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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Harnapparat; Harnaschkappe; Harnbenzoesäure; Harnblase

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Harnapparat - Harnblase.

2 Bde.). Mit v. Gebhardt und Zahn gab er die "Patrum apostolicorum opera" (Leipz. 1876-78, 3 Tle.), mit Gebhardt ferner die "Texte und Untersuchungen zur Geschichte der altchristlichen Litteratur" (das. 1882 bis 1884, Bd. 1 u. 2) heraus.

Harnapparat, die der Absonderung, Ansammlung und Entleerung des Harns dienenden Organe: die beiden Nieren mit den Harnleitern, der Harnblase und der Harnröhre.

Harnaschkappe, s. Helm.

Harnbenzoesäure, s. v. w. Hippursäure.

Harnblase, der Behälter für den in den Nieren abgeschiedenen Harn, findet sich unter den Wirbeltieren in dreierlei Formen vor: bei manchen Fischen ist sie eine Erweiterung der Harnleiter vor oder nach deren Vereinigung zu einem einzigen Kanal, daher entweder doppelt oder einfach; bei den Lurchfischen und Amphibien ist sie ein durch einen kurzen Stiel mit der vordern Kloakenwand verbundener Sack (Allantois, s. d.); bei den Säugetieren (und ebenso bei Schildkröten und Eidechsen) geht sie aus dem in der Bauchhöhle verbleibenden Abschnitt der Allantois, dem sogen. Urachus, hervor, dessen Fortsetzung zum Nabel hin nach der Geburt sich zum sogen. mittlern Aufhängeband der H. umwandelt (s. Tafel "Eingeweide des Menschen I u. II"). Beim Menschen ist sie ein in der Beckenhöhle an mehreren Bändern befestigter Sack von 5-10 cm Höhe, 4-9 cm Breite und 4-7 cm Dicke, der unter normalen Umständen durchschnittlich 700, jedoch, ohne zu platzen, bis 1800 ccm Flüssigkeit enthalten kann. Die dünne, sehr dehnbare Wandung besteht aus einer innern Schleimhaut und einer dieselbe umgebenden Schicht glatter Muskelfasern und wird zum Teil vom Bauchfell überzogen. In sie münden die Harnleiter (s. Nieren) ein, dagegen geht von ihr an einer verengerten Stelle, dem sogen. Blasenhals, die Harnröhre (s. d.) aus.

Von den Krankheiten der H. sind folgende die wichtigsten: 1) Der Blasenkatarrh. Er besteht, wie die katarrhalischen Entzündungen aller Schleimhäute, in einer übermäßigen Schleimabsonderung auf die Oberfläche der Blase und ist entweder von kurzer Dauer, oder er tritt als chronisches Leiden auf. Ist er sehr heftig, oder wirken die schädlichen Ursachen, welche ihn hervorgerufen, lange Zeit fort, so geht er über in die eigentliche 2) Blasenentzündung (Cystitis). Hierbei ist die Oberflächenkrankheit zu einer Entzündung und Schwellung der Blasenwand selbst gesteigert. Die Absonderung ist nicht mehr schleimig, sondern eiterig (C. purulenta) oder blutig (C. haemorrhagica); stoßen sich Stücke der Innenfläche ab, so entstehen Geschwüre (C. ulcerosa); werden größere Flächen in einen Schorf verwandelt, der kleinste Organismen enthält, so spricht man von einer C. diphtherica; liegt der Geschwürsbildung eine Tuberkulose zu Grunde (C. tuberculosa), so benennt man den Vorgang auch wohl Phthisis oder Blasenschwindsucht. Unter den Ursachen sind am häufigsten für die leichtern Formen Genuß jungen unvergornen Biers, Gebrauch reizender Medikamente (Spanische Fliegen, Kopaivabalsam u. dgl.), Fortpflanzung eines Harnröhrenkatarrhs (Trippers) auf den Blasenhals. Viel ernster ist die Anwesenheit von Steinen oder andern Fremdkörpern, welche, je länger sie die Blasenwand reizen, und je wirksamer dies durch rauhe Oberflächen oder spitzige Vorsprünge geschieht, um so tiefere und gefährlichere Entzündungen derselben hervorrufen. Die häufigste Ursache, welche es auch erklärt, weshalb das Leiden so überwiegend beim männlichen Geschlecht vorkommt, beruht auf Schwellungen der Vorsteherdrüse (prostata), welche entzündlicher Art (z. B. bei alten Reitern) oder durch Tuberkulose bedingt oder im Gefolge des Greisenalters entstanden sein kann. Die Vergrößerung dieser Drüse, welche rings um die Harnröhre liegt (s. Tafel "Eingeweide II", Fig. 3), führt notwendig zu einer Kompression der letztern, dadurch zu beschwertem Harnabfluß (Dysuria oder Ischuria), zu Stauung und Erweiterung, schließlich zu Lähmung der Blase. In der gelähmten Blase zersetzt sich der Harn, die dabei mitwirkenden niedern Organismen, die oft durch unreine Instrumente eingeführt werden, erregen die heftigsten Entzündungen; setzen sich diese auf Harnleiter und Nieren fort, so ist der qualvollste Tod das einzige Ende des Leidens. Dasselbe gilt von Lähmungen, die nach Quetschungen, Erschütterungen oder andern Krankheiten des Rückenmarks (Tabes) sich entwickeln. Mit allen Formen der Blasenentzündung, selbst mit den leichtesten Katarrhen, sind mehr oder weniger heftige Schmerzen, Drang zum Harnlassen und Brennen in der Harnröhre verbunden. 3) Der Blasenkrampf gehört oft zu den lästigsten Begleitern bei Steinkrankheit, Entzündungen der Blase, des Mastdarms oder der Gebärmutter; er tritt in Anfällen auf, deren Dauer von wenigen Minuten zu ½ Stunde wechselt. Die Behandlung besteht in Darreichung von Opiaten, warmen Voll- oder Sitzbädern, Klystieren von Kamillen- oder Baldrianthee. Bei chronischem Katarrh empfiehlt sich der Gebrauch von Tannin oder eine Abkochung von Folia uvae ursi. Sehr hervorragend wirken Wildunger Brunnen, Selter- oder Geilnauer Wasser. Der Genuß salziger und gewürziger Speisen ist zu widerraten. Alle schweren fieberhaften Entzündungen erfordern ärztlichen Rat. Steine werden durch Operation entfernt. 4) Geschwülste der Blase entstehen entweder aus der Blasenschleimhaut selbst und sind alsdann meistens von zottiger Oberfläche (Zottenfibrom oder Zottenkrebs), oder sie greifen von der Nachbarschaft, z. B. der Vorsteherdrüse bei Männern oder der Gebärmutter bei Frauen, auf die Blase über. Die erstern (primären) Geschwülste sind am häufigsten bei ältern Männern, sie verursachen heftige krampfartige Schmerzen, dem Harn sind Blut, Eiter und zuweilen zottige Geschwulstteile beigemengt. Die sekundären, namentlich die vom Uterus fortgeleiteten, Geschwülste neigen zu jauchigem Zerfall und zur Bildung großer Blasenscheidenfisteln (s. Urinfistel). 5) Zerreißung der H. kommt außer durch Schuß- oder Stichwunden in seltenen Fällen bei Männern vor, welche bei gefüllter H. fallen oder durch eine schwere Last in der Blasengegend heftig gedrückt werden, z. B. durch Überfahren etc. Der Riß ist meist an der hintern Wand, glatt; alle bisher bekannten Fälle verliefen tödlich. 6) Die Lähmung der H. ist niemals eine selbständige Krankheit, sie wird vielmehr entweder verursacht durch andauernde Überfüllung der H., wobei die Muskeln, welche die Zusammenziehung bewirken, in den meisten Fällen vorher stark verdickt sind, oder sie wird verursacht durch eine Entartung derjenigen Teile des Rückenmarks, von welchen die Innervation der Blase ausgeht (zentrale Lähmung). Die erste Gruppe von Fällen betrifft meistens ältere Männer, welche an Vergrößerung der Vorsteherdrüse (Blasengeschwülsten, Blasensteinen) oder Verengerung der Harnröhre leiden und deshalb ihren Harn nur schwer und unvollständig entleeren. Die Blase wird dabei mehr und mehr unempfindlich; durch das starke Pressen bildet sich eine Verdickung der Muskulatur aus, und wenn die Ausdehnung derselben andauernd an die