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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Harnblasengrieß; Harnhaut; Harnier; Harnisch; Harnkraut; Harnlassen; Harnleiter; Harnröhre; Harnröhrenschnitt

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Harnblasengrieß - Harnröhrenschnitt.

Grenze ihrer Dehnbarkeit fortgesetzt wird, so erfolgen allmählich Erschlaffung und Lähmung. Die zweite, zentrale, Lähmung wird beobachtet bei Quetschung und Verwundung des Lendenteils vom Rückenmark, bei Schußverletzungen, Wirbelbrüchen und in den spätern Stadien der Rückenmarksschwindsucht (Tabes dorsalis). Die Gefahr der Harnblasenlähmung beruht darin, daß sie eine tägliche Einführung des Katheters notwendig macht, wodurch sehr leicht Zersetzungen des in der Blase sich anstauenden Urins eingeleitet werden, welche zu Blasenentzündung und nicht selten zu tödlicher Nierenbeckenentzündung (Pyelonephritis) führt. Die Harnblasenlähmung bietet wenig Aussicht auf Heilung, die Behandlung richtet sich auf das Grundleiden, sofern dieses einer Besserung zugänglich ist, wie z. B. Harnröhrenstrikturen, Blasensteine etc.

Harnblasengrieß (Harngrieß), s. Harnsteine.

Harnhaut, s. Allantois.

Harnier, Wilhelm von, Afrikareisender, geb. 1836 zu Eckezell im Großherzogtum Hessen, war anfangs Offizier, ging 1856 aus Gesundheitsrücksichten nach Ägypten und Syrien, besuchte 1859 den Blauen Nil und dessen Nebenfluß Dender und brach im Juli 1860 nach dem Weißen Nil auf, wurde aber, noch nicht 27 Jahre alt, 23. Nov. 1861 bei Gondokoro von einem Büffel auf der Jagd getötet. Vgl. "W. v. Harniers Reise am obern Nil" (Darmst. 1866).

Harnisch, Brustpanzer, s. Rüstung.

Harnisch, Christian Wilhelm, Pädagog, geb. 28. Aug. 1787 zu Wilsnack, widmete sich seit 1806 in Halle und Frankfurt a. O. theologischen und pädagogischen Studien, kam nach kurzer Hauslehrerzeit, während der er für Pestalozzis pädagogische Ideen gewonnen ward, 1809 als Lehrer an Plamanns Institut in Berlin und genoß hier anregenden Umgang mit Fichte, Schleiermacher, Köpke, Zeune, Jahn, Friesen u. a. Im J. 1812 ward er erster Lehrer an dem neuen Schullehrerseminar zu Breslau, hörte und hielt gleichzeitig akademische Vorlesungen und widmete sich mit Eifer der Hebung des schlesischen Volksschulwesens. Sein Eintritt in das Heer (1813) scheiterte am Widerspruch des Ministers. Später geriet er vorübergehend in Ungunst bei der Regierung. In dem bekannten Breslauer Turnstreit trat H. warm für die Sache des Turnens auf, konnte aber die Schließung seines Turnplatzes nicht abwenden. 1821 wurde er zum Direktor des Schullehrerseminars in Weißenfels ernannt, wo er mit gleicher Auszeichnung für das Volksschulwesen wirkte. 1842 folgte er einem Ruf als Pfarrer nach Elbei bei Wolmirstedt und bewies hier in konservativem und orthodoxem Sinn rege Thätigkeit. H. starb 15. Aug. 1864 in Berlin. Seine Schriften sind zahlreich, in den spätern überwiegt das theologische Interesse. Hervorzuheben sind: "Die deutschen Volksschulen" (Berl. 1812), umgearbeitet unter dem Titel: "Handbuch für das deutsche Volksschulwesen" (Bresl. 1820, 4. Aufl. 1839); "Das Turnen" (das. 1819); "Frisches und Firnes zu Rat und That" (Eisleb. 1835-39, 3 Bde.); "Der jetzige Standpunkt des gesamten preußischen Volksschulwesens" (Leipz. 1844). Außerdem gab er heraus die Zeitschriften: "Der Schulrat an der Oder" (Bresl. 1815-20, 24 Hefte), "Der Volksschullehrer" (Halle 1824-28, 5 Bde.) und eine Sammlung von "Land- und Seereisen" (Leipz. 1821-32, 16 Bde.). Nach seinem Tod erschien: "Mein Lebensmorgen; zur Geschichte der Jahre 1787-1822", herausgegeben von Schmieder (Berl. 1865). - Sein Sohn Adalbert, geb. 18. Febr. 1815, seit 1882 Postdirektor zu Forst in der Lausitz, hat sich als Dichter einen Namen gemacht. Er veröffentlichte: "Feldblumen" (2. Aufl. 1839); "Hansa-Album" (Halberst. 1842); "Gedichte" (Oppeln 1860); "Vom Stadtmäuschen und Feldmäuschen", Tieridyll (7. Aufl., Bresl. 1877); die Gedichtsammlungen: "Trost in Leid" (2. Aufl., Neiße 1870) und "Wundbalsam" (1871); "Hans Dudeldee; Märchen für Knaben von 40 Jahren" (1874) u. a.

Harnkraut, s. Ononis.

Harnlassen, unwillkürliches, s. Harnabfluß.

Harnleiter, s. Nieren.

Harnröhre (Urethra), bei den mit einer Harnblase (s. d.) ausgestatteten Wirbeltieren der Ausführungsgang derselben zur Entleerung des in ihr angesammelten Harns nach außen. Sie tritt bei den Säugetieren in enge Beziehung zu den Geschlechtsorganen, indem sie auch zur Beförderung von Eiern, resp. Samen dienen muß. Beim Menschen (s. Tafel "Eingeweide II", Fig. 2 u. 3) ist sie ein mit Schleimhaut ausgekleideter Kanal, der vom Blasenhals bis zu den äußern Geschlechtsorganen reicht und sich hier öffnet; er ist beim weiblichen Geschlecht 3-4, beim männlichen dagegen 15-17 cm lang. In der Schleimhaut liegen zahlreiche Schleimdrüsen (Littrésche Drüsen, glandulae Littrii). An der männlichen H. werden drei Abschnitte unterschieden: 1) Der Anfangsteil ist rings von der Prostata oder Vorsteherdrüse (s. d.) umgeben. Hier münden die Ausführungsgänge der Samenbläschen und die Drüsengänge der Prostata. 2) Der häutige, mittlere Teil wird von einem aus quergestreiften Fasern gebildeten Muskel (constrictor isthmi urethrae) umgeben, welcher einen willkürlichen Schließmuskel für Harnblase und -Röhre darstellt. Hier münden die Ausführungsgänge der beiden Cowperschen Drüsen (s. d.) in die H. ein. 3) Der schwammige Teil, der bei weitem längste Abschnitt, wird von einer aus blutgefäßreichem Schwellgewebe bestehenden Scheide umfaßt und bildet einen Bestandteil des männlichen Gliedes, an dessen hinterer Fläche er liegt (s. Penis). Die weite und gerade verlaufende weibliche H. öffnet sich im Vorhof der Scheide hinter der Klitoris. - Harnröhrenkrankheiten kommen, wenn man die sehr seltenen Verletzungen und Zerreißungen, welche bei Frauen während des Geburtsaktes entstehen können, abrechnet, regelmäßig infolge von Ansteckung vor und gehören deshalb zu den sogen. venerischen Krankheiten. Sie sind ungleich häufiger bei Männern als bei Frauen, was durch die Länge, die Engigkeit und den gekrümmten Verlauf der H. beim Mann erklärlich ist. Man unterscheidet den virulenten eiterigen Katarrh, Tripper (s. d.) oder Gonorrhöe, welcher immer durch ganz bestimmte kleinste Mikrokokken bedingt wird, welche bei unreinem Beischlaf übertragen werden. Zuweilen wird mit dem Tripper verwechselt das Schankergeschwür, bei welchem ebenfalls Eiter aus der H. entleert wird. Nur eine genaue Untersuchung kann darüber entscheiden. Für die Behandlung ist diese Frage von größter Wichtigkeit, da der Tripper durch Reinhalten, Ausspritzungen etc. geheilt wird, während das Schankergeschwür eine systematische Behandlung der Syphilis (s. d.) erheischt. Über Verengerungen der H. s. Striktur.

Harnröhrenschnitt (griech. Urethrotomie), künstliche Trennung der Harnröhre durch Schnitt, wird ausgeführt, wenn sich der Entleerung des Harns aus der Blase in der Harnröhre Hindernisse entgegenstellen, seien es Steine oder Fremdkörper in derselben oder eine innere Verletzung derselben mit konsekutiver Schwellung und blutiger Infiltration oder