Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

965

Pflanzenkunde - Pflanzensystem.

leben und dieselben mit sehr feinen Fäden überspinnen, ein Gelbwerden und frühes Absterben des Laubes (Blattdürre); hierher gehört auch die Krankheit des Weinstocks, welche gegenwärtig durch die auf den Wurzeln desselben schmarotzende Reblaus erzeugt wird. Meistens aber verursacht der Parasitismus wirkliche Neubildungen an den bewohnten Teilen (Gallen, s. d.), zu deren Ausbildung meist ein größeres Quantum von Nährstoffen dem Körper entzogen wird, und durch welche die Organe, an denen sie entstehen, in der Regel ganz oder teilweise funktionsunfähig werden. So kann Sterilität die Folge sein, wenn die Gallen aus Teilen der Blüten oder Früchte entstehen; dahin gehören das Gicht- oder Radenkorn des Weizens, die Kernfäule der Karden (s. Aaltierchen), knollenförmige Anschwellungen an den Wurzeln des Rapses, Rübsens und Kohls, durch Larven der Rapsfliegen (Anthomyia) und andrer Dipteren erzeugt. Die meisten und verschiedenartigsten Gallen finden sich auf Blättern und bewirken bei reichlichem Auftreten Laubverderbnis. Zu ihnen gehören auch die durch mikroskopisch kleine, vierbeinige Milben (Phytoptus) verursachten abnormen Haarbildungen, welche auf dem Weinstock und den meisten unsrer Holzgewächse die Filzkrankheit der Blätter (s. Erineum) darstellen. Blattläuse bewirken Verkrümmungen, Kräuselungen, blasige Auftreibungen und beutelförmige Aussackungen an den Blättern und bringen durch ihre Sekretionen Honigtau (s. d.) und durch die bei ihren Häutungen zurückbleibende Bälge Meltau (s. d.) hervor. - Von einer Anzahl P. können wir eine bestimmte Ursache noch nicht angeben; es ist zu vermuten, daß sie auf Ernährungsverhältnisse, bedingt durch die Beschaffenheiten des Bodens, zurückzuführen sind. Dahin gehören die Erscheinungen des Rückschlags auf den wilden Zustand, wie das Holzigwerden fleischiger Wurzeln und Knollen und das Steinigwerden der Birnen, ferner die Krankheiten, welche in einer Desorganisation gewisser Gewebe, insbesondere des Holzkörpers, bestehen, wie die Gummikrankheit des Steinobstes, die Harzkrankheit der Nadelhölzer, der Krebs der Kernobstgehölze und desgleichen die Bleichsucht oder Chlorose. Vgl. Meyen, Pflanzenpathologie (Berl. 1841); Kühn, Die Krankheiten der Kulturgewächse (2. Aufl., das. 1859); Hallier, Phytopathologie (Leipz. 1868); Sorauer, Handbuch der P. (2. Aufl., Berl. 1886; Atlas 1887 ff.); Frank, Die Krankheiten der Pflanzen (Bresl. 1880); Hartig, Lehrbuch der Baumkrankheiten (Berl. 1882); Zimmermann, Atlas der P. (Halle 1885-86).

Pflanzenkunde, s. v. w. Botanik.

Pflanzenläuse, s. v. w. Blatt- und Schildläuse.

Pflanzenleim, s. Kleber. Pflanzenpapier, s. Englisches Pflaster.

Pflanzenpathologie, s. Botanik und Pflanzenkrankheiten.

Pflanzenphysiologie, s. Botanik.

Pflanzenreich, s. Pflanze.

Pflanzensammlung, s. v. w. Herbarium.

Pflanzenschaf, s. Baranetz.

Pflanzenschlaf, s. Pflanzenbewegungen, S. 958.

Pflanzenschleim, s. Schleimschläuche.

Pflanzensynonymik, s. Botanik und Pflanze.

Pflanzensystem, die wissenschaftlich begründete Anordnung der Pflanzen nach ihrer nähern oder entferntern Verwandtschaft. Die Wege, die zur Aufstellung eines Pflanzensystems eingeschlagen worden sind, beruhen auf zwei wesentlich verschiedenen Prinzipien, und danach unterscheiden wir zwischen künstlichen und natürlichen Pflanzensystemen. Ein künstliches System kommt zu stande, wenn man ein beliebiges einzelnes Merkmal der Pflanzen herausgreift und nach den Verschiedenheiten, die lediglich dieses eine Merkmal in der Reihe der Gewächse aufweist, die letztern klassifiziert, wie dies z. B. in dem Linnéschen System geschieht, wo die Staubgefäße in erster und die Griffel in zweiter Linie als die einzigen Einteilungsprinzipien fungieren.

Das Linnésche Pflanzensystem.

^[Liste]

1) Sichtbar Blühende (Phanerogamae).

A. Zwitterblütige (Monoclinae).

a) Staubgefäße voneinander getrennt. In jeder Blüte;

1 Staubgefäß 1. Klasse Monandria,

2 Staubgefäße 2. " Diandria,

3 " 3. " Triandria,

4 " 4. " Tetrandria,

5 " 5. " Pentandria,

6 " 6. " Hexandria,

7 " 7. " Heptandria,

8 " 8. " Octandria,

9 " 9. " Enneandria,

10 " 10. " Decandria,

12-18 " 11. " Dodecandria.

20 u. mehr Staubgefäße, dem Kelch eingefügt 12. " Icosandria,

20 u. mehr Staubgefäße, dem Fruchtboden eingefügt 13. " Polyandria,

2 längere u. 2 kürzere Staubgefäße 14. " Didynamia,

4 längere u. 2 kürzere Staubgefäße 15. " Tetradynamia.

b) Staubgefäße miteinander verwachsen. Staubfäden verwachsen.

in 1 Bündel 16. " Monadelphia,

in 2 Bündel 17. " Diadelphia,

in 3 und mehr Bündel 18. " Polyadelphia,

Staubbeutel verwachsen 19. " Syngenesia.

c) Staubgefäße mit dem Stempel verwachsen 20. " Gynandria.

B. Staubgefäße und Stempel in verschiedenen Blüten (Diclinae);

a) männl. u. weibl. Blüten auf derselben Pflanze 21. Klasse Monoecia.

b) männl. u. weibl. Blüten auf verschiedenen Pflanzen 22. " Dioecia.

c) männl. u. weibl. Blüten mit Zwitterblüten gemischt 23. " Polygamia.

2) Verborgen Blühende (Cryptogamae) 24. " Cryptogamia

Jede Klasse teilte Linné in Ordnungen und zwar in der 1. bis 13. Klasse nach der Zahl der Griffel oder Narben, die 14 in Nacktsamige (Gymnospermae, fast sämtliche Lippenblütler) und Bedecktsamige (Angiospermae, der größte Teil der Skrofulariaceen), die 15. in Siliquosae und Siliculosae; die 16., 17. und 18. werden nach Zahl und Stand der Staubgefäße geteilt, die 19. (Kompositen) nach dem Geschlecht der Einzelnen, die 20. (Orchideen) nach der Zahl der Staubgefäße, die 21. und 22. nach Zahl, Stand und Verwachsung der Staubgefäße; die 23. zerfällt in Ein-, Zwei- und Dreihäusige, die 24. in Farne, Moose, Algen, Pilze.

Wenn es sich nur um den Zweck handelt, die Pflanzen nach irgend einem Merkmal in ein System zu bringen, um mittels desselben sie bestimmen zu können, so reicht ein solches künstliches System aus, ja es hat in letzterer Hinsicht unverkennbare Vorzüge. Sollen dagegen die Pflanzen nach ihrer natürlichen Verwandtschaft geordnet werden, so daß diese Anordnung ein möglichst genaues Abbild des Entwickelungsganges gibt, den das Pflanzenreich bei seinem allmählichen Erscheinen auf der Erde von seinen ersten Anfängen an bis zu immer vollkommnern Stufen und bis zur Erreichung aller der gegenwärtig existierenden Typen eingeschlagen hat, so erhalten wir ein natürliches System. Offenbar kann es nur ein einziges natürliches P. geben, und wenn verschiedene dergleichen aufgestellt worden sind, so beweist das nur, daß die Versuche auf verschiedenen Wegen dem