Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Leberkrankheiten

598

Leberkrankheiten (braune Atrophie, Leberentzündung).

Leber fühlt man Spannung und Druck im rechten Hypochondrium, man hat das Gefühl, als ob ein Reif um den Leib gelegt wäre; fest anliegende Kleider werden unerträglich, es tritt Beengung auf der Brust ein. Objektiv ist die Leberhyperämie nur bei höhern Graden zu erkennen. Was die Behandlung der Leberhyperämie anbetrifft, so ist es in den meisten Fällen unmöglich, die Ursachen derselben zu beseitigen. Unter gewissen Umständen bringen Blutegel am After oder abführende Salze Erleichterung. Für Kranke, welche an habituellen Leberhyperämien leiden, eignen sich vorzugsweise Brunnenkuren in Homburg, Kissingen, Karlsbad, Marienbad. Die Leberatrophie (braune Atrophie) ist eine Folge allgemeiner Abmagerung, wie sie dem hohen Alter und zahlreichen abzehrenden Krankheiten, namentlich der Krebskachexie, eigen ist. Das ganze Organ wird dabei auf die Hälfte oder gar ein Drittel seiner normalen Größe reduziert, in den Zellen lagert sich braunes körniges Pigment ab; der Blutgehalt ist relativ reichlich. Eine Besserung des Leberschwundes ist nach dem Gesagten ausgeschlossen, nur selten findet eine Ergänzung des Gewebes durch kompensatorische Hyperplasie statt.

Die eiterige Leberentzündung (Leberabsceß, Hepatitis suppurativa). Im Beginn der Krankheit trifft man in der sehr blutreichen Leber auf verfärbte, gelbliche und auffallend weiche Stellen, welche leicht für Abscesse gehalten werden können. An diesen Stellen sind die Leberzellen gänzlich verschwunden, und es findet sich nur ein feinkörniger Brei vor. In einem spätern Stadium der Krankheit findet man in der Leber wirkliche Abscesse von der Größe einer Erbse bis zu der eines Hühnereies; sie sind von zerfallenem, mißfarbigem Lebergewebe umgeben und enthalten einen rahmigen, durch beigemischte Galle grünlichen Eiter. Die Abscesse brechen zuweilen nach der Bauchhöhle oder auch nach der äußern Haut und nach andern Nachbarorganen hindurch. Bleibt der Kranke dabei am Leben, so kann der Absceß im günstigen Fall ausheilen, und es entsteht an seiner Stelle eine schwielige Narbe. Die Ursachen dieser gefährlichen Krankheit sind zum großen Teil dunkel. Nach großen Verletzungen mit nachfolgender Verjauchung, namentlich nach Kopfverletzungen, nach Ruhr und Venenentzündung folgen sehr häufig Leberabscesse. In heißen Klimaten, z. B. in Ägypten, sind diese Abscesse sehr häufig, in kühlern Zonen selten. Die Ursache liegt entweder in einem Übergreifen einer Eiterung aus der Nachbarschaft (Magen, Pankreas, Pfortader, Milz) auf die Leber oder in der Einschleppung von eitererregenden Pilzen mit dem Blutstrom beim sogen. Eiterfieber (s. Pyämie). Die Krankheit wird gewöhnlich erst erkannt, wenn sie schon auf ihrem Höhestadium angelangt ist. Heftige Schmerzen mit Anschwellung der Lebergegend, Frostanfälle und hohes Fieber, meist auch Gelbsucht weisen darauf hin. Sind allmählich sich vergrößernde Leberabscesse vorhanden, so gesellt sich zuweilen ein eigentümlicher, unerklärter Schmerz in der rechten Schulter dazu. Gewöhnlich nehmen die Kräfte des Kranken schnell ab, er nimmt ein schlechtes Aussehen an und geht erschöpft zu Grunde. Fälle von Genesung kommen zwar vor, sind aber sehr selten. Die Behandlung hat sich darauf zu beschränken, durch entsprechende Diät, Wein und Eisenpräparate die Kräfte des Kranken aufrecht zu erhalten. Gegen die Frostanfälle gibt man zweckmäßig Chinin. Läßt sich die Stelle, wo ein Leberabsceß sitzt, rechtzeitig bestimmen, so muß derselbe geöffnet werden.

Interstitielle Leberentzündung (Leberverhärtung, granulierte Leber, Lebercirrhose, Cirrhosis hepatis) nennt man diejenige Form der Entzündung, welche zu einer Vermehrung und Neubildung von Bindegewebe in der Leber führt. Das neugebildete Bindegewebe schrumpft später ein und drückt dabei das Leberparenchym, welches dazwischenliegt, zusammen. Infolge dieses Druckes atrophieren die Leberzellen und gehen zum großen Teil zu Grunde. Das ganze Organ, welches anfangs durch die Wucherung vergrößert war, wird dabei natürlich kleiner, es nimmt eine plumpe, rundliche Gestalt an; die Oberfläche der Leber zeigt körnige oder warzige Hervorragungen. Da durch die Schrumpfung des neugebildeten Bindegewebes auch ein Druck auf die Pfortaderäste und auf die Gallengänge ausgeübt wird, so erklärt sich einerseits, daß Stauungen in den Organen, aus welchen die Pfortader das Blut zur Leber führt, eintreten müssen, wie auch anderseits, daß Gallenresorption in das Blut und Gelbsucht selten ausbleiben. Die Symptome des Anfangsstadiums der Lebercirrhose sind denen der einfachen Leberhyperämie sehr ähnlich. Magenkatarrh und allerhand Verdauungsstörungen sind von Anfang an vorhanden, in den meisten Fällen auch eine Schwellung der Milz. Früher oder später tritt Bauchwassersucht hinzu. Auf dem stark angeschwollenen Bauch zeigen sich dicke blaue Adern unter der Haut, welche den Namen des Medusenhauptes führen und erweiterte Venen sind, die das Blut aus dem Pfortadergebiet nach dem Gebiet der Hohlvenen überführen helfen, da die Zirkulation durch die Leber gehemmt ist. Aus den aufgeführten schweren Störungen resultiert schließlich eine hochgradige Beeinträchtigung der Ernährung, welche in Verbindung mit gewissen Erscheinungen einer abnormen Nerventhätigkeit den Tod des Kranken herbeiführt. Die Leberschrumpfung ist eine derjenigen Erkrankungen, die man wohl schlechtweg als Säuferleber bezeichnet, doch kommt sie auch unter andern Umständen vor, wenn dauernd dem Blut schädliche Stoffe zugeführt werden; oftmals sind die Ursachen völlig unbekannt. Wird die Krankheit im Beginn erkannt, so muß vor allen Dingen der Genuß von Spirituosen streng untersagt werden. Daneben werden abführende Salze (Mineralbrunnen) und die Applikation von Blutegeln am After gute Dienste thun. Hat sich einmal die Affektion bis zur Neubildung von Bindegewebe gesteigert, so läßt sich gegen die Krankheit selbst nichts mehr thun; nur einzelne Symptome derselben kann man erleichtern, z. B. den Magendarmkatarrh durch kohlensaure Alkalien. Das Wasser, welches sich in der Bauchhöhle ansammelt, sollte nur im äußersten Notfall durch Anstechen des Bauches entfernt werden, weil es sich schon nach wenigen Tagen wieder von neuem erzeugt und die Kräfte des Kranken dabei sehr herabkommen. Eine stärkende Diät vermag die Kräfte des Kranken länger aufrecht zu erhalten und das tödliche Ende hinauszuschieben.

Die syphilitische Leberentzündung ist nur in seltenen Fällen der Diagnose zugänglich. Gewöhnlich findet man die Leber verkleinert, wenn sie nicht zufällig gleichzeitig speckig degeneriert ist. Auf ihrer Oberfläche bemerkt man tiefe Furchen, welche der Leber ein eigentümliches gelapptes Ansehen geben; diesen Furchen entsprechen im Innern der Leber derbe fibröse Massen, welche oft in der ganzen Dicke des Organs die Stelle des untergegangenen Leberparenchyms einnehmen. Manchmal findet man auch erbsen- bis walnußgroße weißliche harte Knoten in der Leber, welche von einer Neubildung von Zellen, Kernen und Bindegewebe herrühren. Diese Knoten werden später in eine gelbliche käsige Masse umgewandelt,