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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Jordan

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Jordan - Jordan.

Jordan (hebr. Jarden, jetzt von den Arabern Esch Scheria, "Tränkplatz", genannt), der einzige große und fast der einzige stets fließende Strom Palästinas, dessen eine Hauptverwerfungsspalte einnehmendes Flußbett eine eigentümliche Einsenkung unter die Meeresfläche bildet. Seine Quellgegend liegt an dem noch im September mit Schneemassen bedeckten Hermon (2860 m). Der östliche Quellfluß, der in einer Felsengrotte bei dem Dorf Banias (dem alten Cäsarea Paneas) in 370 m Höhe entspringt, fließt 6 km südwestwärts durch eine fruchtbare Landschaft bis zur Vereinigung mit dem mittlern Quellarm, dem stärksten von allen, welcher bei Tell el Kadi (dem alten Dan) aus einem großen Becken herausfließt. Beide zusammen fallen bald darauf in den westlichen Quellarm, den Nahr Hasbani, der am Westabhang des Hermon in 520 m Höhe entspringt. Der vereinigte Strom verfolgt südliche Richtung, durchfließt zunächst das Sumpfthal Ard el Huleh und den kleinen Schilfsee Bahr el Huleh (fälschlich Meromsee genannt), der in 2 m Höhe liegt, sodann mit starkem Fall in zahllosen Kaskaden ein nur 17 km langes enges und steiniges Thal, um sich in den ehemals See von Genezareth und Tiberiassee, jetzt Bahr Taharijeh genannten See zu ergießen, der bereits 208 m unter dem Spiegel des Mittelmeers liegt. Etwa 3 km unterhalb seines Austritts aus dem Hulehsee, wo er etwa 25 m breit ist, führt über ihn die 45 Schritt lange "Brücke der Töchter Jakobs" (Dschisr Benât Yakub) mit drei Spitzbogen, deren Erbauungszeit unbekannt ist. Den See Genezareth am Südwestende verlassend, tritt der Fluß dann in die El Ghor (s. d.) genannte, auf beiden Ufern von steil abfallenden Tafelländern eingefaßte Ebene, die sich, 7-16 km breit, 110 km weit bis zum Toten Meer (und noch weiter) erstreckt. Er macht hier so starke und zahlreiche Windungen, daß er auf der 105 km langen Strecke den dreifachen Weg zurücklegt. 10 km unterhalb des Sees Genezareth führt die zweite Brücke, Dschisr Medschamia, aus arabischer Zeit stammend, über den Fluß. Schilfröhricht und Tamarisken bedecken seine Ufer. In der Nähe von Jericho zeigt man die Stelle, wo Jesus von Johannes die Taufe empfing, und die dicht bewaldeten Ufer sind namentlich um Ostern von Pilgerscharen bedeckt, die sich hier baden. Seit 27. Jan. 1885 führt hier eine 35 m lange, 3 m breite und 3½ m hohe Gitterbrücke über den Fluß. Endlich mündet der Fluß in zwei seichten Armen auf der Nordseite in das 394 m unter dem Mittelmeer gelegene Tote Meer (Bahr Lut). Der J. fällt vom Fuß des Hermon bis zum Huleh schnell 518, von da bis zum See Genezareth 210, weiter bis zum Toten Meer 186 m, zusammen 914 m; seine Länge beträgt 215 km, mit Einrechnung der außerordentlich zahlreichen Krümmungen aber das Drei- bis Vierfache. Die wichtigsten Nebenflüsse des Jordans sind rechts der Zerka oder Jabbok und der Scheriat el Menadhire, welcher vom Haurangebirge kommt. S. Karte "Palästina".

Jordan, 1) (spr. schordang) Camille, franz. Politiker, geb. 1771 zu Lyon, nahm 1793 an der Erhebung Lyons gegen das Schreckensregiment teil, hielt sich bis 1794 im Ausland auf, ward 1796 in den Rat der Fünfhundert gewählt und machte sich als liberaler Politiker durch ein ausgezeichnetes Referat über die Kultusfreiheit bekannt. Nach dem Staatsstreich vom 18. Fructidor geächtet, kehrte er erst 1800 nach Frankreich zurück und hielt sich, bloß mit litterarischen und politischen Studien beschäftigt, unter dem Kaiserreich von der Politik fern. 1816 ward er in die Deputiertenkammer gewählt und bald darauf in den Staatsrat berufen, aber 1819 wegen seiner liberalen Gesinnungen aus demselben wieder ausgeschlossen. Er gehörte fortan zur Opposition in der Kammer und vertrat eine gemäßigte freiheitliche Richtung. Er starb 1821 in Paris. Er schrieb mehrere bedeutende Tagesschriften, wie: "Histoire de la conversion d'une dame parisienne" (Par. 1792, eine Satire auf die konstitutionelle Kirche), "Vrai sens du vote national sur le consulat à vie" (1802) u. a., und übersetzte mehrere Werke Klopstocks und Schillers. Seine vortrefflichen "Discours politiques" erschienen 1826.

2) Silvester, einer der Begründer der kurhessischen Verfassung von 1831, geb. 30. Dez. 1792 zu Omes, einem Weiler bei Innsbruck, als Sohn eines armen, dem Trunk ergebenen Schuhmachers, besuchte nach einer traurigen, in Kummer und Elend verbrachten Jugend das Gymnasium zu Innsbruck, studierte 1812-17 in München und Landshut die Philosophie und die Rechte und ließ sich 1818 als Sachwalter zu München, dann 1820 in Frankfurt a. M. und bald darauf zu Heidelberg nieder, wo er sich gleichzeitig als Dozent der Rechte habilitierte. 1821 als außerordentlicher Professor der Rechte nach Marburg berufen, rückte er schon 1822 zum ordentlichen Professor und Mitglied des Spruchkollegiums auf. Damals schrieb er: "Versuche über allgemeines Staatsrecht" (Marb. 1828) und "Lehrbuch des allgemeinen und deutschen Staatsrechts" (Kassel 1831, Abt. 1). Auf dem von der Regierung 1830 zur Beratung ihres Verfassungsentwurfs berufenen Ständetag erschien J. als Vertreter der Landesuniversität, ward zum Vorsitzenden und Berichterstatter des mit der Verfassungsprüfung beauftragten Ausschusses gewählt und übte in dieser Stellung einen entscheidenden Einfluß auf die Entstehung dieser Konstitution. Von der konservativen Partei als Revolutionär verdächtigt, erhielt er beim Wiederzusammentritt der Stände Anfang 1833 keinen Urlaub. Als die Stände diesen Schritt als verfassungswidrig bezeichneten, erfolgte 18. März ihre Auflösung. J. verzichtete nun selbst auf seine Wahl und lebte in Zurückgezogenheit seinem wissenschaftlichen Beruf, als auf die Denunziation eines Apothekers, Döring, zu Marburg, der sich in sein Vertrauen eingeschlichen und die Zusicherung eines Straferlasses von den (wegen Totschlags erhaltenen) sechs Jahren Festungshaft bekommen hatte, im Juni 1839 eine Untersuchung gegen ihn eingeleitet, er selbst vom Amt suspendiert und zwei Monate später in Haft genommen wurde. Erst im August 1840 wurde die Voruntersuchung geschlossen und 27. Febr. 1841 vom Kriminalsenat des kurfürstlichen Obergerichts die Hauptuntersuchung verfügt. Am 14. Juli 1843 erfolgte endlich die Publikation des Urteilsspruchs: J. ward wegen Nichtverhinderung eines Komplotts zu fünfjähriger Festungsstrafe, wobei die erlittene vierjährige Untersuchungshaft nur mit sechs Monaten in Abzug zu bringen sein sollte, und zur Bezahlung des auf ihn fallenden Teils der Prozeßkosten verurteilt. Da nach ärztlichem Zeugnis Jordans Gesundheitszustand seine Einkerkerung verbot, so wurde er zunächst in seinem Haus durch eine Gendarmenwache von sechs Mann bewacht und, als er eine Beschwerde über administrative Willkür einreichte, 2. Aug. wieder ins Gefängnis gebracht. Abermals verflossen zwei Jahre, ehe das Oberappellationsgericht zu Kassel sein Endurteil abgab (5. Nov. 1845), das J. völlig freisprach, ihn unter Niederschlagung der Kosten aus der Untersuchung entließ und ihn nur wegen unziemlicher Schreibart in einer Stelle seiner