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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Bagauden; Bagdâd

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Bagauden - Bagdâd.

jenigen Prozeßsachen, welche in erster Instanz nicht vor die Kollegien der Landgerichte, sondern vor die Amtsgerichte (Einzelrichter) gehören, also namentlich für die vermögensrechtlichen Ansprüche bis zu dem Betrag von 300 Mk.

Bagauden, gallische Bauern, die unter dem Kaiser Diokletian infolge der Bedrückungen römischer Statthalter sich empörten, mehrere Städte eroberten und vom Cäsar Maximian nur mühsam besiegt, aber nicht gänzlich unterdrückt wurden. Sie tauchten später an verschiedenen Orten wieder auf; unter Theodosius verbreitete sich der Aufstand sogar über die Alpen, und noch im 5. Jahrh. kommen Spuren davon vor.

Bagdâd, Hauptstadt des gleichnamigen asiatisch-türk. Wilajets, unter 33° 20' nördl. Br. zu beiden Seiten des Tigris gelegen, die weltberühmte Kalifenstadt, einst die Metropole der mohammedanischen Herrschaft, die einzige noch übriggebliebene der großen Städte dieses Landes. Der neuere und größere Teil derselben liegt am östlichen Ufer des Tigris und ist mit den Ruinen des alten B. an der Westseite des Flusses durch eine 200 m lange Schiffbrücke verbunden. Vom Fluß aus gewährt B. noch heute einen großartigen Anblick; allein die Täuschung verliert sich, sobald man das Innere der Stadt betritt. Sie hat einen Umfang von etwa 14 km und ist von einer 13 m hohen, zum Teil verfallenen, von halbkreisförmigen Türmen überragten Ziegelmauer und einem tiefen, trocknen Graben umgeben. Gegen den Tigris hin liegt die nicht sehr umfangreiche Citadelle. Die Bauwerke der Kalifen sind meist verschwunden, nur einzelne Moscheen sowie die Türme und die drei Thore erinnern noch an die einstige Größe der Stadt. Üppige Dattelpflanzungen und Gärten erscheinen zwischen den mit bunten Ziegeln gedeckten Kuppeln und schlanken Minarets der Moscheen. Die Häuser sind um einen Hof herum, mit Hallen gegen denselben, fast durchgängig aus kleinen Lehmziegeln erbaut, die Straßen, wie in allen Städten des Orients, eng, krumm und ungepflastert, zu beiden Seiten kahle Wände darbietend, mit schmalen Thoren und spärlichen, vergitterten Fenstern. B. besaß einst eine unglaubliche Menge Moscheen, Kapellen und Bethäuser, viele moslemische Klöster (Tekkie), besonders vom Derwischorden, sowie zahlreiche berühmte Koranschulen (Medressen). Letztere sind nur noch dem Namen nach vorhanden; von den Klöstern bestehen noch zwei, und auch von den Moscheen liegen die meisten längst in Trümmern. Unter den (30) noch vorhandenen verdienen die Dschamah el Suk el Gazel als die älteste und die Dschamah el Merdschamiah mit Resten von altem Arabeskenwerk Erwähnung. Chane (Karawanseraien) besitzt B. gegen 30, die jedoch hinsichtlich ihrer Bauart denen in Diarbekr und Orfa nachstehen. Die berühmten Bazare Bagdâds bilden lange, ziemlich breite, mit gewölbtem Mauerwerk gedeckte Gänge und enthalten einen großen Reichtum an orientalischen Waren (s. unten). Die öffentlichen Bäder (mehr als 50), einst aufs beste eingerichtet, sind gegenwärtig weniger gut als in andern Städten Mesopotamiens. Reich ist B. an Grabstätten berühmter und heiliger Personen, die es von alters her zu einem vielbesuchten Wallfahrtsort gemacht haben. Vom alten Palast der Kalifen ist keine Spur mehr vorhanden; aber noch wölbt sich malerisch der Dom des Grabmals der Zobeide, der Gemahlin Harun al Raschids, ein einzelner Rest aus der alten glorreichen Zeit. Die Zahl der Einwohner Bagdâds betrug um 1650 nur an 15,000, dagegen in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts an 100,000. Durch eine furchtbare Pest 1773 verlor die Stadt an 60,000 Menschen, hob sich darauf wieder bis auf 150,000 Einw., bis sie 1831 von neuem durch eine schreckliche Pest heimgesucht ward, welche, verbunden mit Hungersnot und einer Überschwemmung des Tigris, die Einwohnerzahl wieder auf weniger als ein Drittel herabbrachte. Gegenwärtig wird dieselbe auf 50-80,000 geschätzt. Unter den Mohammedanern sind die Schiiten zahlreich vertreten; neben ihnen finden sich viele Juden, zu den reichsten Kauf- und Geschäftsleuten gehörend (etwa 1300 Familien mit drei Synagogen), Christen (Armenier, Jakobiten, Nestorianer, Griechen, etwa 300 Familien), Perser und einige Inder. Das Klima von B. ist im Sommer sehr heiß, aber gesund, und ansteckende Krankheiten sind trotz des zuweilen verheerenden Auftretens der Pest im allgemeinen selten. Die Umgegend liefert Reis, Gerste, Weizen und Datteln als Hauptnahrungsmittel, ferner Granaten, Zitronen, Orangen, süße Limonen, Aprikosen, Pflaumen und Maulbeeren; minder gut gedeihen Feigen und Trauben. In frühern Zeiten war die Industrie Bagdâds sehr bedeutend: sie lieferte aus Gold und Seide gewebte Prachtstoffe, gemusterten Samt und Damast, gedruckte Baumwollzeuge, Teppiche, bunte Maroquins; gegenwärtig verfertigt man für den auswärtigen Handel nur noch grobe Baumwollzeuge für die Beduinen und seidene Umschlagtücher. Dagegen behauptet B. als Handelsplatz immer noch eine große Bedeutung, wiewohl sich dieselbe während der letzten Jahrzehnte beträchtlich vermindert hat. Die Bazare und Chane der Stadt enthalten eine reiche Auswahl an Waren, insbesondere auch persische Shawls und Teppiche, indische Stoffe von Seide und Baumwolle und europäische Manufakturwaren (gestreifte Kattune, Garne, Waffen, besonders Doppelflinten und lange Flintenläufe, Kupfer- und Tuchwaren). Die große Anzahl von persischen Pilgern, die jährlich nach den unfern B. liegenden Wallfahrtsorten Kerbela und Meschhed Ali sowie nach Mekka ziehen, machen daselbst starke Ankäufe. Die wichtigsten Exportartikel bilden Wolle (meist über Aleppo und Marseille), Reis, Getreide, Datteln und Pferde (nach Indien), Büffelhäute, Maroquins, Seidenstoffe, Feuerwaffen (nach Kleinasien) etc. B. hat ein englisches, ein französisches, ein persisches und ein russisches Konsulat und ist Hauptstation des englisch-indischen Telegraphen. Von B. nach Basra gehen Handelsdampfer, welche dort an die Dampferlinie zwischen dieser Stadt, Karatschi und Bombay Anschluß haben.

B. wurde 762-766 von Almansor, dem zweiten abbassidischen Kalifen, als Residenz erbaut. Harun al Raschid erweiterte die anfangs auf das westliche Tigrisufer beschränkte Stadt und verband beide Stadtteile durch eine Schiffbrücke. Auch als Sitz höchster Bildung und Gelehrsamkeit war das glänzende und reiche B. bald berühmt. Der Kalif Al Mostanser stiftete eine reich ausgestattete Akademie, namentlich für Heilkunde, Alchimie und Apothekerkunst, die das Muster aller islamitischen Akademien ward. Zur Zeit seines Glanzes (10. und 11. Jahrh.) soll B. 12,000 Mühlen, 12,000 Karawanseraien, 100,000 Moscheen, 60,000 Bäder und 80,000 Bazare und 2 Mill. Einw. gehabt haben. 1258 wurde mit dem Kalifat auch B. durch den Mongolenfürsten Hulagu, Dschengischans Enkel, zerstört. Zwar blühte es wieder auf, wurde aber 1401 von Timur erstürmt und von neuem völlig verwüstet. Außer den Imamen, Richtern und Professoren wurde niemand verschont; aus den gefallenen 90,000 Köpfen wurden vor den Thoren Schädeltürme als Trophäen errichtet. Später kam B. in die Gewalt