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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Mars

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Mars (Planet).

fiziert. Als Kriegsgott führte er besonders den Beinamen Gradivus ("der Schreitende", wohl vom Sturmschritt der Schlacht zu verstehen). Seine Symbole waren der reißende Wolf, der kriegerische und weissagende Specht und die Lanze. Bei Ausbruch eines Kriegs forderte ihn der Feldherr feierlich zur Teilnahme auf, indem er an seine heilige Lanze und die heiligen Schilde (s. Ancile) schlug mit dem Ruf: M. vigila! ("M. erwache"). Auch während des Feldzugs und vor der Schlacht wurde ihm viel geopfert, und in seinem Namen vorzüglich wurden die militärischen Auszeichnungen erteilt. Als Schutzpatron der kriegerischen Übungen war ihm das Marsfeld (Campus Martius) geweiht, auf dem auch ihm zu Ehren Wettspiele mit kriegerischen Rossen (Equirria) am 27. Febr., 14. März und 15. Okt. stattfanden. Bei letztern wurde das rechte Pferd des siegreichen Gespanns an seinem Altar auf dem Marsfeld geopfert, das sogen. Oktoberroß, dessen aufgefangenes Blut im Tempel der Vesta aufbewahrt und an den Palilien (s. d.) als Reinigungsmittel gebraucht wurde. Den Kultus des M. besorgte ein eigner Priester, der Flamen Martialis, und das Kollegium der Salier (s. d.), das ihn besonders als Kriegsgott feierte. Seine Hauptfestzeit fiel in den März. Als seine Genossen im Kampfe feierte man angeblich schon seit Tullius Hostilius in besondern Heiligtümern Pavor und Pallor ("Furcht" und "Erbleichen"). Einen neuen Kult richtete ihm Augustus als M. Ultor (Rächer des Cäsar) in dem 2 v. Chr. eingeweihten prachtvollen (heute noch in Ruinen erhaltenen) Tempel auf dem Forum Augusti ein, in welchem sein Bild und das der Venus als der beiden göttlichen Ahnen des Julischen Geschlechts standen. Bei den Sabinern wurde M. auch als Schutzgott der Ehe und des ehelichen Lebens verehrt und zum Gemahl der Nerio (s. d.) gemacht. Beiname des sabinischen M. ist Quirinus (s. d.). Über die bildlichen Darstellungen des Mars s. Ares. Vgl. Roscher, Apollon und M. (Leipz. 1874); Robiou, Nom et caractère du M. des anciens Latins (Par. 1874).

Mars, Planet, dessen Bahn zunächst die Erdbahn umschließt, und der in der Geschichte der Astronomie wichtig geworden ist, weil Kepler an ihm zuerst die elliptische Gestalt der Planetenbahnen erkannt, und weil die Beobachtung dieses Planeten in seiner Opposition zur Bestimmung der Sonnenparallaxe dient (vgl. Parallaxe und Sonne). Dem unbewaffneten Auge erscheint er intensiv rot, durch das Fernrohr betrachtet aber in einem mehr gelblichen Lichte. Die siderische Umlaufszeit des M. um die Sonne beträgt 686,979646 Tage oder 686 Tage 23 Stunden 30 Minuten 41,4 Sekunden. Seine Bahn besitzt nach der des Merkur von allen Hauptplaneten die größte Exzentrizität, nämlich 0,0932167, d. h. etwa 1/11; sie ist aber gegen die Erdbahn nur um 1° 51' 5,8'' geneigt. Die mittlere Entfernung des M. von der Sonne ist 1,52369 Erdbahnhalbmesser = 226,52 Mill. km oder nahe 30 Mill. Meilen. Die größte und kleinste Entfernung verhalten sich wie 5:4, indem die erstere 33, die letztere 28 Mill. Meilen beträgt. Das Licht, welches der Planet von der Sonne erhält, ist in der mittlern, kleinsten und größten Entfernung resp. 0,43, 0,52 und 0,36 von dem, welches die Erde von der Sonne empfängt. Zur Zeit seiner Opposition kann sich der M. der Erde bis auf 7¾ Mill. Meilen nähern, in seiner obern Konjunktion sich aber auch bis auf 55 Mill. Meilen von derselben entfernen. Daher sein wechselnder Glanz und sein veränderlicher scheinbarer Durchmesser, welcher, auf die mittlere Entfernung der Erde von der Sonne reduziert, 9,5'' beträgt. Sein wahrer Durchmesser ist 0,54 des Erddurchmessers = 6752 km oder 910 geogr. Meilen. Nach der neuesten Bestimmung von Hartwig ist dafür 0,532 Erddurchmesser = 6735 km zu setzen. Eine Abplattung ist wahrscheinlich, ihre Größe aber unbekannt. Die Masse des M. beträgt nach Leverrier 1/2998300 der Sonnenmasse; seine mittlere Dichtigkeit würde danach = 0,7 der Erddichtigkeit oder viermal so groß als die Dichtigkeit des Wassers sein, und die Schwere würde auf dem M. etwa 0,38 von der auf der Erde beobachteten betragen. Merkwürdig sind die hellern und dunklern Flecke, die man mit Hilfe eines guten Fernrohrs auf dem Planeten bemerkt, und welche schon Fontana 1636 und Zucchi 1640 wahrnahmen. Aus der Bewegung dieser Flecke haben schon Huygens und D. Cassini die Rotationsdauer zu 24 Stund. 40 Min. bestimmt; in neuester Zeit fanden van de Sande, Backhuyzen und Wislicenus dieselbe übereinstimmend gleich 24 Stund. 37 Min. 22,66 Sek.

Die rote Färbung des M. erklärt man durch die Absorption, welche das von der Sonne kommende Licht beim Durchgang durch die Atmosphäre des M. erleidet. Die Anwesenheit einer Atmosphäre auf dem M. ist unzweifelhaft sicher, und man muß annehmen, daß ihre Zusammensetzung nicht erheblich von der unsrigen abweiche und vor allem reich an Wasserdämpfen sei. Anderseits muß die Marsatmosphäre eine wesentlich verschiedene sein von der des Jupiter; denn während bei dem letztern die Helligkeit nach dem Rande der Scheibe hin abnimmt, ist es eine charakteristische Eigentümlichkeit des M., daß er am Rand heller erscheint als in der Mitte. In der hellen Randzone werden alle in der Mitte der Scheibe erkennbaren Einzelheiten der Oberfläche unsichtbar, und dies findet bis auf beträchtliche Entfernung vom Rand statt. Auch in der Mitte ist die Durchsichtigkeit der Atmosphäre ziemlich wechselnd, und so gelangt man zu der Ansicht, daß die Marsatmosphäre mit Dämpfen erfüllt ist, die aus irgend welchem Grund nicht so dichte Wolken bilden können, wie diejenigen unsrer irdischen Atmosphäre sind, welche aber die Oberfläche des Planeten mit einem das Licht noch durchlassenden Nebel überziehen. Derselbe lichtet sich an einzelnen Stellen und verdichtet sich wieder an andern; während er im zentralen Teil, wo man senkrecht durch die Nebelschicht hindurchsieht, das Erkennen der Oberflächengestaltung gestattet, ist dies am Umfang nicht mehr möglich, weil das Licht hier eine dickere Schicht zu durchlaufen hat. Durch die größere Dicke am Rand wird auch hier die Reflexionsfähigkeit größer, wodurch sich die Helligkeit der Randzone erklärt.

Der M. ist derjenige Planet, über dessen Oberflächenbeschaffenheit wir, nächst unsrer Erde, am besten unterrichtet sind, und der uns den Anblick von Veränderungen darbietet, die den meteorologischen Vorgängen auf der Erdoberfläche analog sind. Von den zahlreichen Flecken des M. sind die hellern rötlich, die dunklern graugrün oder bläulich. Der gewöhnlichen Annahme nach sind die letztern Wasseransammlungen, die hellern Festlandmassen. An den Polen des Planeten, von denen uns infolge der starken Neigung des Marsäquators gegen seine Bahn (27°) in der Regel nur ein einziger sichtbar ist, gewahrt man sehr helle, fast kreisrunde Flecke von so starkem Glanz, daß man sie selbst durch Wolken in unsrer Atmosphäre bisweilen sehen kann. Man hat dieselben schon frühzeitig für Schnee- und Eisflächen gehalten, und der ältere Herschel hat 1784 bemerkt, daß dieselben im