. d.).

Proscenium (lat.), s. Theater.

Prosecco, Dorf im österreichisch-illyr. Küstenland, zum Gebiet von Triest gehörig, 7½ km von Triest, am Abhang der felsigen Meeresküste gelegen, mit (1880) 1179 Einw., welche Wein- und Olivenbau treiben. Der hiernach benannte P.-Wein war schon im Altertum hochgeschätzt (vinum Pucinum).

Prosektor (lat., "Vorschneider, Zergliederer"), in anatomischen Lehranstalten der dem Lehrer beigegebene Gehilfe, welcher die Leichen zur Demonstration vorzubereiten und die anatomischen Präparate für den Unterricht oder zur Bereicherung des anatomischen Museums der Anstalt anzufertigen hat. In größern Krankenanstalten ist P. der pathologische Anatom, welcher mit der Untersuchung der Leichen zum Zweck der Prüfung der Diagnose und der angewandten Heilmittel betraut ist.

Proselyt (griech., "Fremdling, Ankömmling"), jeder von irgend einer Partei, namentlich einer Religion, zu einer andern Übergehende. Bei den Juden unterschied man die sogen. Proselyten des Thors und die Proselyten der Gerechtigkeit. Erstere, welche im Neuen Testament Judengenossen heißen, waren ehemalige Heiden, die jetzt den Einen Gott Israels verehrten, ohne sich zu der Beobachtung der Beschneidung und des ganzen mosaischen Gesetzes zu verpflichten. Sie hatten ihren Namen davon, daß sie nur in den Vorhof des Tempels zugelassen wurden und an der Pforte standen. Die Proselyten der Gerechtigkeit hatten dagegen den Judaismus völlig angenommen und, wenigstens in der neutestamentlichen Zeit, nach der Beschneidung die sogen. Proselytentaufe erhalten. Solche Proselyten genossen dieselben Rechte wie die gebornen Juden. Proselytenmacherei heißt jetzt das zudringliche Bestreben, Bekenner einer andern Religion in die eigne herüberzuziehen.

Prosemination (lat.), Fortpflanzung durch Samen.

Prosenchym (griech., Fasergewebe), eine Form des Pflanzenzellgewebes, s. Zellgewebe.

Prosenchymscheide, in der Pflanzenanatomie eine aus längsgestreckten, faserartigen Zellen gebildete Schicht, die den Gefäßbündelkreis oder einzelne Gefäßbündel scheidenartig umgibt.

Prosenthese (griech.), in der Blattstellungslehre von Schimper und Braun (s. Blatt) bei quirlig angeordneten Blatt- oder Blütengliedern der Zusatz, den man bei kontinuierlich gedachter Blattspirale zu dem Übergangsschritt vom letzten Blatt des untern Quirls zum ersten Blatt des nächst höhern Quirls hinzuzufügen hat, und der immer gleich einem Bruchteil der Divergenz, gewöhnlich deren Hälfte, ist, welche dem nächst höhern Quirl zu Grunde liegt.

Proserpina, Göttin, s. Persephone.

Prosimii (lat.), Halbaffen.

Prosit (lat., vulgär Prost), wohl bekomm's!

Proskau, Flecken im preuß. Regierungsbezirk und Kreis Oppeln, 173 m ü. M., hat eine neue evangelische und eine kath. Kirche, ein kath. Schullehrerseminar, ein pomologisches Institut, eine Forstschule, eine Oberförsterei, eine Provinzialbaumschule, Molkerei, Fabrikation landwirtschaftlicher Maschinen, Bierbrauerei, Branntweinbrennerei, Bienenzucht, Hopfen- und Flachsbau und (1885) 2268 Einw.

Proskowetz, Emanuel, Ritter von Proskow und Marstorff, Landwirt, geb. 11. Dez. 1818 zu Prag, erlernte nach Absolvierung der philosophischen Studien die Landwirtschaft unter der Leitung F. v. Horskys, war 1847 und 1848 Burggraf auf der Domäne Ellischau des Grafen v. Taaffe, errichtete 1849 zu Kwassitz in Mähren eine große Rübenzuckerfabrik und übernahm den Betrieb der mit derselben verbundenen Ökonomie, welche er in wenigen Jahren zu einer der hervorragendsten Wirtschaften der Monarchie, zugleich zu einer Pflanzschule für die Heranbildung junger Landwirte gestaltete. Ein eifriger Jün-^[folgende Seite]