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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Kriegsgesetze - Kriegskunst.

ten Regimentsgeschichten liefern ebenfalls reiches Material zum Studium der K. Eine ganz neue Phase der Bearbeitung derselben bezeichnen aber seit dem letzten Jahrzehnt die bald nach Beendigung der letzten großen Kriege hauptsächlich vom preußischen Generalstab herausgegebenen aktenmäßigen Darstellungen der Kriege von 1864, 1866 und 1870/71. Sie bringen, was das ganze Volk in seinen Tiefen bewegt hat, mit höchster Unparteilichkeit und in mustergültiger Form zur allgemeinen Kenntnis in einem großen Sammelwerk, dem sich Spezialbeschreibungen, namentlich für den Festungskrieg und für einzelne größere Truppenverbände oder für einzelne Kriegstheater, von den berufensten Bearbeitern anreihen. Aber auch ältere Partien der K. hat der preußische Generalstab zu bearbeiten begonnen, wie denn der österreichische Generalstab die Zeit des Prinzen Eugen in einem großen Werk behandelt.

Kriegsgesetze, die auf den Militärstand und auf den Krieg sich beziehenden Vorschriften und Gesetze, namentlich die Bestimmungen über die während des Kriegszustandes eintretende Verschärfung der Strafen für militärische Vergehen und Verbrechen (vgl. Kriegsartikel); auch s. v. w. Kriegsgebrauch.

Kriegsgott, s. Ares und Mars; vgl. Bellona.

Kriegsherr, in Monarchien das Staatsoberhaupt als Inhaber des Rechts der Kriegserklärung und oberster Befehlshaber der gesamten Truppenmacht, dem alle Soldaten den Eid der Treue leisten. In Republiken gibt es in diesem Sinn keinen Kriegsherrn. Der Präsident der Republik ist nicht Kriegsherr, wohl aber kann der Kriegsminister innerhalb der verfassungsmäßigen Grenzen über die Armee verfügen.

Kriegsjahre. Der § 23 des Militär-Pensionsgesetzes vom 27. Juni 1871 bestimmt: Für jeden Feldzug, an welchem ein Offizier oder ein im Offiziersrang stehender Militärarzt im Reichsheer oder der Marine derart teilgenommen hat, daß er mit den mobilen Truppen ins Feld gerückt ist, wird demselben zu der wirklichen Dauer der Dienstzeit ein Jahr zugerechnet. Ob bei längerer Dauer mehrere K. in Anrechnung kommen sollen, darüber bestimmt in jedem Fall der Kaiser. Für die Marine wird die Fahrtzeit jenseit der Linie Dover-Calais auch im Frieden doppelt gezählt, die in heimischen Gewässern nicht.

Kriegskommissar, ältere, hier und da noch übliche Benennung der Intendanturbeamten.

Kriegskonterbande, s. Konterbande.

Kriegskosten, die Kosten, welche durch die Mobilmachung des Heers, die Unterhaltung desselben während des Kriegs und seine Abrüstung nach beendetem Krieg sowie durch die Armierung und Desarmierung der Festungen, durch Transporte, Unterhaltung von Kriegsgefangenen, endlich durch die Instandsetzung und Neubeschaffung (Retablissement) des im Krieg zerstörten und verbrauchten Materials mehr entstehen, als das Heer im Frieden braucht. In den Friedensverträgen fordert meist der Sieger vom Besiegten die Bezahlung der K. oder eines Teils derselben als eine der Friedensbedingungen. Die K. betrugen 1866 für Preußen 282, 1870/71 für Deutschland 1024 Mill. Mk.

Kriegskrankenpflege, s. Kriegssanitätswesen.

Kriegskunst, die Kunst, durch zweckmäßigen Gebrauch der sich darbietenden Kriegsmittel den Kriegszweck (vgl. Krieg) auf die beste Weise zu erreichen. Die Aufgaben, welche der Krieg stellt, sind so vielseitig, die zu verwendenden Mittel nach Zeit und Ort so verschieden, die jedesmaligen besondern Verhältnisse der kriegführenden Parteien, der Kriegsschauplätze etc. so mannigfaltig, daß die Führung eines jeden Kriegs wieder andre Anforderungen stellt. Daneben gibt es aber doch gewisse unveränderliche Grundsätze für die Kriegführung aller Zeiten und aller Völker, und diese systematisch darzustellen, ist die Sache der Kriegswissenschaften (s. d.). Die Geschichte der K. und des Kriegswesens stellt den Gang dieser Entwickelung in Kriegs- und Friedenszeiten, also die militärischen Einrichtungen, die Waffen, Taktik, Operationskunst etc. aller oder einzelner Völker und Zeiten dar sowie die Einwirkungen der Kriegserfahrungen, der Wissenschaften, der Erfindungen auf die K. Sie ist demnach etwas andres als die Kriegsgeschichte (s. d.). Im Altertum war auch die Kriegführung einfach. Erst als man entferntere Züge unternahm, wurden auch die Vorkehrungen verwickelter. Unter dem Perserkönig Kyros scheint die K. der Asiaten den höchsten Gipfel erreicht zu haben. Die politischen Verhältnisse der griechischen Bundesstaaten waren der Entwickelung der K. nicht günstig; erst auswärtige Feldzüge führten zu eingehender Beschäftigung mit derselben. Ihren Glanzpunkt erreichte die K. der Griechen unter Alexander d. Gr. Die Römer bildeten sich nach den Griechen, führten aber bald den Krieg auf eigne Weise; Cäsar brachte die K. auf die höchste Stufe der Ausbildung. Unter den Kaisern geriet sie allmählich in Verfall, obschon es nicht an großen Feldherren fehlte. Die Völker, welche sich in das große römische Reich teilten, folgten mehr ihrem Instinkt als den Grundsätzen einer Kunst. Ebensowenig war im Mittelalter von einer K. die Rede; sogar untergeordnete Zweige derselben, wie die Taktik, blieben fast unkultiviert. Die höchst mangelhafte Heerverfassung jener Zeiten erschwerte entfernte Heereszüge und eine planmäßige Kriegführung. Die neuere K. beginnt mit dem Aufschwung der Wissenschaften, zunächst in den südwestlichen Staaten Europas, und demnächst mit der Errichtung stehender Heere. Heinrich IV. von Frankreich, Prinz Moritz von Nassau, Alexander Farnese u. a. machten sich besonders um die Entwickelung der K. verdient. Einen Abschluß in dieser Entwickelung brachte der Dreißigjährige Krieg, während dessen Gustav Adolf wichtige Veränderungen in der Taktik vornahm, leichtere Waffen einführte und namentlich um die Verbesserung der Artillerie sich große Verdienste erwarb. Nach ihm ging die Pflege der K. zunächst nach Frankreich über. Unter Ludwig XIV. fanden durch seinen Kriegsminister Louvois als Organisator, Vauban als Ingenieur und die lange Reihe französischer Feldherren, denen ein Wilhelm von Oranien, Prinz Eugen von Savoyen, Herzog von Marlborough, Kurfürst Friedrich Wilhelm und Leopold von Anhalt entgegentraten, alle Zweige der K. reiche Entfaltung. Friedrich Wilhelm I. erhob Preußen zu einer ansehnlichen Militärmacht, und durch seinen Sohn Friedrich d. Gr. erhielt die K. eine hohe Ausbildung; seit dem Siebenjährigen Krieg wurde die preußische Taktik (Saldern, Lascy) das Vorbild für alle Heere Europas, aber seit ihr der Geist Friedrichs fehlte, verfiel sie bald in mechanisches Drillen und taktische Künstelei. Der nordamerikanische Unabhängigkeitskrieg und die französischen Revolutionskriege brachten neue Elemente in die K., welche dann durch Napoleon I. weiter entwickelt wurden. Die Kunst, große Massen auf dem entscheidenden Punkt zu vereinigen und zu siegen, indem der Feind strategisch wie taktisch zersprengt wurde, war die Form des Napoleonischen Verfahrens, ein Gegensatz zu demjenigen Friedrichs d. Gr., welcher den Feind