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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Westindien

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Westindien (Klima, Naturprodukte, Bevölkerung).

Gestein noch Muschelkalkbildungen auf, während Trinidad neben vulkanischen Gebilden auch ältere Felsarten aufweist und die der Küste Venezuelas vorgelagerten Inseln unter dem Wind aus Kalksteinen jüngerer Formationen bestehen.

Das Klima ist für sämtliche Inseln, mit Ausnahme der nördlichen Bahamainseln, ein tropisches, die Temperatur das ganze Jahr durch ziemlich gleichmäßig, etwa 26,3° C. mit einem Unterschied zwischen der Mitteltemperatur des kältesten und heißesten Monats von 4° C. Da sich der Passatgürtel je nach dem Stande der Sonne verschiebt, so haben nur diejenigen Inseln, welche zwischen 15° und 22° 15' nördl. Br. liegen, das ganze Jahr durch östliche bis nordöstliche Winde, während südlich von Martinique während eines Teils des Jahrs Windstillen oder aus S. bis Westen kommende Winde herrschen und nördlich von Cuba Südwestwinde oder zurückkehrende Passate wehen. Die feuchte Jahreszeit, der westindische Frühling, beginnt im Mai (oder April); Laub und Gras erhalten ein frischeres Grün, und um die Mitte des Monats fällt der erste periodische Regen. Nach 14tägigem Regen tritt trocknes und beständiges Wetter ein, und der tropische Sommer erscheint in aller Herrlichkeit. Um die Mitte des Augusts hören die erquickenden Seewinde auf zu wehen, die Hitze steigt bis zu einer unerträglichen Höhe. Die zweite, längere Regenzeit beginnt Ende August und wird am stärksten im Oktober. Die mittlere Regenmasse beträgt 1630 mm; doch bewirkt diese Wassermasse, welche in Europa alle Ernten vernichten würde, hier, wo die Winde so schnell austrocknen, nur, daß Quellen und Bäche nicht versiegen, Menschen, Tiere und Pflanzen in der trocknen Jahreszeit nicht verschmachten. Gleichwohl macht die enorme Feuchtigkeit der Luft während dieser Zeit den Aufenthalt auf den Inseln für Europäer ungesund. Gegen Ende November beginnt heiteres und angenehmes Wetter; der Wind kommt aus N. und NO. und bringt den schönsten Winter, der vom Dezember bis Mai dauert. Die schlimmsten Begleiter der Regenzeit sind die Orkane (Hurrikans, s. d.), die oft große Verheerungen anrichten, aber zugleich das Gleichgewicht in der Luft herstellen und dieselbe reinigen. Häufig sind auch Erdbeben mit den Orkanen verbunden. Am ungesundesten sind natürlich die niedern Gegenden, welche besonders vom gelben Fieber heimgesucht werden.

Was Fauna und Flora betrifft, so bildet W. ein besonderes Reich, von dem nur Trinidad und die Inseln unter dem Wind, als zu Südamerika gehörig, zu trennen sind. Säugetiere sind wenig zahlreich. Die stummen Hunde, die man bei Entdeckung der Inseln vorfand, sind ausgestorben. Das hasenartige Aguti, Waschbär (Rakoon), die Äneasratte (Manitu), die Bisamratte, das Meerschweinchen und Fledermäuse vertreten die Landsäugetiere, die Seekuh die Seesäugetiere. Eine kleine Affenart kommt auf Jamaica vor. Ozelot, Jaguar, Fischotter, Gürteltier, Moschusschwein (Pekari) und eine Hirschart beschränken sich auf Trinidad. Von den 203 Arten von Vögeln sind 177 den Inseln eigentümlich. Unter ihnen sind Kolibris und Papageien, Adler, Geier, Eulen, der Kuckuck, Drosseln, Fliegenschnäpper, Sperlinge, Rebhühner, dann zahlreiche Sumpfvögel, als Flamingos, Pelikane, Enten, Hühner, Reiher und Schnepfen, und als Zugvögel Ortolane, Schwalben, Ringeltauben und Regenpfeifer. Unter den Schlangen gibt es nur eine giftige Art. Eidechsen, von den kleinsten bis zu den Kaimans, sind zahlreich, ebenso Schildkröten, Fische und die verschiedenen Krustentiere (Krebse, Krabben, Garneelen u. Hummern). Unsre sämtlichen europäischen Haustiere sind eingeführt worden, gedeihen aber nicht sonderlich, und auch die unvermeidlichen Ratten und Mäuse haben sich eingestellt. Das Pflanzenreich hat seit Besitznahme der Inseln durch die Europäer eine andre Gestalt angenommen. Die ausgedehnten Wälder haben in vielen Fällen den aus der Fremde eingeführten Kulturpflanzen weichen müssen und sind auf einigen der kleinern Inseln fast ganz verschwunden. Der Charakter der Flora (3006 Arten von Phanerogamen) ist rein tropisch. Dem dicht verwachsenen Hochwald auf den regenreichen Höhen verleihen Palmen und baumartige Farne seinen Charakter; lockeres Gebüsch und reich blühende Kräuter wachsen auf sonnigen Hängen und in den Ebenen; dichte Manglegebüsche fassen die flachen Küsten ein. An hartem Nutzholz und Farbhölzern (Mahagoni, Brasilienholz, Fustik, Kampescheholz, Guayak, Zedern u. a.) ist noch immer Überfluß. Unter den Nahrungspflanzen spielen der Maniok, die Batate, Yams und die Arrowroot liefernden Pflanzen, Mais und Moorhirse, Bohnen, Erbsen und Erdnüsse die wichtigste Rolle. Reis wird nur wenig gebaut. Fast alle Früchte der Tropen gedeihen hier, und in den Gebirgen auch unsre europäischen Obstsorten. Die Banane wurde bereits 1516 eingeführt und spielt eine große Rolle im Haushalt; auch Kokospalmen, Brotfruchtbäume und alle Arten von Südfrüchten sind heimisch geworden. Außerdem gibt es Ananas, Acajounüsse, Guajaven und andre köstliche Früchte. Für den Verkehr mit dem Ausland ist namentlich der Anbau von Zucker (1513 eingeführt), Kaffee (seit 1720) und Tabak wichtig. Außerdem liefern die Inseln Kakao, Piment, Ingwer, etwas Baumwolle und Gewürze. Wie reich der Pflanzenwuchs, so gering sind die Schätze, die das Mineralreich bietet. Man fördert etwas Gold (auf Haïti), Kupfer (auf Cuba), Schwefel, Asphalt. Andre Metalle kommen zwar auch vor, ihre Förderung ist aber nicht lohnend.

Als Kolumbus 1492 diese Inseln entdeckte, waren sie von zwei Hauptvölkern bewohnt, den Arowak und den Kariben. Von den Arowak (Cibuney, Gamatabai und Gangul), welche in einer monarchischen und erblichen Regierungsverfassung unter Kaziken lebten und schon einige Kultur hatten, ist infolge der grausamen Behandlung durch die Spanier jetzt keine Spur mehr vorhanden, ungeachtet sie zur Zeit der Entdeckung Westindiens gegen 3 Mill. stark waren. Die Kariben (s. d.) waren wild und kriegerisch und setzten den Spaniern hartnäckigen Widerstand entgegen, unterlagen aber doch zuletzt der Kriegskunst der Europäer, so daß gegenwärtig auch nur noch geringe Überreste von ihnen auf der Insel St. Vincent vorhanden sind. Die Spanier gründeten die ersten Niederlassungen auf Cuba, gleich nach der Entdeckung, und ihnen folgten später andre Europäer (Franzosen, Engländer, Holländer, Dänen und Schweden). Als die eingebornen Arbeitskräfte fast erschöpft waren, fing man 1524 an, von Afrika Neger als Sklaven einzuführen. Als dann infolge der Befreiung der Sklaven, zuerst in den britischen Kolonien (1833), zuletzt auf Cuba (1880), abermals ein Mangel an Arbeitskräften entstand, da die freien Neger sich in der Regel die früher erzwungenen Dienste gegen festen Lohn zu verrichten weigerten, hat man seit 1844 aus Indien und China Kulis eingeführt. Man kann wohl annehmen, daß jetzt unter der gesamten Bevölkerung Westindiens 31 Proz. Weiße sind, wobei allerdings einige nicht ganz reine Farbenschattierungen mitlaufen mögen. Aber während auf Cuba und Puerto Rico