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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Reichsindigenat - Reichskanzler.

sein Ende. Vgl. Herchenhahn, Geschichte der Entstehung etc. des kaiserlichen Reichshofrats (Mannh. 1791-93, 3 Tle.); Danz, Grundsätze des Reichsgerichtsprozesses (Stuttg. 1795).

Reichsindigenat, s. Bundesindigenat.

Reichsinsignien, s. v. w. Reichskleinodien.

Reichsinvalidenfonds, derjenige Vermögenskomplex, welcher zur Sicherung und Bestreitung der Ausgaben bestimmt ist, welche dem Deutschen Reich infolge des Kriegs von 1870/71 durch die Pensionierung und Versorgung von Militärpersonen des Reichsheers und der kaiserlichen Marine sowie durch die Bewilligungen für Hinterbliebene solcher Personen erwachsen sind (Reichsgesetz vom 23. Mai 1873). Der R. wurde aus der französischen Kriegskostenentschädigung mit 187 Mill. Thlr. dotiert (Bestand 1887: 500,851,890 Mk.). Mit seiner Verwaltung ist diejenige des Reichsfestungsbaufonds und des Fonds für die Errichtung eines Reichstagsgebäudes verbunden. Diese Verwaltung besteht aus einem vom Kaiser ernannten Vorsitzenden und drei vom Bundesrat gewählten Mitgliedern, welche für die gesetzmäßige Anlage, Berechnung und Verwaltung des Fonds verantwortlich sind. Im übrigen unterliegt die Verwaltung der Oberaufsicht des Reichskanzlers wie der fortlaufende Aufsicht der Reichsschuldenkommission. Über die nach Erfüllung des Zwecks entbehrlich werdenden Bestände kann nur durch Reichsgesetz verfügt werden.

Reichsjägermeister, s. Erbämter u. Erzämter.

Reichsjustizamt, die Justizverwaltungsbehörde des Deutschen Reichs. Das R. in Berlin, von einem Staatssekretär geleitet, ist namentlich mit der Vorbereitung und Vertretung der die Rechtspflege betreffenden Reichsgesetze und mit der Bearbeitung der Ausführungsbestimmungen zu solchen Gesetzen betraut. Ihm ist das Reichsgericht, insofern es sich um die Justizverwaltung handelt, unterstellt, ebenso die Kommission zur Ausarbeitung eines deutschen bürgerlichen Gesetzbuchs.

Reichskammergericht, im ehemaligen Deutschen Reich neben dem Reichshofrat das höchste Gericht, welches 1495 von Kaiser Maximilian I. zunächst für Landfriedensbruchsachen eingesetzt ward. Dasselbe bestand aus dem vom Kaiser ernannten Kammerrichter fürstlicher oder gräflicher Abkunft als Vorsitzendem, zwei Kammerpräsidenten, die ebenfalls vom Kaiser ernannt, und aus den Reichskammergerichtsassessoren, die vom Kaiser, den Kurfürsten und Kreisen nach bestimmtem Verhältnis gewählt wurden. Ihre Zahl war im Westfälischen Frieden auf 50 festgesetzt, doch war wegen Geldmangels diese Zahl nie voll; ein Reichsbeschluß von 1719 setzte sie auf 25 herab, und selbst diese Zahl wurde erst seit 1782 wirklich eingehalten. Dazu kamen außer dem Kanzleipersonal 30 Reichskammergerichtsprokuratoren und 12 Reichskammergerichtsadvokaten. Der Sitz des Gerichts war anfangs zu Frankfurt, seit 1693 aber, nach manchem Wechsel, in Wetzlar. Unterhalten wurde das R. von gewissen Abgaben der Reichsstände, den Kammerzielen, die aber sehr unregelmäßig eingingen. Das R. urteilte über alle Rechtssachen der Reichsunmittelbaren, war zugleich höchste Instanz in Zivilsachen für die Reichsmittelbaren, sofern es nicht durch die Privilegien de non appellando verschiedener Reichsstände, namentlich der Kurfürsten, beschränkt war, und nahm Beschwerden über verweigerte oder verzögerte Justiz und in Kriminalsachen auch wegen Nichtigkeit an. Endlich konnten auch die Unterthanen gegen den Landesherrn und gegen beschwerende Regierungsmaßregeln die Hilfe des Reichskammergerichts in Anspruch nehmen. Der Geschäftsgang war in den Reichskammergerichtsordnungen von 1495 und 1555 vorgeschrieben. Die neue, 1613 dem Reichstag vorgelegte Ordnung blieb Entwurf, ist aber für die Entwickelung des deutschen Zivilprozeßrechts immerhin von Wichtigkeit gewesen. Bei aller Langsamkeit und Unzulänglichkeit seiner Rechtsprechung hat das R. doch zur Erhaltung der deutschen Rechtseinheit beigetragen, bis es mit der Auflösung des Reichs 1806 sein Ende erreichte. Vgl. von Berg, Grundriß der reichsgerichtlichen Verfassung und Praxis (Götting. 1797).

Reichskammergüter, der dem vormaligen Deutschen Reich zugehörige Vermögenskomplex, in Domänen, Waldungen, Zinsen von Reichsbauern, Einkünften von den Reichsstädten etc. bestehend, zum Unterhalt des kaiserlichen Hofs und für Bedürfnisse des Reichs bestimmt.

Reichskanzlei, s. Reichsbehörden.

Reichskanzler, Erzamt im ehemaligen Deutschen Reich, welches vom Kurfürsten von Mainz (Kurerzkanzler) bekleidet wurde. Der ständige Vertreter desselben am kaiserlichen Hof war der vom R. ernannte Reichsvizekanzler (Reichshofvizekanzler), der zugleich Mitglied des Reichshofrats und der eigentliche Reichsminister war. Im dermaligen Deutschen Reich hat der R., ebenso wie der frühere Bundeskanzler des Norddeutschen Bundes, eine Doppelstellung. Der R., welcher vom Kaiser ernannt wird, ist nämlich einmal Mitglied und Vorsitzender des Bundesrats. Als Mitglied dieser Körperschaft ist er Vertreter der preußischen Staatsregierung, und als solcher übt er namentlich auch die der letztern zustehenden Vorrechte des Bundespräsidiums aus. Auf der andern Seite ist dem R. aber auch die Leitung der sämtlichen Geschäfte des Deutschen Reichs übertragen; er ist der eigentliche und zwar der alleinige verantwortliche Reichsminister, das vollziehende Organ der Reichsgewalt. Der R. ist der Gehilfe des Kaisers, namentlich bei der Vertretung des Reichs auswärtigen Staaten gegenüber; er ist der Leiter der gesamten Reichsverwaltung und der oberste Chef der Reichsbehörden (s. d.); er steht dem Kaiser bei der Überwachung der Ausführung der Reichsgesetze zur Seite; durch ihn werden die erforderlichen Vorlagen nach Maßgabe der Beschlüsse des Bundesrats im Namen des Kaisers an den Reichstag gebracht, und durch ihn übt der Kaiser das ihm zustehende Recht der Berufung, Eröffnung, Vertagung und Schließung des Bundesrats und des Reichstags aus. Alle Anordnungen und Verfügungen des Kaisers bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Gegenzeichnung des Reichskanzlers, welcher dadurch die Verantwortlichkeit übernimmt; dies gilt namentlich auch für die Publikation von Reichsgesetzen. Nicht berührt werden von dieser Vorschrift die rein militärischen Befehle, welche der Kaiser in seiner Eigenschaft als Oberbefehlshaber der Kriegsmacht des Reichs erteilt. Jene Verantwortlichkeit des Reichskanzlers entbehrt zur Zeit allerdings noch einer rechtlichen Ausführung und Normierung; sie ist vorwiegend eine politische, indem der R. sowohl im Bundesrat als im Reichstag bezüglich der Reichsregierung interveniert und durch das Mißtrauensvotum des letztern vielleicht zum Rücktritt bestimmt werden könnte. Ein Anklagerecht der Volksvertretung besteht nicht. Wie aber die Machtstellung der Reichsregierung zum großen Teil darauf beruht, daß sie mit der weitaus mächtigsten Landesregierung verbunden, so ist auch die Übereinstimmung,