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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Urkundenbeweis; Urkundenfälschung; Urkundenlehre; Urkundenprozeß

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Urkundenbeweis - Urkundenprozeß.

und Kopien (Abschriften) und in archivarische und nicht archivarische Urkunden. Unter den archivarischen versteht man Urkunden, welche im Archiv einer öffentlichen Behörde aufbewahrt sind, und welchen das sogen. Archivrecht (s. d.) zukommt. Was den Urkundenbeweis (probatio per instrumenta, preuve littérale) in einem bürgerlichen Rechtsstreit anbetrifft, so haben öffentliche Urkunden die Vermutung der Echtheit für sich, d. h. sie gelten so lange als echt, bis das Gegenteil vom Beweisgegner dargethan ist. Nach der deutschen Zivilprozeßordnung (§ 402) kann jedoch das Gericht, wenn es die Echtheit einer öffentlichen U. für zweifelhaft hält, von Amts wegen die Behörde oder die Person, von welcher die U. errichtet sein soll, zur Erklärung über deren Echtheit veranlassen. Privaturkunden haben nur dann die Vermutung der Echtheit für sich, wenn die Echtheit der Namensunterschrift feststeht, oder wenn das unter der U. befindliche Handzeichen eines des Schreibens unkundigen Ausstellers gerichtlich oder notariell beglaubigt ist (s. Unterschrift). Öffentliche Urkunden liefern den vollen Beweis des darin beurkundeten Vorganges; Privaturkunden begründen, insofern sie von den Ausstellern unterschrieben oder mittels gerichtlich oder notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet sind, nur dafür vollen Beweis, daß die in denselben enthaltenen Erklärungen von den Ausstellern abgegeben sind. Die Echtheit einer nicht anerkannten Privaturkunde ist vom Beweisführer (durch Eidesantrag, Zeugen, Urkunden, auch durch Schriftvergleichung, s. d.) zu beweisen. Befindet sich eine Beweisurkunde in den Händen des Prozeßgegners, so kann der Beweisführer von diesem die Edition (s. d.) der U. verlangen. Vgl. Deutsche Zivilprozeßordnung, § 380-409, 555-567, 702. Aus einer U., welche von einem deutschen Gericht oder einem deutschen Notar amtlich aufgenommen ist, kann nach der Zivilprozeßordnung (§ 702) die sofortige Zwangsvollstreckung stattfinden, wofern sich der Schuldner in der U. der Zwangsvollstreckung unterworfen hat und die U. über einen Anspruch errichtet ist, welcher die Zahlung einer bestimmten Geldsumme oder die Leistung einer bestimmten Quantität andrer vertretbarer Sachen oder Wertpapiere zum Gegenstand hat. Auch können derartige Ansprüche bei sofortigem urkundlichen Beweis im Urkundenprozeß (s. d.) geltend gemacht werden. - Über Urkundenlehre s. d.

Urkundenbeweis, s. Urkunde.

Urkundenfälschung, eine Fälschung (s. d.), welche an einer Urkunde (s. d.) vorgenommen wird, oder, wie das deutsche Strafgesetzbuch die U. näher definiert, das Vergehen desjenigen, welcher in rechtswidriger Absicht eine inländische oder ausländische öffentliche Urkunde oder eine solche Privaturkunde, welche zum Beweis von Rechten oder Rechtsverhältnissen von Erheblichkeit ist, verfälscht oder fälschlich anfertigt und von derselben zum Zweck einer Täuschung Gebrauch macht. Das Strafgesetzbuch bedroht dies Vergehen mit Gefängnisstrafe von einem Tag bis zu fünf Jahren. Als schwere U. erscheint es, wenn die Absicht des Fälschers darauf gerichtet war, entweder sich selbst oder einem andern einen Vermögensvorteil zu verschaffen, oder einem andern, sei es dem Getäuschten selbst oder einem Dritten, Schaden zuzufügen. Hier tritt, wenn die Urkunde eine Privaturkunde ist, Zuchthausstrafe bis zu fünf Jahren, neben welcher auf Geldstrafe bis zu 3000 Mk. erkannt werden kann, und, war die Urkunde eine öffentliche, Zuchthaus bis zu zehn Jahren ein, neben welchem auf Geldstrafe von 150-6000 Mk. erkannt werden kann. Außerdem werden verschiedene Delikte durch das Reichsstrafgesetzbuch mit der U. zusammengestellt und derselben gleich behandelt (uneigentliche U.), so: der wissentliche Gebrauch einer falschen oder verfälschten Urkunde zum Zweck einer Täuschung; das vorsätzliche Bewirken falscher öffentlicher Beurkundung; die Vernichtung, Unterdrückung und Beschädigung von Urkunden zum Zweck der Benachteiligung andrer; die Fälschung von Stempelpapier, Stempel-, Post- und Telegraphenmarken und das Vernichten, Verrücken und Fälschlichsetzen von Grenz- und Wasserstandszeichen. U., von einem Beamten begangen, wird als Amtsverbrechen (s. d.) bestraft. Vgl. Deutsches Reichsstrafgesetzbuch, § 267-280, 318 f., 351; Österreichisches Strafgesetzbuch, § 199, 201.

Urkundenlehre (Diplomatik), die Lehre von den Urkunden (s. d.), mit deren Kritik sie sich beschäftigt, eine Hilfswissenschaft der Geschichte (s. d.). Vgl. Leist, Urkundenlehre (Leipz. 1882); Derselbe, Die Urkunde, ihre Behandlung und Bearbeitung (Stuttg., 1884); Breßlau, Handbuch der U. (Leipz. 1888 ff.); Österley, Wegweiser durch die Litteratur der Urkundensammlungen (Berl. 1885-86); Posse, Die Lehre von den Privaturkunden (Leipz. 1887).

Urkundenprozeß (Exekutivprozeß), das summarische Prozeßverfahren, welches bei sofort urkundlich erweisbaren Forderungen dem Gläubiger den Vorteil schleuniger Zwangsvollstreckung gewährt. Der U. verdankt seine Entstehung der italienischen Jurisprudenz des Mittelalters, welche bei sogen. guarentigiierten Schuldurkunden (instrumenta guarentigiata) die sofortige Hilfsvollstreckung oder Exekution (parata executio) statuierte, d. h. bei solchen Schuldbriefen, welche dem Gläubiger dadurch eine besondere Sicherheit (guaran) boten, daß sie notariell beglaubigt und mit der Hilfsvollstreckungs- oder Exekutivklausel versehen waren. Die Klausel, welche in der Erklärung des Schuldners bestand, daß er sich für den Fall nicht rechtzeitiger Zahlung der sofortigen Exekution unterwerfe, wurde jedoch von der Praxis später aufgegeben, indem man ein besonders schleuniges Verfahren zum Zweck einer schnellen Herbeiführung der Zwangsvollstreckung auf Grund von Schuldurkunden überhaupt zuließ. So bildete sich der U. aus, dessen wesentliche Grundsätze nach den neuern Prozeßordnungen und namentlich nach der deutschen Zivilprozeßordnung folgende sind. Eine Klage im U. (Exekutivklage) kann auf Grund eines Anspruchs erhoben werden, welcher die Zahlung einer bestimmten Geldsumme oder die Leistung einer bestimmten Quantität andrer vertretbarer Sachen oder Wertpapiere zum Gegenstand hat, wofern sämtliche zur Begründung des Anspruchs erforderliche Thatsachen, also z. B. nötigen Falls auch die Kündigung, durch Urkunden bewiesen werden können. Die Klage muß den Antrag auf Einleitung des Urkundenprozesses enthalten; die betreffenden Urkunden müssen ihr in Urschrift oder in Abschrift beigefügt sein. In dem daraufhin anberaumten Termin (Rekognitionstermin) hat der Kläger bei Vermeidung des Verlustes der Exekutivklage jene Urkunden vorzulegen, der Beklagte sich bei Strafe fingierten Anerkenntnisses über die Echtheit derselben zu erklären. Der Kläger muß die Echtheit der Urkunden nötigen Falls beweisen und zwar nur entweder durch anderweite Urkunden oder durch Eidesantrag. Einreden des Beklagten werden im U. nur dann berücksichtigt, wenn sie ebenfalls durch Urkunden oder durch Eid liquid gestellt werden. Dem Beklagten ist aber die Ausführung seiner Rechte vorzubehalten, wenn er dem