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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Natterwendel; Natterwurz; Natterzunge; Natuna; Natūr; Naturāl-; Naturalĭa non sunt turpĭa; Naturalĭen

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Natterwendel - Naturalien.

vermag sie nichts auszurichten und verteidigt sich schließlich nur durch ihren stinkenden Unrat. Sie lebt hauptsächlich von Fröschen, frißt auch Eidechsen, Kröten, Molche und Fische; Wasser trinkt sie selten. Sie kann monatelang hungern. Die Paarung erfolgt im Mai und Juni; das Weibchen legt im Juli, August oder September 15-35 perlschnurartig zusammenhängende, weiße Eier (die "Hahneneier" des Volksglaubens) von der Größe der Taubeneier, mit weicher, biegsamer Schale und sehr wenig Eiweiß, an feuchte Orte unter Mist, Laub, Moos, in lockere Erde. Nach drei Wochen schlüpfen die 15 cm langen Jungen aus, um welche die Mutter sich nicht kümmert. In der Gefangenschaft hält sie sich ohne besondere Pflege recht gut. Die glatte Natter (österreichische, thüringische Natter, Schlingnatter, Jach-, Zornschlange, Coronella laevis Lac., s. Tafel "Schlangen II"), 60-100 cm lang, mit walzenförmigem, nicht komprimiertem Körper, mittelgroßem, plattem, wenig abgesetztem Kopf, großen Schildern auf dem Kopf, kurzem Schwanz und glatten Rückenschuppen ohne erhabene Kiele; sie ist oberseits braun mit großem dunklern Fleck im Nacken und zwei Reihen dunklerer Flecke längs des Rückens, einem dunkelbraunen Streifen hinter den Augen, unterseits stahlblau oder rotgelblich und weißlich, auch oft dunkler gefleckt. Sie findet sich in Süd- und Mitteleuropa, auch noch in Norwegen, Ägypten und im Kaukasus, in Deutschland in allen Mittelgebirgen, bewohnt meist sonnige Abhänge, ist viel lebhafter als die Ringelnatter, geht nicht freiwillig ins Wasser, lebt hauptsächlich von Eidechsen, auch von Blindschleichen und Mäusen und umschlingt regelmäßig ihre Beute. Sie ist bisweilen ungemein jähzornig, wird aber in der Gefangenschaft meist bald sehr zahm. Aus ihren im August und September gelegten 3-13 Eiern kriechen die 15 cm langen Jungen sofort aus. Die Äskulapschlange (Coluber Aesculapii Gesn.), 1,5 m lang, mit ziemlich kleinem, wenig abgesetztem, an der Schnauze gerundetem Kopf, langem Hals und mittellangem Schwanz, am Vorderkörper mit glatten, nach hinten zu aber mit sehr schwach gekielten Schuppen, ist oberseits bräunlich graugelb, unterseits weißlich, am Hinterkopf jederseits mit einem gelben Fleck und auf dem Rücken und an den Seiten weiß getüpfelt. Sie bewohnt Südeuropa und scheint im Altertum von Rom aus in Schlangenbad, in Baden bei Wien etc. angesiedelt zu sein, wo sie sich noch heute findet. Sie erscheint erst im Juni, liebt die Nähe alten Gemäuers, ist höchst anmutig, klettert sehr geschickt, geht nicht freiwillig ins Wasser, nährt sich besonders von Mäusen und legt nur etwa fünf Eier. In der Gefangenschaft zeigt sie sich anfangs sehr boshaft und verschmäht oft lange Zeit die Nahrung.

Natterwendel, s. v. w. Wendehals.

Natterwurz, s. Polygonum.

Natterzunge, s. v. w. Ophioglossum.

Natuna, Inselgruppe des Indischen Archipels, nordwestlich von Borneo, zur niederländ. Residentschaft Riau gehörig, 1723 qkm (31 QM.) groß mit 7750 malaiischen Einwohnern, besteht aus der Insel Groß-N. (1586 qkm) und vielen kleinen, hohen und mit guter Vegetation bedeckten Eilanden.

Natūr (lat. natura, von nasci, entstehen), die uns umgebende Welt in ihren gesetzmäßigen Veränderungen und mit ihrem gesamten Inhalt, namentlich soweit sie dem Einfluß der Menschen noch unverändert gegenübersteht, daher auch im Gegensatz zur Kultur oder Kunst gebraucht. Zur N. gehören alle ursprünglichen, nicht durch die Hand des Menschen veränderten Dinge, alle Geschöpfe, der Mensch nicht ausgenommen, insofern auch die mit ihm vorgehenden Veränderungen von Naturgesetzen abhängen, wie die Statistik so deutlich zeigt. Der Mensch hat aber außer der objektiven Auffassung der Dinge noch eine Auffassung derselben nach subjektiven Ideen. Diese erheben ihn über die N. zur Auffassung des Schönen, des Guten, des Zweckmäßige. So ist er zwar nicht Bürger zweier Welten, wie man oft gefabelt hat; wohl aber hat er von einer und derselben Welt zwei ganz verschiedene Anschauungsweisen: die natürliche und die religiöse oder ideale. Man spricht von der freien N. im Gegensatz zu den durch überlieferte Anschauungen, politischen Zwang, juristische Satzungen, Verkehr und Willkür eingeengten geselligen und bürgerlichen Verhältnissen. Man erholt sich vom Druck und Treiben des bürgerlichen Lebens in der freien N., weil jener Druck hier wegfällt, wo nur unabänderliche, allgemein gültige Naturgesetze, aber keine willkürlichen menschlichen Satzungen herrschen. Die N. eines Dinges ist seine Abhängigkeit vom Naturgesetz in der ihm eigentümlichen Form. So kann man auch von der N. eines Menschen sprechen, insofern seine ihm vererbte Anlage sich in ihm nach ganz bestimmter gesetzmäßiger Form entwickelt. Diese Anlage nennt man auch Naturell (s. d.) oder Naturanlage. Man spricht in diesem Sinn von der N. bestimmter Arten von Dingen und Erscheinungen. Insofern die Eigentümlichkeit eines Menschen, eines Tiers, einer Pflanze oder irgend eines Körpers überhaupt von seiner N., also von seiner unter Naturgesetzen stehenden Anlage herrührt, nennt man ihr Wesen natürlich. Der Gegensatz dazu ist das durch Absicht, Kunst, Erziehung, Dressur etc. Erworbene. Das Künstliche ist dem Natürlichen gerade entgegengesetzt. Die Erziehung sucht den natürlichen Menschen den Ideen des Guten und Schönen gemäß auszubilden. Man spricht auch von der schönen N. und deutet damit auf die ideelle Bedeutung der Naturgegenstände hin, denn insofern wir die Dinge als schön auffassen, legen wir ihnen einen Wert an sich bei, der aus ihrer Abhängigkeit von Naturgesetzen nicht entspringt. Die Erforschung der Gesetze der N. ist Gegenstand der Naturwissenschaft (s. Naturforschung).

Naturāl-, in der Zusammensetzung mit Abgabe, Leistung, Lieferung, Lohn, Steuern, Tausch, Wirtschaft etc. gebraucht, um Leistungen in Arbeit oder in Gütern zu bezeichnen im Gegensatz zu Geldleistungen und zur sogen. Geldwirtschaft (s. Geld, S. 50).

Naturalĭa non sunt turpĭa (lat.), "das Natürliche ist nicht schändlich", stammt aus der Schule der Cyniker und spricht insofern etwas Wahres aus, als das bloß Physische keiner moralischen Beurteilung unterliegen kann, darf aber nicht (wie von jener) in dem Sinn verstanden werden, als dürfe sich der Mensch alles erlauben, was er natürlicherweise thun kann.

Naturalĭen, alle Naturkörper, welche durch Kunst oder Willkür noch keine Umänderung erfahren haben, z. B. Mineralien, Gebirgsarten, Pflanzen und Tiere. Man stellt von solchen für Unterrichtszwecke und zum Selbststudium Naturaliensammlungen (Naturalienkabinette, naturwissenschaftliche Museen) zusammen. Eine solche Sammlung enthält die Gegenstände entweder ganz roh und unbearbeitet (manche Mineralien, Kristalle, Versteinerungen) oder so, daß sie für den Unterricht zubereitet sind, um bequemer, handlicher und instruktiver zu sein. So werden die Stücke von Gesteinsarten zu Platten von bestimmter Form und Größe zugemeißelt, damit man