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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Grasfink; Grashirse; Grashüpfer; Graslauch; Grasleinen; Graslitz; Grasmonat; Grasmücke

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Grasfink - Grasmücke.

(s. Getreide). Eine Reihe von Gräsern endlich erscheint nur in steter Begleitung der Getreidegräser als Unkräuter auf den Feldern, wie die Getreidetrespe (Bromus secalinus L.), der Taumellolch (Lolium temulentum L.) und mehrere Haferarten. Den Gräsern ist in höherm Grad als sehr vielen andern Pflanzen eine Widerstandsfähigkeit gegen Einflüsse der Witterung und des Klimas eigen; zugleich machen sie an den Boden ungewöhnlich geringe Ansprüche, wenn man von einigen wenigen etwas anspruchsvollern, wie vom Weizen und Mais, absieht. Damit hängt ihre weite Verbreitung, ihr massenhaftes Auftreten und ihr Gedeihen selbst unter ungünstigen Verhältnissen, denen die meisten andern Pflanzen erliegen, zusammen. Fossile G. sind nur aus Tertiärschichten bekannt; es finden sich Stengel und Blätter aus den Gattungen Bambus Schreb., Arundinites Sap., Poacites Bgt., Panicum L., Oryza L. u. a.

Alle G. sind reich an Kieselsäure, welche hauptsächlich in der Epidermis der Blätter und Halme vorlanden ist; in den Knoten der Halme des Bambusrohrs finden sich größere Konkremente von Kieselsäure abgelagert. Der Saft der Halme und Wurzelstöcke enthält mehr oder weniger Zucker. Besonders zuckerreich sind das Zuckerrohr, die Wurzelstöcke der Quecke (Triticum repens L.) und die Maisstengel. Alle Grassamen enthalten sehr viel Stärkemehl neben eiweißartigen Verbindungen. In einigen Gräsern finden sich auch aromatische Bestandteile, z. B. Cumarin im Ruchgras (Anthoxanthum odoratum L.), welches vorzugsweise den Heugeruch hervorbringt; einige indische Arten von Andropogon enthalten ätherisches Öl. Die Samen sind nährend, schleimig, einhüllend, reizmindernd; die Wurzelstöcke einiger G. wirken auflösend, gelind reizend, die Wurzeln aromatischer G. tonisch-reizend, Bromus purgans L. in Pennsylvanien und Kanada und B. catharticus Vahl in Chile purgierend. Eigentlich giftige G. gibt es wenig, wie z. B. Stipa inebrians Hance der Mongolei; neuere Nachforschungen über die betäubenden Eigenschaften der Früchte des Taumellolchs (Lolium temulentum L.) haben den Verdacht von dessen Giftigkeit sehr gemindert. Einige wenige G. sind dem Weidevieh schädlich, aber nur wegen ihrer sehr starren und schneidenden Blätter, wie Stipa, Calamagrostis und Molinia.

Die G. haben, weil ohne sie weder Viehzucht noch Ackerbau möglich sein würde, die ersten Grundbedingungen der Zivilisation gegeben. Sie dienen besonders in gewissen Arten (Getreide) den Menschen als Hauptnahrungsmittel. Den Tieren sind sie die wichtigsten Futterpflanzen. Die trocknen Halme größerer Arten, besonders des Getreides (Stroh), dienen als Streumaterial, als Stopfstoffe, zum Flechten von Decken, Matten, Seilen, von Schuhen und Hüten, auch zur Papierfabrikation. Rohr dient zum Einziehen in die Wände der Häuser, das Bambusrohr zu Stöcken, in seiner Heimat zur Verfertigung verschiedener Hausgeräte und sogar als Baumaterial. Auf Sandboden wachsende G. mit weit kriechenden, ausläuferartigen Wurzelstöcken (Psamma arenaria R. et S. und Elymus arenarius L.) werden angebaut zur Befestigung sandiger Ufer, Festungswälle, Eisenbahndämme etc. und zur Bindung des Flugsandes auf den Dünen der Nordsee. Als Zierpflanzen nützen die G., insofern sie zur Bildung von Rasenplätzen unentbehrlich sind; einige stattlichere Arten sind beliebte dekorative Blattpflanzen des freien Landes, besonders das Bandgras (Phalaris arundinacea L., var. picta) und das Pampasgras (Gynerium argenteum Nees). Die Blütenstände vieler G. werden zu immerwährenden Bouketts verwendet, namentlich die von Stipa-, Phragmites- und Agrostis-Arten.

Man teilt die G. in zwei Hauptarten: 1) Panicoideae, mit 3-6 zum Teil verkümmerten Hüllspelzen; Gattungen: Panicum, Zea, Anthoxanthum, Oryza. 2) Poaeoideae, mit zwei selten verkümmerten Hüllspelzen; Gattungen: Agrostis, Holcus, Avena, Poa, Festuca, Triticum, Secale, Hordeum, Lolium.

Vgl. Kunth, Enumeratio plantarum, Bd. 1: Agrostographia synoptica (Stuttg. 1833); Reichenbach, Icones florae germanicae et helveticae, Bd. 1: Agrostographia germanica (Leipz. 1835); Steudel, Synopsis plantarum glumacearum (Stuttg. 1854-55, 2 Tle.); Lawson, Agrostographia (Edinb. 1860); Jessen, Deutschlands G. und Getreidearten (Leipz. 1863); Langethal, Lehrbuch der landwirtschaftlichen Pflanzenkunde, Teil 1 (5. Aufl., Berl. 1874); Hanstein, Die Familie der G. in ihrer Bedeutung für den Wiesenbau (Wiesb. 1857), Schmidlin, Die wichtigsten Futtergräser nebst Angabe ihrer Kultur (3. Aufl., Stuttg. 1876); Hein, Gräserflora von Nord- u. Mitteldeutschland (2. Aufl., Weim. 1880); Derselbe, Beschreibung der wichtigsten in Deutschland heimischen und angebauten Gramineen, Cyperaceen und Junkaceen (Hamb. 1876).

Grasfink (Gürtelgrasfink), s. Astrilds.

Grashirse, s. Glyceria.

Grashüpfer, s. v. w. Heuschrecken.

Graslauch, s. v. w. Schnittlauch, s. Lauch.

Grasleinen (Grastuch, Batiste de Canton), s. v. w. Grass-cloth, s. Chinagras.

Graslitz, Stadt in Böhmen, im Erzgebirge, an der Zwoda und an der Zweiglinie Falkenau-G. der Buschtiehrader Bahn gelegen, hat (1880) 7609 Einw., Baumwollspinnerei, Weiß- und Buntstickerei, Spitzenerzeugung, Fabrikation von musikalischen Instrumenten, eine Musik-, eine Klöppelschule, eine Musterzeichenanstalt, ein Museum und ist Sitz einer Bezirkshauptmannschaft und eines Bezirksgerichts. Nahe dabei das Eisen- und Blechwalzwerk Rothau.

Grasmonat, s. v. w. April.

Grasmücke (Sylvia Lath.), Gattung aus der Ordnung der Sperlingsvögel, der Familie der Sänger (Sylviidae) und der Unterfamilie der eigentlichen Sänger (Sylviinae), schlank gebaute Vögel mit konischem, schlankem Schnabel, der am Grund so hoch wie breit, an der Spitze kaum ausgerandet ist, mäßig langen Flügeln, in denen die dritte und vierte Schwinge die längsten sind, kurzem oder mittellangem, breitem, abgerundetem Schwanz und starken, kurzen Läufen. Die Grasmücken sind sehr muntere Vögel, bewohnen meist Gebüsch, kommen selten auf den Boden, fliegen schlecht, fressen Kerbtiere und Beeren, sehr gern auch Obst, in Südeuropa besonders Feigen, sind aber durch Vertilgung von Insekten überwiegend nützlich. Das aus 4-8 Eiern bestehende Gelege pflegen beide Geschlechter 13-14 Tage zu bebrüten. Die Sperbergrasmücke (S. nisoria Bechst.), 18 cm lang, 29 cm breit, oben olivenbraungrau, unten grauweiß, durch dunkelgraue Mondflecke gesperbert, die äußern Federn des schiefergrauen Schwanzes weiß gesäumt, mit goldgelben Augen, braunschwarzem Schnabel, lichtgelben Füßen. Sie findet sich hier und da vom südlichen Schweden bis Mittelitalien, in Westasien und Nordchina, geht im Winter bis Innerafrika, lebt bei uns vom Mai bis August an buschigen Ufern größerer Flüsse im Dickicht, nistet hier etwa 1 m über dem Boden und