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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Ehebruch

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Ehebruch.

Zeugung und Abtreibung der Leibesfrucht, Unfruchtbarkeit der Frau, Untüchtigkeit des Mannes, wegen entehrender Strafen, wegen böslicher Verlassung und wegen Ehebruchs. Nach dem preußischen allgemeinen Landrecht dürfen auch wegen Wahnsinns des einen Teils und auf Grund gegenseitiger Einwilligung kinderlose Ehen geschieden werden. Die Wirkung einer vollständigen Scheidung besteht in der Auflösung des bisherigen Nexus in persönlicher und dinglicher Beziehung. Die Vermögensverhältnisse werden mit Rücksicht auf Schuld und Unschuld gesondert und dabei bestimmte Vorteile und Nachteile zuerkannt. Ob die Kinder einem der beiden Ehegatten allein zu überlassen sind, oder ob sie geteilt werden sollen, darüber hat der Richter nach den Umständen des Falles zu bestimmen. Für das Deutsche Reich hat das Gesetz vom 6. Febr. 1875 (§ 77) die wichtige Bestimmung getroffen, daß, wenn nach bisherigem Recht auf beständige Trennung der Ehegatten vom Tisch und Bett zu erkennen sein würde, fortan die Auflösung des Bandes der E. ausgesprochen werden soll.

Die Gerichtsbarkeit in Ehesachen stand früher allgemein den geistlichen Gerichten, in der evangelischen Kirche den Konsistorien zu, ist aber allenthalben auf die weltlichen Behörden übergegangen. Nach dem Reichsgesetz vom 6. Febr. 1875 und nach dem deutschen Gerichtsverfassungsgesetz sind in streitigen Ehe- und Verlöbnissachen die bürgerlichen Gerichte ausschließlich kompetent. Für Rechtsstreitigkeiten, welche die Trennung, Ungültigkeit oder Nichtigkeit einer E. oder die Herstellung des ehelichen Lebens zum Gegenstand haben (Ehesachen), ist ausschließlich das Landgericht zuständig, bei welchem der Ehemann seinen allgemeinen Gerichtsstand hat (deutsche Zivilprozeßordnung, § 568 ff.). Das Verfahren in Ehesachen (Eheprozeß) ist um deswillen ein eigentümliches, weil die Parteien über den Streitgegenstand, die E., nicht beliebig verfügen können. Denn es handelt sich dabei nicht lediglich um ein Privatrechtsverhältnis. Darum kann z. B. ein Eheprozeß nicht einfach durch ein Geständnis einer Partei erledigt werden, sondern das Gericht hat von Amts wegen darauf Bedacht zu nehmen, daß die nötigen Beweise geführt werden, um objektiv den Sachverhalt darzulegen. Darum kommen im Eheprozeß die Vorschriften über die Folgen der unterbliebenen oder verweigerten Erklärung über Thatsachen oder über die Echtheit von Urkunden, die Vorschriften über den Verzicht der Parteien auf die Beeidigung der Zeugen und Sachverständigen sowie die Vorschriften über die Wirkungen eines Anerkenntnisses, eines gerichtlichen Geständnisses und die Erlassung eines Eides nicht zur Anwendung. Die Eideszuschiebung und der Antrag, dem Gegner die Vorlegung einer Urkunde aufzugeben, sind nicht zulässig, soweit es sich um Thatsachen handelt, welche die Trennung, Ungültigkeit oder Nichtigkeit der E. begründen. Im Interesse der Erforschung der materiellen Wahrheit, auf welche es im Eheprozeß ankommt, kann auch das persönliche Erscheinen der Parteien vor Gericht verlangt und erzwungen werden. Die Staatsanwaltschaft ist zur Mitwirkung im Prozeßverfahren befugt. Ein Versäumnisurteil ist gegen den Beklagten oder Widerbeklagten ausgeschlossen, es sei denn, daß er in einem zur Leistung eines richterlichen Eides bestimmten Termin ausbleibt. Die Öffentlichkeit ist im Eheprozeß stets auf Antrag einer Partei auszuschließen. Bevor ein Termin zur mündlichen Verhandlung über eine Ehescheidungsklage oder eine Klage auf Herstellung des ehelichen Lebens stattfindet, muß bei dem Amtsgericht, bei welchem der Ehemann seinen allgemeinen Gerichtsstand hat, stets ein Sühnetermin stattgefunden haben, zu welchem die Parteien in Person erscheinen müssen. Vgl. außer den Lehrbüchern des Kirchenrechts und des Zivilprozesses: Unger, Die E. in ihrer welthistorischen Entwickelung (Wien 1850); Stölzel, Deutsches Eheschließungsrecht (3. Aufl., Berl. 1876); Sohm, Das Recht der Eheschließung, aus dem deutschen und kanonischen Recht geschichtlich entwickelt (Weim. 1875); v. Scheurl, Die Entwickelung des kirchlichen Eheschließungsrechts (Erlang. 1877); Derselbe, Das gemeine deutsche Eherecht (das. 1881-82); Friedberg, Das Recht der Eheschließung in seiner geschichtlichen Entwickelung (Leipz. 1865); Derselbe, Die Geschichte der Zivilehe (Berl. 1877); Derselbe, Verlobung und Trauung (Leipz. 1876); Hinschius, Das deutsche Reichsgesetz über die Beurkundung des Personenstandes (2. Aufl., Berl. 1876); Glisson, Le mariage civil (2. Aufl., Par. 1880); Klein, Das Eheverlöbnis (Straßb. 1881); Peters, Die Ehescheidung (Berl. 1881); Hübler, Eheschließung und gemischte Ehen in Preußen nach Recht und Brauch der Katholiken (das. 1883); Hölder, Die römische E. (Zürich 1874); Barra, Das Heiraten in alten u. neuen Gesetzen (Berl. 1874); Post, Die Geschlechtsgenossenschaft der Urzeit und die Entstehung der E. (Oldenb. 1875); Lichtschein, Die E. nach mosaisch-talmudischer Auffassung (Leipz. 1879).

Ehebruch (Adulterium), die wissentliche Verletzung einer bestehenden Ehe durch den außerehelichen Beischlaf solcher Personen, von denen mindestens die eine verheiratet ist. Leben in einem solchen Fall beide Personen in verschiedenen Ehen, werden also durch den E. zwei Ehen verletzt, so spricht man von einem Doppelehebruch (adulterium duplex, Oberhurerei in der peinlichen Gerichtsordnung Karls V. genannt), während, wenn nur eine der beiden schuldigen Personen verheiratet, ein einfacher E. (adulterium simplex) vorhanden ist. Es erscheint jedoch im letztern Fall nach heutigem Recht auch der nicht verheiratete Teil als Ehebrecher, wofern er nur von der Ehe des andern Kenntnis hatte. Der Begriff des Ehebruchs ist nicht zu allen Zeiten derselbe gewesen. Die Römer beurteilten von jeher den Fall, wenn eine Ehefrau die ihrem Ehemann schuldige Treue brach, anders und strenger als den Fall, wenn ein Ehemann sich mit einer andern, aber unverheirateten Frau verging. Nur der erstere Fall erscheint nach römischem Recht, mit welchem in dieser Hinsicht auch das ältere deutsche und das mosaische Recht übereinstimmen, als eigentlicher E. Zudem begnügte sich das altrömische Recht damit, dem beleidigten Ehemann oder demjenigen, welcher die treulose Ehefrau in seiner väterlichen Gewalt hatte, die Bestrafung der Schuldigen zu überlassen; es war diesen gestattet, den auf der That ertappten Ehebrecher und die schuldige Frau eigenmächtig zu töten. Als dann an Stelle der ursprünglichen Sittenreinheit des römischen Volkes eine immer größere Verdorbenheit einriß, machte sich die Aufstellung von Strafbestimmungen über den E. erforderlich, welche namentlich in der unter Augustus erlassenen Lex Julia de adulteriis coërcendis in ausführlicher Weise gegeben wurden. Erst das kanonische Recht, die Ehe als Sakrament betrachtend, ahndet die Verletzung der ehelichen Treue nicht bloß an der Ehefrau, sondern in gleicher Weise an dem Ehemann und an der ledigen Konkumbentin eines solchen. In der peinlichen Halsgerichtsordnung Karls V. (Carolina) ward für den E. die Todesstrafe beibehalten. Nach dem deutschen Reichsstrafgesetzbuch (§ 172) wird der