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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Schwedische Litteratur

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Schwedische Litteratur (19. Jahrhundert).

in der schwedischen Litteratur eine widerliche Nachahmung des Französischen Platz griff, welche sogar so weit ging, daß Dramen und Gedichte ernstern Inhalts nur noch in Alexandrinern abgefaßt sein durften, wenn sie bei der Akademie Anerkennung finden sollten. Erst Tegnér wagte ein Vierteljahrhundert später, diese Fesseln zu sprengen; aber es gelang ihm dies nicht für immer, und noch heute ist die Akademie eher ein Hemmnis für die freie Entfaltung der schwedischen Litteratur als das, was sie nach Gustavs Intentionen hätte sein sollen und zu den Zeiten Tegnérs auch wirklich war. Unter den Dichtern der Gustavianischen Epoche nimmt Joh. Henrik Kellgren (gest. 1795), der "Hofdichter" Gustavs, durch seine elegante und wohlklingende Sprache und den Flug seiner Gedanken einen hervorragenden Platz ein. Leider wurde seine Dichterlaufbahn durch einen frühzeitigen Tod abgeschnitten, ehe er so weit gekommen war, sich ganz von den französischen Mustern zu befreien. Ganz national und selbständig dagegen ist Karl Michael Bellman (gest. 1795), welcher in seinen originellen Trink- und Liebesliedern, die er zu selbsterfundenen Melodien improvisierte, eine humoristische Schilderung des damaligen Stockholmer Volkslebens lieferte. Er ist noch heutzutage der Lieblingsdichter des Volkes. Verwandt mit der Bellmanschen Richtung waren die Komödiendichter Olof Kexél (gest. 1796) und Karl Israel Hallman (gest. 1800). Wieder in anderer Art originell war der reichbegabte Bengt Lidner (gest. 1793); doch wird die Innigkeit des Gefühls und die Erhabenheit der Gedanken oft selbst in seinen besten Gedichten, wie: "Spastaras död", "Aret 1783", von einer gewissen krankhaften Sentimentalität verdunkelt. Die Mehrzahl der schwedischen Dichter in der Zeit Gustavs III. war indes abhängig von ihren französischen Vorbildern, so der Epiker und Volksdichter Gust. Fredrik Gyllenborg (gest. 1808), der durch seine herrlichen Naturschilderungen bekannte Joh. Gabriel Oxenstjerna (gest. 1818), der von seinen Zeitgenossen überschätzte, in der folgenden Periode dagegen unbillig verhöhnte Karl Gustaf Leopold (gest. 1829); ferner G. G. Adlerbeth (gest. 1818), Joh. David Valerius (gest. 1852) Endlich ist noch der Finne Michael Choräus (gest. 1806) und als eine der interessantesten Gestalten dieser Periode der schwedischen Litteratur die Dichterin Anna Maria Lenngren (gest. 1817) zu nennen, welche in lebendigen Zügen anziehende Miniaturgemälde der lächerlichen Seite des Alltagslebens lieferte. Als der erste Gegner des herrschenden französischen Geschmacks trat Thom. Thorild (gest. 1808) auf, welcher zwar als Dichter nicht bedeutend war, aber als Denker und politischer Schriftsteller hochgeschätzt und darum von dem Nachfolger Gustavs III. des Landes verwiesen wurde. Unter den Prosaikern dieses Zeitraums verdienen noch K. August Ehrensvärd (gest. 1800), Verfasser der genialen Abhandlungen: "Resa till Italien" und "De fria konsters filosofi", und die philosophischen Schriftsteller Nils v. Rosenstein (gest. 1824) und Georg Adlersparre (gest. 1835) namentliche Erwähnung.

Das 19. Jahrhundert.

Eine erfolgreiche Opposition gegen die französische oder sogen. klassische Schule begann endlich 1810, als im Gegensatz zu Wallmarks "Journal för Litteraturen och Theatern", dem Organ des klassischen Geschmacks, die beiden Zeitschriften: "Polyphem" und "Phosphorus", jene redigiert von Askelöf und diese von Atterbom, den herrschenden Formalismus zu bekämpfen anfingen, indem sie auf die deutsche romantische Schule mit ihrem Hyperidealismus und Kosmopolitismus als Muster hinwiesen. Die vornehmsten Mitglieder dieser neuen Schule, welche nach ihrem litterarischen Organ den Namen Phosphoristen erhielten, waren: Atterbom, Hammarsköld, Palmblad, Dahlgren und Livijn. Von ihnen war Hammarsköld (gest. 1827) zwar nicht sehr produktiv, erwarb sich aber trotz seiner Einseitigkeit und Rücksichtslosigkeit als Kritiker und Litterarhistoriker große Verdienste. Peter Dan. Atterbom (gest. 1855), der bedeutendste Dichter der Phosphoristen, lieferte in "Lyksalighetens Ö" ein größeres allegorisches Gedicht, worin sich jedoch neben großem Phantasiereichtum eine gewisse Unklarheit in Gedanken und Formen kundgibt, was auch von dem sonst ansprechenden Gedichtcyklus "Blommorna" gilt; dagegen traf er in "Minnesångarne i Sverige" den einfachen Ton des Volksliedes in musterhafter Weise. Direkt gegen die Anhänger des sogen. klassischen Geschmacks, insbesondere gegen den Akademiker Wallmark, war er in dem satirischen Heldengedicht "Markalls sömnlösa nätter" aufgetreten. Wilh. Fredrik Palmblad (gest. 1852) war nicht allein ein tüchtiger Kritiker, sondern auch ein produktiver Romanschriftsteller ("Familien Falkensvärd", "Aurora Königsmark" etc.). Karl Fredr. Dahlgren (gest. 1844) endlich leistete seiner Partei unschätzbare Dienste durch die witzigen Beiträge zu dem Gedicht "Markalls sömnlösa natter"; im übrigen war er ein begabter Dichter, der besonders durch anmutige Naturschilderungen und originelle Idylle glänzte und in "Bergströms krönika" einen der besten schwedischen Romane lieferte. Sonst sind als Anhänger der Phosphoristen Joh. Börjesson (gest. 1866), Julia Kristina Nyberg (gest. 1854), Anders Abr. Grafström (gest. 1870) und Sam. Hedborn (gest. 1849) anzuführen.

Schon vor dem Auftreten der Phosphoristen hatten Franz Michael Franzén (gest. 1847) als Lyriker und Joh. Olof Wallin (gest. 1839), Schwedens vortrefflichster Psalmendichter und Kanzelredner, der schwedischen Dichtkunst eine neue Bahn gebrochen, und gleichzeitig mit den Phosphoristen hatte sich der Gotische Bund gebildet, dessen bedeutendste Repräsentanten Esaias Tegnér (gest. 1846), Erik Gust. Geijer (gest. 1847) und Per Henrik Ling (gest. 1839) waren. Diese Gesellschaft nahm in der Dichtkunst einen nationalen Standpunkt ein, indem sie die alte Welt des Nordens zum Gegenstand dichterischer Behandlung und historischer Forschung zu machen suchte. Voran steht Geijer in seinen einfachen und kräftigen Gedichten: "Wikingen", "Den sista skalden", "Manhem" u. a., während Ling (der Schöpfer der schwedischen Gymnastik) in seinen epischen Gedichten ("Asarne") und Dramen in eine einseitige Bevorzugung des Altnordischen verfiel, Tegnér dagegen in seine weltberühmte "Frithjofs saga" ein modernes, romantisches Element aufnahm, welches dem Gegenstand fern lag. Der Letztgenannte, welcher sich bald von der ausschließlichen Behandlung bloß nordischer Stoffe abwandte, wurde mit dem Reichtum seiner Phantasie und seiner vorzüglichen bilderreichen Diktion das Vorbild einer Menge jüngerer Dichter, von denen sich gleichwohl nur Bernh. v. Beskow (gest. 1868), Verfasser des Gedichts "Sveriges anor" und nationaler Dramen ("Erik XIV." u. a.), und Assar Lindeblad (gest. 1848) einen Namen erworben haben. Mehrere der bedeutendsten Kräfte hatten sich von dem Streit fern gehalten, so außer Franzén und Wallin besonders Erik Johan Stagnelius (gste.^[richtig: gest.] 1829), der in beinahe allen Zweigen der