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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Österreichisch-Ungarische Monarchie

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Österreichisch-Ungarische Monarchie (Geschichte: 1791-1804).

in Frankreich zu gunsten des gefährdeten Königtums seines Schwagers Ludwig XVI., zu welchem ihn die französischen Emigranten und Friedrich Wilhelm II. von Preußen drängten, hielt er sich vorsichtig zurück, versprach in Pillnitz (August 1791) nur für die Zukunft seine Mitwirkung und wich trotz aller Herausforderungen einer Kriegserklärung gegen Frankreich bis zu seinem Tod (1. März 1792) aus.

Sein Sohn Franz II. (1792-1806 deutscher Kaiser, 1804-35 als Franz I. Kaiser von Österreich) hatte für Reformen, wie sie sein Oheim und auch sein Vater erstrebten, keinen Sinn. Eifersüchtig auf seine absolute Fürstenmacht, war er vor allem darauf bedacht, daß im Reich alles wie in einem Uhrwerk seinen mechanischen Gang weiterging, den Befehlen pünktlich gehorcht wurde und keine freiere Regung das bestehende System gefährdete; zu diesem Zweck wurde eine umfassende polizeiliche Überwachung eingerichtet. Das einzige, was sich von Joseph II. auf ihn vererbte, war die unruhige Begehrlichkeit nach Gebietsvergrößerung, als deren Vertreter der Minister Thugut gelten konnte, der seit 1794 Nachfolger von Kaunitz war. Daß dieser Beweggrund in Österreich (wie auch in Preußen und Rußland) der eigentlich maßgebende war, übte auf den Verlauf der Revolutionskriege, welche mit der Kriegserklärung Frankreichs 20. April 1792 begannen, die nachteiligste Wirkung. Österreich stellte in Belgien und am Oberrhein Heere auf, die aber, überdies in ungenügender Stärke, ebenso langsam und ungeschickt vorgingen wie die preußischen an der Mosel, so daß sie sich ebenso wie diese nach der Kanonade von Valmy (20. Sept.) aus Frankreich zurückziehen mußten und durch die Niederlage bei Jemappes (6. Nov.) Belgien verloren. Der Sieg des Prinzen von Koburg bei Neerwinden (18. März 1793) zwang zwar die Franzosen, Belgien wieder zu räumen. Aber diesen Sieg erfolgreich auszubeuten, waren weder die genügenden Streitkräfte noch der Wille da. Mit Eifersucht beobachtete Thugut die preußischen und russischen Vergrößerungspläne auf Kosten Polens, während sein Wunsch, Belgien gegen Bayern auszutauschen, keine Aussicht auf Erfüllung hatte. Der Krieg am Oberrhein und in Belgien wurde daher lau geführt, und letzteres kam nach den Niederlagen von Wattignies (15. u. 16. Okt. 1793) und Fleurus (26. Juni 1794) von neuem in den Besitz der Franzosen, die es nun dauernd behielten. Thugut glaubte sich durch die Erwerbung Westgaliziens bei der dritten polnischen Teilung (1795) hinreichend entschädigt, um so mehr, als Österreich keinen Schwertstreich hierfür hatte thun müssen. Nach dem Rücktritt Preußens von der Koalition durch den Baseler Frieden (5. April 1795) übernahmen die österreichischen Heere allein die Verteidigung der Rheingrenze, und Clerfait schlug 1795, Erzherzog Karl 1796 die in Deutschland eindringenden Franzosen zurück. Durch die Schlachten bei Amberg (24. Aug.) und Würzburg (3. Sept. 1796) wurde nicht nur Jourdan zum Rückzug über den Mittelrhein genötigt, sondern auch Moreau sah sich gezwungen, nach dem Elsaß zu gehen. Aber inzwischen hatte Napoleon Bonaparte die Österreicher und ihre Verbündeten in Oberitalien geschlagen, Wurmser nach den Schlachten von Castiglione und Bassano in Mantua eingeschlossen und, nachdem er die Entsatzversuche Alvinczys durch die Siege von Arcole (15.-17. Nov. 1796) und bei Rivoli (14. Jan. 1797) vereitelt, 2. Febr. 1797 zur Übergabe gezwungen. Indem Bonaparte mit größter Kühnheit durch Friaul in die Ostalpen rückte und über Leoben und Bruck im Murthal in das Herz Österreichs vordrang, erregte er in Wien einen solchen Schrecken, daß man Unterhandlungen mit ihm anknüpfte, obwohl Erzherzog Karl mit einem Heer zum Schutz Wiens bereit stand und im Rücken der Franzosen die patriotisch gesinnte Bevölkerung sich erhob. Cobenzl schloß 18. April 1797 zu Leoben einen Waffenstillstand ab, der 17. Okt. durch den Frieden von Campo Formio im wesentlichen bestätigt wurde. Österreich trat die Lombardei und Belgien ab und erhielt dafür Venedig, Istrien und Dalmatien; es willigte in die Abtretung des linken Rheinufers an Frankreich und bedang sich dafür Salzburg und einen Teil Bayerns aus, während Preußen keine Entschädigung erhalten sollte. Das österreichische Gebiet hatte sich also durch die Erwerbung Galiziens und der adriatischen Küstenländer vortrefflich abgerundet.

Schon 1799 brach der Krieg von neuem aus, da Thugut sich in seinen Hoffnungen auf Salzburg und Bayern getäuscht sah und die Franzosen allzu eigenmächtig in Deutschland schalteten. Österreich schloß sich der zweiten Koalition gegen Frankreich an und errang anfangs bedeutende Erfolge. Erzherzog Karl besiegte 25. März Jourdan bei Stockach und drang in die Schweiz ein, wo er 4. Juni Masséna bei Zürich schlug. Inzwischen hatten die verbündeten Österreicher und Russen den Franzosen fast ganz Italien wieder entrissen. Aber durch Mangel an Einheit in der Kriegsleitung ging der Gewinn der glänzenden Siege verloren. Suworow fand, als er in kühnem Zug den St. Gotthard überschritt, das russisch-österreichische Heer bei Zürich geschlagen und Erzherzog Karl nicht geneigt, sich mit ihm in der Schweiz zu vereinigen. Dazu kam, daß das russische Kabinett Thugut im Verdacht hatte, nicht die Revolution bekämpfen, sondern bloß Bayern und Piemont erwerben zu wollen. Kaiser Paul rief seine Truppen ab, und Österreich sah sich 1800 allein den Franzosen gegenüber, welche nun der aus Ägypten zurückgekehrt Bonaparte wieder befehligte. Während der österreichische General Melas Genua belagerte, überschritt Bonaparte den St. Bernhard und kam den Österreichern in den Rücken. Die Niederlage von Marengo (14. Juni 1800) zwang Melas, ganz Oberitalien bis zur Etsch zu räumen, und als in Süddeutschland Moreau den Erzherzog Johann 3. Dez. 1800 bei Hohenlinden schlug und bis über die Enns in Österreich selbst eindrang, sah sich der Kaiser genötigt, den Waffenstillstand von Steyr und 9. Febr. 1801 den Frieden von Lüneville im Namen Österreichs und des Deutschen Reichs zu schließen. Derselbe ließ Österreich die Grenzen von 1797 im wesentlichen unverkürzt. Doch erwarb es im Reichsdeputationshauptschluß (1803), welcher die Entschädigungen für das von den deutschen Fürsten auf dem linken Rheinufer abgetretene Gebiet regelte, weder Bayern noch Salzburg, sondern nur die Bistümer Trient und Brixen und mußte den Breisgau an den Herzog von Modena abtreten, während Salzburg dem Großherzog von Toscana zufiel.

Das Deutsche Reich war von Österreich preisgegeben worden, und in der Erwartung seiner bevorstehenden Auflösung nahm Franz II. 14. Aug. 1804 den Titel eines erblichen Kaisers von Österreich an. Indes die Interessen der österreichischen Hausmacht waren wenigstens gewahrt worden, und deshalb behielt Cobenzl, Thuguts Nachfolger in der Staatskanzlei, die Leitung der auswärtigen Politik. Aber neben den rein dynastischen Gesichtspunkten kamen in Wien auch andre idealere zur Geltung.