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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Musik

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Musik (18. Jahrhundert).

Marmontel u. a., mit Originaldichtungen hervor und fanden sofort ebenbürtige musikalische Mitarbeiter in Philidor, Monsigny und Grétry, welch letzterer 1768 mit Marmontels "Huron" in Paris debütierte und seitdem mit Recht der Liebling des französischen Publikums war; denn er gab der komischen Oper diejenige Vollendung, durch welche sie, wie O. Jahn bemerkt, noch heute die echte Repräsentantin des nationalen Charakters der Franzosen auf dem Gebiet der dramatischen M. ist. Einen ähnlichen Umschwung bewirkte die Opera buffa in Deutschland, wenn auch hier die Bedingungen zur Ausbildung einer nationalen Oper weit weniger günstig waren als in Frankreich. Inmitten des Elends, welches der Dreißigjährige Krieg im Gefolge gehabt, war das deutsche Nationalbewußtsein so tief gesunken, daß man sich der geistigen Fremdherrschaft willig unterworfen hatte, und namentlich war die Opernbühne ausschließlich in den Händen der Italiener oder doch solcher Deutschen, die, wie Fux in Wien (gest. 1741), Graun in Berlin (gest. 1759), Hasse in Dresden (gest. 1783), sich künstlerisch ganz und gar italienisiert hatten. Von den deutschen Fürsten war eine Änderung dieser Zustände vorläufig nicht zu erwarten; selbst der patriotischte unter ihnen, Friedrich d. Gr., wollte bekanntlich von einer vaterländischen Kunst nichts wissen, und seine Äußerung, "er wolle lieber von einem Pferd sich eine Arie vorwiehern lassen als an seiner Oper eine deutsche Sängerin anstellen", beweist, daß er für die M. keine Ausnahme machte. Die einzige Stadt Deutschlands, welche sich bald nach dem Dreißigjährigen Krieg dem Einfluß des Auslandes mit Erfolg zu entziehen suchte, war Hamburg, wo nicht nur die deutsche Kirchen- und Kammermusik während des 17. Jahrh. eine besonders bereitwillige Pflege gefunden hatte, sondern auch 1678 eine nationale Opernbühne ins Leben gerufen war. Da es derselben jedoch an Dichtern fehlte, welche fähig gewesen wären, dem Geschmack der Gebildeten und dem des Volkes gleichzeitig Genüge zu leisten, und der letztere aus materiellen Gründen mehr und mehr die Oberhand gewann, so sank die Hamburger Oper nach kurzer Blüte wieder herab und artete schließlich zur gemeinen Posse aus. Im J. 1738, nachdem die angesehensten Musiker Deutschlands, Reinhard Keiser, Mattheson, zeitweilig auch Händel, sich vergebens bemüht hatten, ihr das Leben zu fristen, mußte sie geschlossen werden, und die Italiener konnten nun auch in Hamburg ihren siegreichen Einzug halten. Auch der Aufschwung, den die deutsche Dichtung um diese Zeit mit Gottsched nahm, vermochte zur Hebung der deutschen Oper nicht beizutragen, vielmehr geriet sie noch weiter in Mißkredit, nachdem der genannte Professor in seiner "Kritischen Dichtkunst" (1729) die Oper als "das ungereimteste Werk" bezeichnet hatte, "das der menschliche Geist jemals erfunden habe", und selbst Männer wie Gleim und Lessing das deutsche Singspiel (Operette) als kulturfeindlich bekämpft hatten. Es bedurfte des in Frankreich gegebenen Beispiels, um die Aufmerksamkeit der künstlerischen Kreise Deutschlands aufs neue dieser Kunstgattung zuzuwenden, sowie des Talents des Dichters Chr. Fel. Weiße und des Komponisten J. A. ^[Johann Adam] Hiller (beide in Leipzig), um die Abneigung der Gebildeten gegen das deutsche Singspiel zu überwinden. Das von den letztgenannten verfaßte Singspiel "Der Teufel ist los, oder: die verwandelten Weiber" fand bei seinem ersten Erscheinen (1765) ungeteilten Beifall, und die weitern Opern Hillers, namentlich "Der Dorfbarbier" und "Die Jagd", wurden schnell in ganz Deutschland beliebt, obwohl man sich allerorten für ihre Darstellung mit untergeordneten, von der italienischen Oper verschmähten Gesangskräften begnügen mußte. Einen noch günstigern Boden für ihre Entwickelung fand die deutsche Oper in Wien, nachdem in demselben Jahr Joseph II. den Thron bestiegen und der nationalen Kunst seine Teilnahme zugewendet hatte. Unter seiner persönlichen Fürsorge gewann die Operette bald ein solches Ansehen, daß selbst ein Goethe ihr seine Thätigkeit widmete, und als endlich Wolfgang Amadeus Mozart (1756-91), der bis dahin ausschließlich für die italienische Oper thätig gewesen war, unter dem Schutz des Kaisers seinen Lieblingswunsch, eine deutsche Oper zu komponieren, verwirklichen konnte (die 1782 zum erstenmal aufgeführte "Entführung aus dem Serail"), trat auch in Deutschland die nationale Oper ins Leben.

Noch weit wichtigere Dienste aber leistete Deutschland während des 18. Jahrh. der Tonkunst auf dem Felde der Instrumentalmusik, welche im Verlauf desselben durch Joseph Haydn (1732-1809), Wolfgang Amadeus Mozart und Ludwig van Beethoven (1770-1827) derart vervollkommt war, daß sie nunmehr der Vokalmusik ebenbürtig zur Seite stehen konnte. Wie Bedeutendes auch diese Meister in allen Gattungen der Komposition geschaffen haben, so liegt doch der Schwerpunkt ihrer Leistungen in der Ausbildung der cyklischen Instrumentalformen: der Sonate, des Streichquartetts, der Orchestersymphonie. In diesen Gattungen, welchen allen die Form der modernen Sonate zu Grunde liegt, konnte die Kunst des Tondichters sich um so reicher entfalten, als hier die einzelnen Sätze untereinander organisch verbunden sind, im Gegensatz zu den ältern Instrumentalformen, der Partita und der Suite, in welchen eine Anzahl von Tonstücken, vorwiegend Tänze, zwar cyklisch aneinander gereiht, doch ohne innere organische Beziehung zu einander erscheinen. Was den Ursprung der erstern, künstlerisch ungleich höher stehenden cyklischen Form betrifft, so ist derselbe auf die dreiteilige Opernouvertüre zurückzuführen, in der Gestalt, welche sie in Italien durch A. Scarlatti erhalten hatte, nämlich mit einem Anfang und Schlußsatz in lebhafter, und einem Mittelsatz in langsamer Bewegung. Bei immer zunehmender Ausdrucksfähigkeit der Instrumente hatte man begonnen, diese Ouvertüre auch außerhalb des Theaters, zu Konzertzwecken, zu benutzen, was in der Folge zu einer Trennung und innern Durchbildung der drei Sätze führte, wobei jedoch die Einheit des Ganzen nicht aus dem Auge gelassen wurde. Als das Ergebnis dieses Prozesses entstand das schon erwähnte italienische Violinkonzert des Vivaldi und die Klaviersonate des Ph. Em. Bach, beide Muster der Sonatenform, welche von Haydn und Mozart zwar mit neuem, reichem Geist erfüllt, im wesentlichen jedoch (abgesehen von der Hinzunahme eines vierten Satzes, des der Suite entlehnten Menuetts) unverändert gelassen wurde. Beethoven endlich war es vorbehalten, diese Form bis zur äußersten Grenze ihrer Erweiterungsfähigkeit zu führen und sie, wie R. Wagner in seiner Schrift "Zukunftsmusik" sagt, "mit einem so unerhört mannigfaltigen und hinreißenden melodischen Inhalt zu erfüllen, daß wir heute vor der Beethovenschen Symphonie wie vor dem Markstein einer ganz neuen Periode der Kunstgeschichte überhaupt stehen; denn durch sie ist eine Erscheinung in die Welt getreten, von welcher die Kunst keiner Zeit und keines Volkes