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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: China

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China (Rechtspflege, Finanzwesen, Heer und Flotte).

Um Geständnisse zu erlangen, werden die unglaublichsten Torturen angewendet, und die Behandlung der Gefangenen, die man wie wilde Tiere einsperrt, ist unmenschlich. 10-100 Hiebe mit dem Bambus, Transportation, ewige Verbannung in ferne Provinzen, harte Sklavenarbeit und Tod sind die gesetzlichen Strafen. Enthauptung ist die gewöhnliche Art der Hinrichtung, nur auf Elternmord steht das Lingtschi, d. h. die Strafe, bei lebendigem Leib in Stücke geschnitten zu werden, welcher Qual jedoch in der Praxis durch die Verwandten des Verbrechers durch einen vom Henker erkauften Gnadenstoß vorgebeugt wird. Nach dem Urteil Sachkundiger sterben die Beschuldigten erst an den Folgen der Tortur und der Haft. Mit der Kriminalgesetzgebung befaßte sich die Regierung schon sehr früh, eine Zivilgesetzgebung fehlte dagegen in alter und neuer Zeit. Was die Jurisdiktion über die Unterthanen fremder Staaten betrifft, so gilt hier, wie in andern halbzivilisierten Ländern, für den durch Vertrag geschützten Fremden das Recht der Exterritorialität, d. h. die Gerichtsbarkeit steht für jeden bei dem Repräsentanten seiner Nation, dem Konsul, nicht bei den Gerichten des Landes. Der Konsul entscheidet über Kriminalfälle wie über zivilrechtliche Streitigkeiten nach den Gesetzen seines Landes.

Die Einnahme der Staatsregierung fließt aus einer Land- und Reissteuer, welche direkt den Grundbesitz treffen, aus dem Salzmonopol, aus einer Stempeltaxe, einer Umschreibegebühr von 8 Proz. des Verkaufspreises und aus den Grenz- und Binnenzöllen. Nach den allein für 1875 vorliegenden Daten betrugen dieselben 79,5 Mill. Haikuan Tael, davon:

^[Liste]

Grundsteuer 18 Mill.

Likinzölle 20 -

Zölle unter Verwaltung des Auslandes 12 -

Zölle unter Verwaltung der Chinesen 3 -

Salz 5 Mill.

Verkauf der Rangklassen 7 -

Grundsteuer in Produkten 13,1 -

Verschiedenes 1,4 -

Unter Likinzöllen versteht man die Abgaben auf den Transport aller Waren im Innern des Landes, insofern sie nicht durch Entrichtung des vom fremden Zolldienst erhobenen Transitzolles bereits von weiterer Besteuerung befreit sind. Diese Zölle waren von Haus aus nur zur Deckung außerordentlicher Bedürfnisse während des Kriegs gegen die Taiping-Rebellen eingeführt, sind aber nach Herstellung des Friedens bis heute beibehalten worden.

Die Höhe der innern Schuld ist nicht bekannt; größere Staatsanleihen wurden seit 1874 in Europa gegen Verpfändung der Zölle kontrahiert. Die lokalen Steuern und Taxen fließen zum größten Teil in die Provinzialkassen und dienen nicht dazu, die Macht der Zentralregierung in Peking zu verstärken. Desto wichtiger ist daher für die letztere das 1854 geschaffene Inspektorat der Seezölle, dessen Vorstände in jedem Ort Europäer sind. Ursprünglich ins Leben gerufen während der Taiping-Rebellion, als die kaiserlichen Autoritäten sich in Schanghai nicht halten konnten und eine von den auswärtigen Mächten eingesetzte Kommission von Fremden die Zölle für die Regierung provisorisch einnahm, dann aber aufrecht erhalten, um den Eingang der Zolleinnahmen zu überwachen, welche der Bezahlung der Kriegsschuld an die Westmächte als Sicherheit dienen sollten, wurde dieses in Schanghai domizilierende Institut von der Regierung beibehalten, beträchtlich erweitert und einem fremden Generalinspektor, der in Peking residiert, unterstellt. Die Organisation ist das Verdienst des Sir R. Hart, frühern Generalinspektors der Zölle, jetzigen britischen Gesandten in Peking. Unter dem Generalinspektor stehen 19 Inspektorate mit Europäern als Beamten an der Spitze, Engländern, Amerikanern, Franzosen, Russen und Deutschen. Der Gehalt derselben beträgt von 200 bis 3000 Pfd. Sterl. im Jahr; jeder der Oberbeamten ist berechtigt, nach je sieben Jahren um zweijährigen Urlaub einzukommen, und erhält für je sieben Dienstjahre einen Jahresgehalt an Stelle der Pension. Die Zolleinnahmen, bestehend in Einfuhr- und Ausfuhrzöllen, Küstenhandelszöllen, Tonnengebühren und Transitzöllen, stiegen von rund 379,000 Haikuan Tael im Jahr 1858 auf 14,685,162 Haikuan Tael in 1881 und betrugen 1883: 13,286,757 Haikuan Tael.

Das Militärwesen Chinas ist noch sehr mangelhaft beschaffen, soviel auch daran seit 1854 gebessert wird. Der Krieg galt den Chinesen von jeher als ein Unglück und eine Schmach für die Menschheit. Der Soldatenstand genoß nur geringes Ansehen; erst der Zusammenstoß mit den Westmächten zeigte ihnen die Notwendigkeit einer bessern Organisation und Bewaffnung. Nach der bis vor kurzem geltenden Organisation bestand die Armee aus der kaiserlichen Garde, welche nur die Residenzen zu schützen und die kaiserliche Familie auf ihren Reisen zu eskortieren hatte, aus 24 Bannern, welche in den großen Städten in besondern Quartieren wohnten und im Frieden den Polizeidienst versahen, und aus einer Provinzialarmee oder Armee der grünen Fahnen, welche alle neuern Kriege Chinas geführt hat. Die Bewaffnung bestand aus Bogen, Speeren, Hellebarden, zum Teil aus Luntenflinten. Auf dem Papier stand eine Armee von 800,000 Chinesen und 271,000 Mandschu, davon 270,000 Mann in europäischer Weise organisiert; doch war die Armee nur zur Hälfte komplett. Als wegen der Kuldschafrage Krieg mit Rußland auszubrechen drohte, wurde behufs Reorganisation des Heers ein neuer Plan aufgestellt, wonach fünf Armeen geschaffen werden sollten, eine der Mandschurei, 30,000 Mann stark, mit dem Hauptquartier Mukden, eine zweite der Mongolei, 20,000 Mann, mit dem Hauptquartier Kalang, eine dritte von Turkistan, 40,000 Mann stark, eine vierte, 100,000 Mann, zur Verteidigung Pekings und zur Aufrechthaltung der Ordnung im Innern, und eine fünfte, ebenso stark, zur Sicherung der Küstenprovinzen. Nach diesem Plan sollen die Truppen nicht mehr ansässig sein und eine regelmäßige taktische Einteilung erhalten, welcher als Einheit die Lianpa (Kompanie) von 250 Mann für die Infanterie und 150 Mann für die Kavallerie zu Grunde liegt. Die Totalstärke der Armee beträgt im Frieden 300,000, im Krieg 1 Mill. Mann. Der Flotte hat man in neuester Zeit besondere Aufmerksamkeit zugewandt und in Europa eine Anzahl sehr leistungsfähiger Fahrzeuge bauen lassen; 1880 bestand die Kriegsmarine aus 52 Dampfern mit 283 Geschützen und 5860 Mann. Von diesen gingen im Krieg mit Frankreich einige von chinesischen Offizieren kommandierte Schiffe bei Futschou verloren, während der bessere Teil der Flotte, von Offizieren deutscher Nationalität kommandiert, zum Schutz der nördlichen Küsten verwandt wurde und nicht zum Gefecht kam, und 1885 konnten drei in Deutschland erbaute und bis dahin zurückgehaltene Schiffe nach C. abgehen. Die Flotte bildet drei Geschwader, von Kanton, von Futschou und von Schanghai. Die gelbe Flagge bildet ein Dreieck und zeigt einen grünen Drachen (s. Tafel "Flaggen"). Längs des Peiho, bei Kanton, Schanghai etc. sind neue große Befestigungsbauten nach europäischem System aufgeführt und mit Krupp-^[folgende Seite]

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