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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Französische Litteratur

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Französische Litteratur (Naturwissenschaften).

Neben den klassischen Sprachen wurden aber mit nicht geringerm Eifer auch die orientalischen Sprachen sowie das Sanskrit und die ostasiatischen Idiome, das Altägyptische nicht weniger als die assyrischen Keilschriften (Oppert, Ménant) gepflegt. Auf orientalische Sprachforschung gegründet sind die Werke von Barthélemy de Saint-Hilaire ("Histoire du Bouddhisme"), L. A. Martin ("Histoire de la culture de l'orient"), Moreau de Jonnès, A. Pictet, Fr. Lenormant ("Manuel de l'histoire ancienne de l'Orient") und das "Journal asiatique". Ein ganz neues und ergiebiges Gebiet eroberte sich die Philologie in Frankreich noch dadurch, daß sich die Gelehrten dem Studium ihrer reichen mittelalterlichen Litteratur und der Antiquitäten des Landes zuwandten, ein Gebiet, auf welchem besonders Fr. Michel, Berger de Xivrey, Quinet, Paulin Paris, Monmerqué, Littré, Depping, Leroux de Lincy, A. Jubinal, A. le Prévost u. a. glänzen.

Die naturwissenschaftliche Litteratur Frankreichs beginnt wie in andern Staaten mit scholastischen Encyklopädien, unter denen das "Speculum naturale" des Vincent von Beauvais (13. Jahrh.) den weitesten Einfluß übte. Einen frühzeitigen Anstoß erhielt die Botanik durch die Anlage botanischer Gärten zu Paris und Montpellier gegen Anfang des 17. Jahrh.; den wesentlichsten Fortschritt machte sie im 18. Jahrh. durch Begründung des sogen. natürlichen Systems, d. h. Aufstellung natürlicher Pflanzenfamilien, durch B. de Jussieu (gest. 1777) und dessen Neffen L. de Jussieu (gest. 1836). Der hervorragendste Nachfolger des letztern war der ältere De Candolle (gest. 1841) der das (nachher von andern fortgeführte) Riesenwerk einer Aufzählung aller bekannten Pflanzen unternahm. Von den botanischen Prachtwerken, an denen die f. L. so reich ist, wurden viele auf Kosten der Regierung hergestellt. Auch die einzelnen Zweige der botanischen Wissenschaft, namentlich die Pflanzenanatomie und Pflanzenphysiologie, die Pflanzengeographie und Pflanzenpaläontologie, fanden gründliche Bearbeitung. -

Auf dem Gebiet der Zoologie leisteten die Franzosen ebenfalls schon ziemlich früh Vorzügliches; doch nahm dieselbe, wie die Naturwissenschaften überhaupt, erst im 18. Jahrhundert einen eigentlichen Aufschwung. Weitreichend war namentlich der Einfluß, welchen Buffon (gest. 1788) durch die glänzenden Schilderungen seiner "Allgemeinen Naturgeschichte" (1749-88) ausübte, obschon der wissenschaftlich wertvollere Teil des Buches seinem Mitarbeiter Daubenton (gest. 1800), dem Begründer der vergleichenden Anatomie, zugeschrieben werden muß. Letzterm ist es auch besonders zu danken, wenn der durch Buffon selbst und andre geistreiche Schriftsteller in die zoologische Litteratur eingedrungenen Phantastik bald wieder Zügel angelegt wurden. Auf Grund der Vorarbeiten Daubentons und andrer Forscher wies dann Cuvier (1769-1832) die Unentbehrlichkeit der vergleichenden Anatomie für das zoologische Studium nach und wurde so der Begründer der neuern Zoologie. Seinem Ansehen als Hauptvertreter des Satzes von der Unveränderlichkeit der Arten mußten die Anläufe der naturphilosophischen Schule, an deren Spitze der verdiente Lamarck (gest. 1829) und später der geistreiche Isidor Geoffroy Saint-Hilaire (gest. 1861) standen, für lange Zeit unterliegen, und selbst heute noch zählt die Entwickelungslehre unter allen Kulturstaaten in Frankreich die wenigsten Anhänger. Die Naturgeschichte von Säugetieren bearbeiteten, um nur einige Namen zu nennen, Audebert (gest. 1800), Et. Geoffroy Saint-Hilaire (gest. 1844), Lacépède (gest. 1825); die der Vögel Lesson, Vieillot, d'Orbigny. Das vollständigste Werk über die Reptilien gab Dumeril; eins über die Fische wurde von Cuvier begonnen, von Valenciennes fortgesetzt. Über die wirbellosen Tiere, namentlich die Mollusken, schrieben Lamarck, Deshayes und d'Orbigny; um die Kenntnis der Insekten machte sich vor allen Latreille, um diejenige der niedern Tiere Blainville, Milne-Edwards und de Quatrefages verdient. Die vergleichende Anatomie wurde nächst Blainville besonders durch Lacaze-Duthiers gefördert. In der populären Litteratur hatte nach Buffon kein Unternehmen einen ähnlichen Erfolg aufzuweisen; die zahlreichen zoologischen Werke L. Figuiers können nur mäßige Ansprüche befriedigen. -

In der Geologie wurde ein vielversprechender Anfang durch Descartes (gest. 1650) gewonnen, der zuerst die Theorie von der feuerflüssigen Gestalt der Erde in der Urzeit begründete, worauf Buffon in seiner "Cosmogénie" (1749) den ersten Versuch machte, die Weltbildungslehre in abgerundeter Form und ohne Rücksicht auf religiöse Ansichten abzuhandeln. Er erregte indessen damit das Mißtrauen der Sorbonne und mußte in der neuen Ausgabe seines Werkes, die 1778 unter dem Titel: "Les époques de la nature" erschien, manches zurücknehmen. Jedenfalls darf man ihn als den erfolgreichsten Beförderer erdgeschichtlicher Studien in weitern Kreisen ansehen, und auch die später so berühmt gewordene Katastrophentheorie verdankt ihm ihren Ursprung, indem er an die Stelle der ehemals angenommenen einmaligen Revolution (Sintflut) deren fünf setzte. An der Begründung der neuern Geologie beteiligten sich besonders wirksam Dolomieu (gest. 1801) und Elie de Beaumont (gest. 1874), während Daubrée (geb. 1814) in neuester Zeit mit besonderm Erfolg das Gebiet der experimentellen Geologie bearbeitete. Vor allem aber waren die Arbeiten französischer Forscher auf dem Felde der Paläontologie und Petrefaktenkunde von Wichtigkeit. Unter den übersichtlichen Darstellungen sind für die ältere Epoche die von Elie de Beaumont und d'Orbigny, aus neuerer Zeit die von Daubrée, Renault, Graf Saporta und Gaudry hervorzuheben. -

Auch die Physik verdankt französischen Forschern viele ihrer wichtigsten Entdeckungen. Die Experimentalphysik wurde durch Mariotte (gest. 1684), der die Versuche Galileis und Torricellis erweiterte und namentlich die Mechanik und Statik sowie die Lehre vom Druck der Gase begründete, eingeführt. Sodann muß hier vor allem an die auf Pascals Anregung begonnene Anwendung des Barometers zu Höhenmessungen und an die Expeditionen erinnert werden, welche die französische Akademie im 18. Jahrh. nach Peru und Lappland sandte, um durch Pendelversuche und Messungen die Physik der Erde zu erforschen, wobei Maupertuis (gest. 1759) und Bouguer (gest. 1758) die ersten Anläufe machten, Dichtigkeit und Anziehungskraft der Erde direkt zu messen. Später verwendeten d'Alembert (gest. 1783), Lagrange (gest. 1813) und Laplace (gest. 1827) die im Studium der Erde gewonnenen Gesetze der Mechanik zum Ausbau der Mechanik des Himmels, und namentlich des letztern Werk "Mécanique céleste" (1799 ff.) gehört zu den epochemachenden Werken auf diesem Gebiet. Die Optik bereicherten vor andern Fresnel (gest. 1827), Biot (gest. 1862) und Fr. Arago (gest. 1853), indem sie die Undulationstheorie durch das Studium der Brechungs-, Beugungs- und Interferenzerscheinungen erweiterten. Für die Elektrizitätslehre wurden Ampères (gest. 1836) Untersuchun-^[folgende Seite]