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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Fleurus; Fleury

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Fleurus - Fleury.

Fleurus (spr. flörüs, Fleury), Marktflecken in der belg. Provinz Hennegau, Arrondissement Charleroi, an der Sambre, Knotenpunkt an der Eisenbahn Tamines-Landen, mit höherer Knabenschule und (1885) 5084 Einw., merkwürdig durch die Schlachten: vom 29. Aug. 1622, worin sich der Herzog Christian von Braunschweig und der Graf Ernst von Mansfeld unter schweren Verlusten durch die vom General Cordova befehligten Spanier nach Holland durchschlugen; vom 30. Juni 1690, worin die Franzosen unter dem Marschall von Luxembourg einen namhaften Sieg über die verbündeten Deutschen und Holländer unter dem Fürsten von Waldeck davontrugen; vornehmlich aber vom 26. Juni 1794 zwischen den Franzosen unter Jourdan und den Österreichern unter dem Prinzen Josias von Sachsen-Koburg. In dieser Schlacht neigte sich der Sieg schon auf die Seite der Österreicher, denn während der Erbprinz von Oranien mit dem rechten Flügel siegreich bis Marchienne au Port vorgedrungen war, hatte Beaulieu mit dem linken Flügel beim Angriff auf die Brücke von Auveloy und die Redouten von F. 20 Kanonen erobert. Der Prinz von Koburg aber, durch die während der Schlacht eingegangene Kunde von der Kapitulation von Charleroi in Bestürzung versetzt, gab gegen Abend den Befehl zum Rückzug, so daß er den fast schon errungenen Sieg aus den Händen ließ und die Niederlande dem Feind preisgab. Am 16. Juni 1815 fand in der Nähe von F. auch ein Treffen zwischen den Preußen und Franzosen statt, welch letztere nach der Schlacht bei Waterloo auf ihrem Rückzug F. in Brand steckten.

Fleury (spr. flöri, oder St.-Benoît sur Loire, lat. Floriacum), im Mittelalter eine blühende Benediktinerabtei in Frankreich, an der Loire, in der Diözese von Orléans (heute Departement Loiret), um 623 gegründet, erlangte durch die Übertragung der Gebeine des heil. Benedikt von Monte Cassino nach F. eine solche Berühmtheit, daß es Papst Leo VII. Caput omnium coenobiorum nannte, und daß die Aufzählung der daselbst geschehenen Wunder 4 Bände füllte (vgl. "Floriacensis vetus bibliotheca benedictina", Lyon 1605). Der heil. Odo gründete hier eine Schule, die nicht selten Tausende von Schülern zählte; die dortigen bedeutenden Manuskripte gingen 1562 bei der Plünderung des Klosters durch die Hugenotten zu Grunde. Nicht zu verwechseln mit den Fleurenser Mönchen sind die Florenser oder Floriacenser (s. d.).

Fleury (spr. flöri), 1) Claude, berühmter franz. Pädagog und Kirchenhistoriker, geb. 1640 zu Paris, erhielt seine Bildung im Jesuitenkollegium zu Clermont und trat 1658 als Parlamentsadvokat auf, studierte aber seit 1667 Theologie und wurde 1672 Erzieher der jungen Prinzen von Conti, dann von Ludwigs XIV. natürlichem Sohn, dem Grafen von Vermandois, und schließlich 1689 zweiter Hofmeister der Prinzen von Bourgogne, Anjou und Berry. Ludwig XV. ernannte ihn zu seinem Beichtvater. F. starb 14. Juli 1723. Seines zurückgezogenen Lebens halber nannte man ihn den "Einsiedler am Hof". Sein Hauptwerk ist die Kirchengeschichte: "Histoire ecclésiastique" (Par. 1691-1720, 20 Bde., u. öfter), die bis 1414 reichte und von Claude Fabre (Brüss. 1726-40, 16 Bde.) und von Alex. Lacroix bis 1778 (Par. 1776-87, 6 Bde.) fortgesetzt wurde, freilich nicht in Fleurys Geist. Unter seinen übrigen Schriften sind besonders hervorzuheben: "Histoire du droit français" (Par. 1674, neue Ausg. 1826) und "Catéchisme historique" (das. 1679; neu hrsg. von Laboulaye und Dareste, 1858, 2 Bde.). Das erstere dieser Werke stellt eins der entschiedensten Manifeste des Episkopalismus und Gallikanismus dar; mit dem zweiten ist F. der Vorläufer des auf biblischem Geschichtsunterricht basierenden Religionsunterrichts der Neuzeit geworden.

2) André Hercule de, Kardinal und Premierminister Ludwigs XV., geb. 22. Juni 1653 zu Lodève in Languedoc, erhielt seine Bildung in dem Jesuitenkollegium, dann in dem Collège Harcourt zu Paris und wurde 1668 Kanonikus von Montpellier und später Doktor der Sorbonne sowie Almosenier der Königin Maria Theresia und nach deren Tode des Königs Ludwig XIV. 1686 erhielt er die Abtei Rivour in der Diözese Troyes und 1698 das Bistum Fréjus, zog sich aber 1715 in die Abtei Tournus zurück. In demselben Jahr ernannte ihn Ludwig XIV. in seinem Testament zum Lehrer seines Urenkels, des nachmaligen Königs Ludwig XV. Während der Regentschaft des Herzogs von Orléans 1715-23 war F. nicht ohne Einfluß im Staatsrat und wurde 1726 von seinem dankbaren Zögling, dem König, an Stelle des Herzogs von Bourbon zum leitenden Minister ernannt. Gleichzeitig erfolgte seine Ernennung zum Kardinal. Ehrlich, uneigennützig und liebenswürdig, suchte er durch Sparsamkeit die Lasten des Volkes zu erleichtern und Frankreichs Ansehen durch eine weise Friedenspolitik zu heben. Aber ohne staatsmännische Einsicht, ließ er im Innern die Generalpachter die steuerpflichtigen Klassen aussaugen und bedrücken; nach außen ließ er sich in kostspielige Kriege verwickeln. Aus Rücksicht auf Ludwigs XV. Schwiegervater Leszczynski mußte er sich in den polnischen Erbfolgekrieg einmischen. In diesem erwarb er für Frankreich durch den Frieden von 1738 die Anwartschaft auf Lothringen; dadurch stellte er das gesunkene Ansehen der französischen Waffen wieder her. Wie zwischen dem deutschen Kaiser und Spanien, so vermittelte er auch den Frieden zwischen der Pforte, Österreich und Rußland und war, freilich vergeblich, bemüht, England mit Spanien auszusöhnen. Zur Teilnahme an dem österreichischen Erbfolgekrieg von 1740 ward er nur durch die beiden Brüder Belle-Isle beredet; er starb vor dem Ausgang desselben, 29. Jan. 1743, in Issy bei Paris. Ein Freund und Beschützer der Wissenschaften, schickte er Gelehrte nach Ägypten und Griechenland, um seltene Manuskripte zu sammeln, und sandte Akademiker nach dem Norden und nach Peru, um Meridianmessungen anzustellen. Er selbst war seit 1717 Mitglied der französischen Akademie. Vgl. Verlaque, Histoire du cardinal F. (Par. 1879).

3) Pierre Alexandre Edouard F. de Chaboulon, Kabinettssekretär Napoleons I. nach dessen Rückkehr von Elba, geb. 1779, war schon im 16. Jahr Anführer eines Bataillons der Nationalgarde und zog 5. Okt. 1795 mit den empörten Parisern gegen den Nationalkonvent. Gefangen, aber in anbetracht seiner Jugend begnadigt, ward er unter dem Minister Fermont bei der Finanzverwaltung angestellt, arbeitete hierauf als Staatsratsauditeur bei der Domänenverwaltung, ward später Unterpräfekt zu Château-Salins, wo er sich durch Geschicklichkeit und Menschenfreundlichkeit so auszeichnete, daß Napoleon ihm verschiedene Sendungen anvertraute und ihn dann zum Präfekten von Reims ernannte; hier bewies er 1814 den anrückenden Verbündeten gegenüber große Entschiedenheit und Furchtlosigkeit. Nach der Restauration ging er nach Italien, kehrte während der Hundert Tage nach Frankreich zurück, wurde Napoleons Geheimsekretär und ging als solcher mit einer Sen-^[folgende Seite]