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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Oldenburg

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Oldenburg (Großherzogtum: Verwaltung, Rechtspflege, Finanzen etc.; Geschichte).

zu dem des Bischofs von Trier. Die katholische kirchliche Oberbehörde ist in O. das bischöfliche Offizialat in Vechta.

Die oberste Leitung der Regierung ist einem Staatsministerium übertragen, welches aus 3 Ministern, bez. Ministerialvorständen besteht. Unter diese sind die verschiedenen Departements des großherzoglichen Hauses, des Äußern, des Innern, der Justiz, der Kirchen und Schulen, der Finanzen, des Militärwesens verteilt. Das Staatsministerium leitet die Verwaltung im Herzogtum O. unmittelbar, während die Fürstentümer besondere Mittelbehörden für die Verwaltung, nämlich die Regierungen zu Eutin und Birkenfeld, haben. Diesen ist auch die unmittelbare Leitung des Schulwesens in ihren Bezirken anvertraut, während für dieses im Herzogtum ein evangelisches Oberschulkollegium (zu Oldenburg) und ein katholisches (zu Vechta) besteht. Was die Rechtspflege anbelangt, so gilt im Herzogtum O. und im Fürstentum Lübeck das gemeine deutsche Zivilrecht, modifiziert durch Partikularrechte und einzelne Gesetze, im Fürstentum Birkenfeld der Code Napoléon, sofern nicht die gemeinsame Gesetzgebung des Deutschen Reichs dafür an die Stelle getreten ist. Die Rechtssprechung erfolgt (nach Maßgabe der Justizverfassung für das Deutsche Reich) im Herzogtum durch das (mit Schaumburg-Lippe gemeinsam gehaltene) Oberlandesgericht sowie durch das Landgericht zu Oldenburg und durch 14 Amtsgerichte. Das Fürstentum Lübeck gehört zum Oberlandesgericht zu Hamburg und zu dem mit der freien Hansestadt Lübeck gemeinschaftlich bestellten Landgericht zu Lübeck, das Fürstentum Birkenfeld zum Oberlandesgericht Köln und zum Landgericht Saarbrücken. In diesem Fürstentum bestehen 2, im andern 3 Amtsgerichte. Die Finanzen der drei Landesteile werden getrennt verwaltet. Außerdem besteht eine Zentralkasse für das gesamte Großherzogtum, welche durch den Anteil an den Reichszöllen und Steuern, aus Zinsen des vorhandenen Kapitalvermögens und aus den Beiträgen der drei Landesteile gespeist wird. Letztere beliefen sich für die Finanzperiode 1885-87 auf durchschnittlich jährlich 129,000 Mk., wozu das Herzogtum 76, Lübeck 16 und Birkenfeld 8 Proz. beizutragen haben. Die Reichszölle sind mit jährlich 65,000, die Kapitalzinsen mit 221,000 Mk. angesetzt. Die Gesamteinnahme macht 1,013,000 Mk. aus und ebensoviel die Ausgabe, welche für die gemeinsamen Behörden und Anstalten, für die Reichslasten (656,000 Mk. jährlich) und für die Pensionen und Wartegelder zur Verwendung kommt. Die besondere Einnahme im Herzogtum ist zu 5,664,000 Mk., die Ausgabe zu 5,633,000 Mk. jährlich im Durchschnitt veranschlagt; im Fürstentum Lübeck: Einnahme 658,000 Mk., Ausgabe 642,000 Mk. durchschnittlich; im Fürstentum Birkenfeld: Einnahme 565,000 Mk., Ausgabe 530,000 Mk. Die Staatsschuld betrug Ende 1886 im Herzogtum 37⅗ Mill. Mk. (darunter 17⅔ Mill. Mk. Eisenbahnschuld und 14½ Mill. Mk. konsolidierte Staatsschuld), im Fürstentum Lübeck 41,700 Mk., im Fürstentum Birkenfeld 3677 Mk. Das Großherzogtum als solches ist schuldenfrei. Das Verhältnis der bezifferten Einnahmen und Ausgaben wie der Staatsschulden zur Bevölkerung ist folgendes. Es kommen auf je einen Bewohner Mark an:

Einnahmen Ausgaben Schulden

Herzogtum Oldenburg 21,2 21,1 140,0

Fürstentum Lübeck 19,0 18,5 1,2

Fürstentum Birkenfeld 14,2 13,4 0,1

Die oldenburgischen Truppen gehören seit 1867 dem preußischen Heer an als Infanterieregiment Nr. 91, Dragonerregiment Nr. 19 und 2 Batterien des 26. Feldartillerieregiments, deren Chef der Großherzog ist. Sie bilden Teile des 10. Armeekorps (Hannover). Das Wappen des Großherzogtums besteht aus einem Haupt- und einem Mittelschild; jener enthält die Embleme von Norwegen, Schleswig, Holstein, Stormarn, Dithmarschen und Kniphausen; der gekrönte Mittelschild (s. Tafel "Wappen") die von O. (zwei rote Querbalken in Gold), Delmenhorst (goldenes Kreuz in Blau), Lübeck (goldenes Kreuz mit Bischofsmütze in Blau), Birkenfeld (von Weiß und Rot in vier Reihen geschacht) und Jever (goldener Löwe in aufrecht schreitender Haltung auf Blau). Das Ganze ist von einem Wappenzelt umgeben und mit einer Königskrone bedeckt. Die Landesfarben sind Blau und Rot; die Flagge (s. Tafel "Flaggen") ist blau mit einem roten, rechtwinkelig stehenden Kreuz. Der einzige Orden (s. Tafel "Orden") ist der Haus- und Verdienstorden des Herzogs Peter Friedrich Ludwig (gestiftet 17. Nov. 1838) mit vier Klassen (Großkreuze, Großkomture, Komture, Ritter erster und zweiter Klasse) und dazu gehörigem Ehrenkreuz (drei Klassen); außerdem bestehen einige Ehrenzeichen für Rettung aus Gefahr, für Verdienste im J. 1870/71 etc. Landeshauptstadt und großherzogliche Residenz ist Oldenburg. Im Sommer hält sich der Hof in dem Lustschloß Rastede, im Herbst auf den Hausgütern in Holstein und zu Eutin auf. Vgl. "Statistische Nachrichten über das Großherzogtum O." (hrsg. vom Statistischen Büreau, Oldenb. 1857-88); Kollmann, Das Herzogtum O. in seiner wirtschaftlichen Entwickelung (das. 1878); Böse, Das Großherzogtum O. (das. 1863); Karten von Reymann (Glog. 1856), Böse (Oldenb. 1861) und vor allen die amtlichen Karten von Schrenck (das. 1856, nebst Nachträgen).

Geschichte.

In den ältesten Zeiten war O. von dem germanischen Volksstamm der Chauken bewohnt, welche später in den Friesen untergingen. In Ammergau und Lerigau geteilt, gehörte das Land zu den Besitzungen der Herzöge von Sachsen. Als erste Grafen von O. werden in Urkunden (von 1088 bis 1108) Elimar I. und sein Sohn Elimar II. erwähnt. Elimars II. Sohn und Nachfolger Christian I., der Streitbare (seit 1148), zog mit seinem Lehnsherrn, dem Herzog Heinrich dem Löwen von Sachsen, 1155 nach Italien, empörte sich aber 1168 gegen denselben und fiel bei der Verteidigung seiner Feste O., worauf sein Vetter, Graf Johann, mit der Grafschaft O. belehnt, Christians Söhne aber von der Nachfolge ausgeschlossen wurden. Als jedoch Heinrich der Löwe 1180 selbst in die Reichsacht erklärt und verbannt worden war, erhielten Christians Söhne Christian II. und Moritz I. nicht nur ihre Grafschaft wieder, sondern erlangten auch die Reichsunmittelbarkeit. Moritz I. und seine beiden Söhne Otto II. und Christian III. suchten ihre Besitzungen durch Unterwerfung der freien Friesen zu erweitern, bauten Burgen im Stedingerland und reizten durch Bedrückung die Bauern zu einem allgemeinen Aufstand. Die Stedinger erlagen aber nach heldenmütiger Verteidigung in der Schlacht bei Altenesch (27. Mai 1234) der Übermacht und mußten die Hälfte ihres Landes an O. abtreten. Nach Ottos II. kinderlosem Tod folgte ihm seine Neffe Johann X. (1244-72). Seine Söhne Christian V. und Otto III. begründeten durch Teilung die Linien O. und Delmenhorst; nachdem erstere 1305 erloschen, fiel O. an Johann XI., Ottos III. Sohn, der Delmenhorst an seinen Bruder Christian IV. abtrat. Dietrich der Glückliche von O. erwarb durch Ver-^[folgende Seite]