Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Magenkatarrh

66

Magenkatarrh (akuter).

men gehören, da sie meist von unzweckmäßiger Nahrungseinfuhr abhängen, zu den häufigsten Krankheiten, besonders der zivilisierten Menschen.

Die Disposition für den akuten M. ist bei verschiedenen Menschen eine sehr verschiedene. Es scheint, als ob eine mangelhafte Absonderung von Magensaft die Disposition für den M. erhöhe, weil dadurch die Bildung abnormer Zersetzungsprodukte im Magen begünstigt wird. So sehen wir z. B., daß alle Fieberkranken sehr zu M. neigen. Wenn daher Fieberkranke die Nahrungszufuhr nicht entsprechend der Verminderung des Magensafts herabsetzen, so bekommen sie M. Auch bei heruntergekommenen und schlecht genährten Individuen, z. B. bei Rekonvaleszenten, scheint die Neigung zu derartigen Erkrankungen in einer mangelhaften Absonderung jenes Verdauungssafts ihren Grund zu haben. Hat jemand wiederholt an M. gelitten, so wird er nur noch mehr zu ähnlichen Affektionen disponiert. Der akute M. wird hervorgerufen durch ungewöhnlich große Quantitäten von Speisen, auch wenn diese an sich leichtverdaulich sind. Der Magensaft reicht dann zur Verdauung nicht aus, und es entstehen abnorme Zersetzungsprodukte. Der M. folgt auf eine solche Überladung des Magens gewöhnlich erst am folgenden Tag. Wird ein Teil des Mageninhalts erbrochen, und reicht der Magensaft hin, den Rest zu verdauen, so kommt es nicht zum Katarrh. M. kann auch durch mäßigen Genuß schwerverdaulicher Speisen hervorgerufen werden, er entsteht häufig auch infolge von Reizung der Magenschleimhaut durch sehr heiße oder sehr kalte Speisen und Getränke, durch manche Arzneien, durch spirituöse Getränke, durch scharfe Gewürze, wenn sie in größerer Menge genossen werden, und Diätfehler jeder Art, daher der Ausdruck verdorbener Magen; auch Erkältungen können M. hervorrufen. Zu gewissen Zeiten treten endlich Magenkatarrhe ohne bekannte Veranlassungen epidemisch auf, so besonders der fieberhafte Magendarmkatarrh, die sogen. Sommercholera oder Cholerine (Cholera nostras).

Tritt der M. nur in geringem Grad mit mäßigem Fieber auf, so geht er meist schnell vorüber. Die Kranken fühlen sich matt, sind verdrießlich, klagen über Frösteln und fliegende Hitze, haben einen heißen Kopf, kalte Hände und Füße, einen drückenden Stirnkopfschmerz, Flimmern vor den Augen; es ist ihnen, als ob der Kopf zerspringen wollte. Auch bei leerem Magen fühlt der Kranke Druck und Schmerz in der Magengegend, der Appetit fehlt, der Durst ist vermehrt, es ist Übelkeit und Widerwille gegen Speisen vorhanden. Von Zeit zu Zeit werden übelriechende oder geruchlose Gase durch Aufstoßen entleert, oft gelangen dabei sauer oder ranzig schmeckende Flüssigkeiten in den Mund. Die Zunge ist schleimig belegt, der Geschmack fade und pappig; es pflegt ein übler Geruch aus dem Mund vorhanden zu sein. Hierzu gesellt sich Poltern im Leib und von Zeit zu Zeit kneipender Bauchschmerz, welcher durch den Abgang übelriechender Blähungen erleichtert wird, endlich ein- oder einigemal breiiger Stuhlgang. Damit ist die Krankheit selbst vorbei, der Kranke kann wieder schlafen, das Allgemeinbefinden ist wieder besser. Gewöhnlich zeigt sich mit Eintritt der Genesung der Harn gesättigt gefärbt und im Nachtgeschirr ein ziegelmehlartiger Bodensatz. Ist der akute M. die Folge einer stärker einwirkenden Schädlichkeit, so tritt stärkere Übelkeit ein, die sich zum Würgen und endlich zum Erbrechen steigert. Die genossenen Speisen werden mit reichlichem Schleim gemischt ausgebrochen und haben meist einen stark sauren Geruch und Geschmack. Es treten hierzu heftige Durchfälle, durch welche wässerige, grün gefärbte Massen mit oder ohne Leibschmerzen entleert werden. Der Kranke fühlt sich fast immer durch das Brechen und Abführen erleichtert und ist nach 2-3 Tagen fast völlig hergestellt. Steigern sich Brechen und Durchfall zu sehr hohem Grad, so entsteht ein choleraartiger Zustand.

Ist der akute M. mit heftigem Fieber verbunden, und nimmt er einen langsamern Verlauf, so stellt er eine schwere Erkrankung dar, welche man als gastrisches Fieber (Febris gastrica, mucosa, biliosa) bezeichnet. Das gastrische Fieber tritt seltener mit einem einmaligen, heftigen Frostanfall, häufiger mit wiederholtem, leichtem Frösteln auf. Der Puls steigt bis auf 100 Schläge in der Minute und höher, die Körpertemperatur kann um mehrere Grade erhöht werden. Das Allgemeinbefinden ist in noch höherm Grad gestört als bei den oben beschriebenen Zuständen. Die Mattigkeit ist so groß, daß die Kranken im Bett bleiben; die Glieder und Gelenke schmerzen, als ob sie zerschlagen wären; der Kopfschmerz ist unerträglich, der Schlaf fehlt oder ist durch unruhige Träume gestört. Dagegen sind die mehr örtlichen Symptome nicht so entwickelt wie die des Allgemeinleidens. Das Fieber und das schlechte Allgemeinbefinden pflegen sich in den ersten Tagen der Krankheit zu steigern. Der Harn ist dunkel und hat einen ziegelmehlartigen Bodensatz. Anfänglich ist Stuhlverstopfung, später wässeriger Durchfall vorhanden. Ist das Fieber sehr heftig, so kann die Zunge trocken, können die Sinne benommen sein; es können Delirien auftreten, und die Krankheit ist dann kaum von einem beginnenden Typhus zu unterscheiden. Indessen pflegt zu Ende der ersten oder zu Anfang der zweiten Woche das Fieber nachzulassen; die früher trockne Haut wird dann feucht, der Durst mäßiger, die Zunge reiner; die Durchfälle werden seltener, endlich stellt sich auch Appetit ein, und es beginnt die Genesung. Die Kranken erholen sich aber nur langsam, bleiben lange Zeit sehr reizbar und bekommen leicht Rückfälle. Eine Modifikation des gastrischen Fiebers ist das sogen. Schleimfieber und das Gallenfieber, eine besondere Form des akuten Magenkatarrhs die Cholerine, der Brechdurchfall (s. Cholera).

Was die Behandlung des akuten Magenkatarrhs anbetrifft, so ist die wichtigste Aufgabe die, den M. zu verhüten. Vor allen Dingen muß die Diät, besonders bei Fieberkranken und Genesenden, bei Neugebornen und Säuglingen, überwacht werden. Wenn schädliche Ingesta oder in Zersetzung begriffene Nahrungsmittel den M. unterhalten, so ist ein Brechmittel am Platz; ist dagegen der Magen leer, so sind Brechmittel zu vermeiden. Wenn der M. sich nicht auf den Darm fortsetzt, so sind Abführmittel nicht am Platz; sind aber Kolikschmerzen, Blähungen etc. vorhanden, so kann man Rhabarber, Sennesblätterabkochung u. dgl. anwenden. Bei abnormer Säurebildung ist gebrannte Magnesia, in Wasser eingerührt, ganz zweckmäßig, ebenso das doppeltkohlensaure Natron, unter Umständen in der Form von Sodawasser. Bei kleinen Kindern thut ein Pulver von Magnesia mit Rhabarber sehr gute Dienste. Es ist durchaus nötig, daß der Patient während eines akuten Magenkatarrhs gänzlich faste oder doch nur milde Nahrungsmittel, am besten einfache Wassersuppe, zu sich nehme. Bei dem Schleimfieber freilich muß man, um die Kräfte des Kranken zu schonen, stets etwas tierische Kost geben, und es eignen sich hier am besten die konzentrierten Fleischbrühen. Um das übermäßige Erbrechen und den Durchfall zu stillen, läßt man den Kranken