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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Lotterie

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Lotterie (Klassenlotterie, Lotterieanlehen, Zahlenlotterie).

Augen, von dem einen eine Nummer aus dem einen Rad und von dem andern ein Gewinn oder eine Niete aus dem andern Rad gezogen. Oft werden in den ersten Klassen nur Gewinne gezogen, in der letzten aber Gewinne und Nieten, oft aber umgekehrt. Für die letzte Ziehung wird immer ein sehr ansehnlicher Gewinn als höchster aufgespart, der als großes Los die Erwartungen der Spielenden in Spannung erhält. Die in einer Klasse gezogenen Nummern werden durch gedruckte Listen, Lotterielisten, öffentlich bekannt gemacht. Zur Deckung der Unkosten, Bezahlung des Kollekteurs, und um einen Vorteil für die Unternehmung zu erhalten, wird von jedem Gewinn ein Abzug gemacht, der sich auf 15-16 Proz. zu belaufen pflegt. Diese Summe verliert notwendig die Gesamtheit der Spieler. Auch der Einzelne würde nach den Regeln der Wahrscheinlichkeit ebensoviel verlieren, wenn er sich genügend lange Zeit hindurch am Spiel beteiligen könnte. Klassenlotterien als Staatslotterien bestehen in Preußen (190,000 Lose zu je 168 Mk., mit 6 Mill. Mk. Reingewinn für die Staatskasse), in Sachsen (100,000 Lose zu je 200 Mk. und 5 Mk. Schreibgeld, mit 4½ Mill. Mk. Reingewinn für die Staatskasse), in Braunschweig (98,000 Lose zu je 120 Mk.), in Hamburg (veränderliche Anzahl von Losen, zur Zeit 100,000 zu je 120 Mk.) und in Mecklenburg-Schwerin (19,500 Lose zu je 120 Mk.). In mehreren Staaten ist das Spielen in fremden Klassenlotterien verboten. Die Veranstaltung einer Privatlotterie ist meist an staatliche Erlaubnis geknüpft, welche nur für wohlthätige, wissenschaftliche und künstlerische Zwecke und zwar unter der Bedingung erteilt zu werden pflegt, daß nur Wertgegenstände (keine Geldgewinne) ausgelost werden.

In rechtlicher Beziehung ist das Lotteriegeschäft eine Art Hoffnungskauf, zu dessen Erfordernissen gehört: daß eine L. ordnungsmäßig, namentlich unter obrigkeitlicher Erlaubnis, errichtet sei, wie denn das deutsche Reichsstrafgesetzbuch (§ 286) das Veranstalten von öffentlichen Lotterien und von öffentlichen Ausspielungen ohne Erlaubnis mit Gefängnis bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bis zu 3000 Mk. bedroht. Der Lotterievertrag wird in der Regel durch Übernahme eines Originalloses gegen Berichtigung des planmäßigen Einsatzes abgeschlossen. Wer ein solches Los besitzt und zum Spielen behält, gilt für dessen Eigentümer. Werden Lose ohne Bestellung angeboten, so muß unzweifelhafte Annahme der Offerte vorliegen, entweder laut Offertbriefs oder in Gemäßheit eines bereits bestehenden Geschäftsverhältnisses. Die Zusendung unbestellter Lose erfolgt ganz auf Gefahr des Zusenders. Das bloße Liegenlassen solcher Lose verpflichtet den Empfänger nicht zur Zahlung des Einsatzes, berechtigt ihn aber auch nicht zum Bezug darauf gefallener Gewinne. Grundlage des Rechtsverhältnisses zwischen Unternehmung und Spieler ist der Ziehungsplan. Der Gewinner kann den Unternehmer oder auch den Kollekteur um Zahlung angehen; meist ist dieses Wahlrecht auf eine bestimmte Frist beschränkt, nach deren Ablauf nur noch der Kollekteur angegangen werden darf. In die Kategorie der Klassenlotterie gehören auch die sogen. Lotterieanlehen oder Prämienanlehen, d. h. diejenigen öffentlichen Anlehen, deren Verzinsung und Tilgung, teilweise oder ganz, durch nach einem festgesetzten Ziehungsplan vorgenommene Verlosung von Gewinnen (Prämien, so werden jedoch auch überhaupt die Summen genannt, welche auf ein gezogenes Los entfallen, selbst wenn sie keinen Gewinn enthalten) bewirkt wird. Für letztere wird ein Teil der Zinsen oder die gesamte Zinssumme, seltener auch ein Teil des Kapitals selbst verwandt. Bei verbreiteter Neigung zum Glücksspiel finden diese Lotterien bereitwillige Aufnahme beim Publikum und bieten infolgedessen dem Staate den Vorteil, daß das Anlehen zu einem verhältnismäßig hohen Kurs begeben werden kann. Wenn sie auch viele Kapitalien einem regelmäßigen Zinsgenuß entziehen, so geben sie doch Gelegenheit, kleine Summen zu sparen, wenn nämlich, wie dies meist üblich ist, die kleinsten Gewinne noch über dem eingezahlten Satz stehen und selbst bis gegen Ende der Verlosung hin wachsen. In diesem Fall unterscheiden sich die Lotterieanlehen wesentlich von den gemeinen Lotterien, bei denen der Gewinn des einen nur durch den Verlust des andern ermöglicht wird, während ein teilweiser Verlust an Zinsen nicht so schwer empfunden wird. Auf der einen Seite wird dem Bedürfnis nach Verzinsung des Kapitals, auf der andern dem des Spiels genügt. In einigen Fällen werden auch den Losen Zinskoupons beigegeben und jährliche Zinsen entrichtet, statt daß alle Zinsen für die bei den jeweiligen Verlosungen stattfindenden Rückzahlungen aufgespeichert werden. Dies hat den Vorteil, daß auf diesem Wege größere Summen begeben werden können, weil niemand sein ganzes Kapital oder einen großen Teil desselben in Papieren anlegen wird, welche nicht regelmäßig Zinsen tragen. Bei fast allen Lotterieanlehen werden die Lose, oft Prämienlose genannt, in Serien geteilt (etwa Nr. 1-1000 als erste, 1001-2000 als zweite Serie etc.). Vor der Nummernziehung finden eine oder mehrere Serienziehungen statt. Da nun im voraus bestimmt ist, welche Nummern in jeder Serie enthalten sind, so steigen die in einer gezogenen Serie enthaltenen Nummern (Serienlose) im Kurs bis zu demjenigen Betrag, welchen man durch Division der für die ganze Serie zur Rückzahlung bestimmten Summe durch die Zahl der Nummern erhält; ja, sie kommen in der Zwischenzeit bis zur Ziehung der Nummern wenig mehr auf den Markt. In Deutschland fanden von jeher nicht allein die von Preußen, Baden, Kurhessen, Oldenburg, sondern auch die von fremden Ländern und Städten begebenen Prämienlose willige Abnehmer. Doch dürfen im Deutschen Reich nach dem Gesetz vom 8. Juni 1871 neue Inhaberpapiere mit Prämien nur auf Grund eines Reichsgesetzes und nur für Anleihen eines Bundesstaats oder des Reichs ausgegeben werden. Von ausländischen Prämienanlehen, die vor dem 1. Mai 1871 emittiert sind, dürfen diejenigen Stücke, die bis 15. Juli 1871 gegen eine Gebühr von ½-1 Mk. zur Abstempelung vorgelegt wurden, frei in Deutschland kursieren. England kennt die Prämienanlehen nicht; in Frankreich kommen sie nur bei Gemeinden vor. Bezüglich der an die Prämienpapiere sich anschließenden Heuer- oder Promessengeschäfte vgl. Heuer, S. 495.

Bei der Zahlenlotterie (Lotto) werden aus einem Glücksrad, in welchem sich die Zahlen von 1-90, die sogen. Nummern, einzeln in Kapseln verschlossen befinden, an festgesetzten Tagen je 5 Nummern gezogen, welche gewinnen, während alle andern verlieren, und zwar erhalten die Spieler, welche auf jene Nummern gesetzt hatten, ein Vielfaches ihres Einsatzes. Der Spieler kann entweder eine einzige Nummer (bez. mehrere einzelne) besetzen, indem er darauf wettet, daß sie überhaupt mit gezogen wird (simpler Auszug, estratto, estra), oder daß sie an einer bestimmten Stelle (etwa zuerst oder zu dritt oder zuletzt) herauskommt (auf den Ruf setzen), oder